Hallo Herr Abaci, welche migrations- und integrationspolitischen Schwerpunkte setzt die SPD mit Blick auf die kommende Bürgerschaftswahl gerade in Hamburg?
In Hamburg haben 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung eine Migrationsgeschichte und jedes zweite Kind kommt aus einer Zuwanderer-Familie. Wir möchten dafür sorgen, dass alle Menschen die gleichen Chancen auf Teilhabe haben.
In welchen Bereichen ist eine gerechte Teilhabe für Einwander*innen besonders wichtig?
Wenn wir über Integration sprechen, dann sprechen wir über ein Querschnittsthema. Da geht es um Kitas und Familienpolitik, aber genauso um die Schulen, soziale Fragen und den Arbeitsmarkt - Vieles kommt zusammen. Die SPD hat 2013 ein Integrationskonzept entwickelt, indem Ziele formuliert wurden. Darin geht es zum Beispiel um gerechte Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Was hat sich seit 2013 denn in Sachen Bildung getan?
Es gibt eine kostenlose und flächendeckende Kitabetreuung. Davon profitieren alle Kinder, insbesondere aber die aus sozial schwierigen Lagen und aus Zuwanderer-Familien. Außerdem gibt es an den Schulen eine Nachmittags-Betreuung mit Nachhilfeunterricht. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule weitergekommen sind. Aber auch im Bereich der Ausbildung, wollen wir keinen jungen Menschen zurücklassen. Wir haben mithilfe der Jugendberufsagenturen dafür gesorgt, dass sie entweder eine berufliche Ausbildung machen oder ein Studium. Die Zahlen zeigen, dass wir mit unserem Konzept schon weit sind.
Welche Rolle schreiben sie den vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Hamburg zu?
Speziell bei der Integration von Geflüchteten hat die Zivilgesellschaft immer eine sehr wichtige Rolle gespielt, deshalb vernetzen wir uns mit ihnen und haben mehrere Projekte gefördert.
Kann die Finanzierung solcher Organisationen, mit Blick auf den Haushalt, aufrechterhalten werden?
Was die Initiativen angeht, die von hamburgischen Landesmitteln finanziert werden, prüfen wir natürlich immer wieder, ob die Projekte gut angenommen werden. Diese wollen und werden wir weiterhin finanzieren.
Und Projekte, die vom Bund finanziert werden?
Was diese Projekte angeht, ist es in der Tat ein bisschen unsicher. Da schauen wir natürlich auch genau hin und werden uns als Hamburg dafür einsetzen, dass im Bereich der Integration keine Kürzungen vorgenommen werden. Aber ob wir uns durchsetzen können, müssen wir abwarten.
Gibt es auch Auswirkungen auf die Unterbringung von Geflüchteten?
Der Wohnungsmarkt ist kein einfaches Thema, und zwar nicht nur in Hamburg, sondern in vielen Metropolen. Denn wir haben natürlich nicht nur Flüchtlinge, die hier wohnberechtigt sind, sondern auch andere Menschen. Deshalb wollen wir weiterhin viel bauen, sodass auch diese Menschen eine Wohnung bekommen. Auf der anderen Seite gibt es aber eine Flächenproblematik. Deshalb ist das Unterbringen von Flüchtlingen immer eine Herausforderung.
Wie sieht es mit der geplanten Unterkunft für queere Geflüchtete in Hamburg aus?
Es ist wichtig, Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, die queer sind oder einen anderen spezifischen Bedarf haben, zu schaffen. Insgesamt wollen wir, das jede*r ein Dach über den Kopf hat, aber auch, dass möglichst viele schnell in den Wohnungsmarkt integriert werden.
Für die Integration wäre es besser, wenn man nicht 100 Menschen in einer Unterkunft hat, sondern in kleinere Wohneinheiten unterteilt.
Was sagen andere Stimmen aus der Bürgerschaft zu diesem Vorhaben?
Es gibt in Hamburg auch politische Kräfte, die versuchen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Die fragen, warum Flüchtlinge Wohnraum bekommen, und Deutsche benachteiligt werden. Als SPD fahren wir eine Politik, die alle Menschen im Blick hat. Wir wollen, dass die Stadt zusammenhält. Dazu gehört auch, dass möglichst viele Menschen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben.
Was ist die größte migrationspolitische Herausforderung der Hamburger SPD abseits der Wohnthematik?
Integration läuft nur dann gut, wenn die Sprache gesprochen wird und die Menschen eine Beschäftigung haben. Deshalb ist es eine wichtige Herausforderung, Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, schnellstmöglich und systematisch besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren - besonders Frauen. Wir wollen das Ganze verbindlicher machen und haben in unserem Regierungsprogramm angekündigt, dass wir ein Landesintegrationsgesetz bringen werden. Das wird die Grundlage unserer Integrationspolitik in Hamburg sein.
Gibt es auch Pläne, um mehr Fachkräfte anzuwerben?
Auf der Landesebene nehmen wir die Fachkräfte-Einwanderung sehr ernst. Wir haben in Hamburg ein Welcome-Center, wo viele Behörden unter einem Dach zusammenarbeiten. Wir wollen dieses Center weiterentwickeln und entbürokratisieren, damit Unternehmer*innen aus dem Ausland schneller Arbeitskräfte nach Hamburg holen können.
Was wünschen Sie sich als Landespolitiker von der neuen Bundesregierung?
Die Migrationspolitik ist überwiegend ein Bundesthema, denn die Gesetze in dem Bereich sind Bundesgesetze. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung bzw. die Parteien, die im Wahlkampf Migrationsdiskussionen negativ geführt haben, das erst mal ablegen und dann und rational und humanitär an die Sache rangehen. Migration heißt auch Arbeitsmigration und die brauchen wir aus demografischen und wirtschaftlichen Gründen.
Die noch amtierende Bundesregierung hat das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Das ist ein Schritt in die Richtung einer modernen Einwanderungspolitik. Und im Bereich der Asyl- und Flucht sind wir humanitär und rechtlich verpflichtet, die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, aufzunehmen und zu versorgen. Gleichzeitig aber müssen wir auch dafür sorgen, dass "irreguläre" Migration gesteuert wird und damit auch die Integrationskapazitäten, des Landes nicht überfordern. Diese Steuerung muss im Einklang mit europäischem Recht und auf der europäischen Ebene passieren und nicht im Alleingang. Das kann nicht funktionieren und das kann auch keine humanitäre Politik sein.