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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Zwischen Jurastudium und Küche: Orwas Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt

Welche Erfahrungen machen Migrant*innen auf dem Arbeitsmarkt? Vor welche spezifische Herausforderungen sehen sie sich gestellt? kohero-Autor Abdul folgt Orwas Weg auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Zwischen Jurastudium und Küche: Orwas Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt
Fotograf*in: Privat

Im Klassenzimmer, mit einer Gruppe von jungen Männern und Frauen aus verschiedenen Ländern, saß Orwa und lernte Deutsch. Es brachte Erinnerungen von vor zwanzig Jahren zurück. In einer Klasse wie dieser lernte er in der weiterführenden Schule in seiner Heimat Syrien. Nach der weiterführenden Schule träumte er davon, in den Anwaltsberuf einzusteigen und tatsächlich studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Aleppo, schloss sein Studium an der Universität mit hervorragenden Noten ab.

Orwa Al Sousis Werdegang

2017 kam Orwa Al Sousi aus Syrien nach Deutschland, nach 20 Jahren Studium und Arbeit in Syrien. Als 2011 die syrische Revolution ausbrach, beteiligte er sich an Demonstrationen gegen das Regime und wurde in einem Staatssicherheitsgefängnis festgenommen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis reiste Orwa nach Ägypten und arbeitete drei Jahre lang in einem Restaurant als Hilfskoch.

Er gelangte über ein Programm der Vereinten Nationen nach Deutschland. Nach seiner Ankunft erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis; er konnte ein B2-Zertifikat erlangen. Nach dem Ende des Sprachkurses begann der Kampf um die Arbeit.

Zunächst hatte Orwa sich um eine Anstellung als Verkäufer beworben, und als Zugfahrer, bekam aber keine der Stellen. Danach arbeitete er eine Probezeit bei der Deutschen Post, doch die Arbeit war schwierig und er konnte sie nicht weiterführen. Dies zwang ihn, sich schnell einen Job zu suchen, der weder eine Ausbildung noch gute Sprachkenntnisse erforderte. Er entschied sich für die Arbeit als Reinigungskraft in einem Hotel und arbeitete dort zweieinhalb Jahre lang, konnte aber nicht weitermachen und gab den Job danach auf.

Danach konnte Orwa sein Jurastudium in Bonn ergänzen: Er erlangte ein Zertifikat, das einem Bachelor-Abschluss entspricht. Er versuchte zunächst, als Anwaltsgehilfe bei einem deutschen Anwalt in den Anwaltsberuf einzusteigen, was ihm jedoch nicht gelang, da die Arbeit im als Anwaltsgehilfe eine lange Ausbildung erforderte. Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten waren zusätzliche Erschwerungen.

Er war mit seiner Arbeit nicht zufrieden und arbeitete nur um der Arbeit willen, um nicht arbeitslos zu bleiben.

Derzeit arbeitet er Vollzeit in einem Restaurant und versucht, sich weiterzuentwickeln und neue Dinge in der deutschen Küche zu lernen. Gleichzeitig versucht er immer noch, einen Job zu finden, der mit seinem Jura- oder Journalismusstudium vereinbar ist.

Vor welchen Herausforderungen stehen Migrant*innen?

Orwa ist einer von zehntausenden Migrant*innen, die über Universitätsabschlüsse in ihren Herkunftsländern aus verschiedenen Fachrichtungen, in Medizin, Pharmazie, Ingenieurwesen, Lehramt und vielen mehr verfügen. Sie haben viele Jahre Berufserfahrungen in ihren Ländern, stehen aber vor Hindernissen. Sie stoßen auf Hürden und finden auf dem deutschen Arbeitsmarkt keinen geeigneten Platz für sich.

Einige der am häufigsten ausgewählten Berufe für Migrantinnen in Deutschland sind die Altenpflege und die Arbeit im Reinigungsbereich, ebenso Arbeit in Restaurants, im Sicherheitsdienst und Paketvertrieb. Ein Führerschein ermöglicht die Arbeit im Transportwesen: in der Lebensmittellieferung, als Fahrerinnen bei Unternehmen und in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs.

Viele Herausforderungen im deutschen System und auf dem Arbeitsmarkt halten Migrantinnen davon ab, in ihrem angestammten Beruf zu arbeiten. Ein großer Teil von ihnen ist gezwungen, einen neuen Beruf zu erlernen, verbringt mehrere Jahre damit und kann darin keinen Erfolg haben. Im Vordergrund dieser Herausforderungen steht die Vermittlung der deutschen Sprache, gleichzeitig ist das Erlernen der Sprache ist die größte Schwierigkeit. Migrantinnen erlernen viele Jahre lang die deutsche Sprache, doch vor allem für Ältere gestaltet sich dies schwierig. Mit der Zeit vergessen Migrantinnen aufgrund mangelnder Übung die gelernte deutsche Sprache, da meiner Erfahrung nach viele keine sozialen Beziehungen zu deutschen Muttersprachlerinnen haben.

Auch gibt es meiner Einschätzung nach Schwierigkeiten bei der Integration zwischen Migrantinnen und der einheimischen Bevölkerung, die Schwierigkeit, ihre Anwesenheit in einigen Berufen zu akzeptieren, die die Landsleute als ihre eigenen betrachten. Wenn sich eine Migrantin und eine Einheimische*r um dieselbe Stelle Ort bewerben, werden oft die ursprünglichen Einwohner des Landes vor der migrantischen Person akzeptiert. Vor allem migrantische Frauen werden eher abgelehnt. Auch haben muslimische Frauen aufgrund des Tragens des Hijab mit Schwierigkeiten bei der Beschäftigung zu kämpfen.

Für weitere Schwierigkeiten sorgen komplexe bürokratische Voraussetzungen. Darüber hinaus werden einige Zertifikate und Universitätsabschlüsse in Deutschland nicht anerkannt.

Die meisten Berufe in Deutschland erfordern eine Ausbildung, die Dauer und erstreckt sich über drei Jahre, hinzu kommt ein Zeitraum von etwa zwei Jahren Deutschunterricht. Diese Jahre kommen im Leben von Migrant*innen zusätzlich zu den Jahren der Bildung und Ausbildung im Herkunftsland, und viele von ihnen wechseln deshalb in Berufe, für die keine Ausbildung erforderlich ist.

Dann ist da noch die Schwierigkeit, eine Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes zu finden, insbesondere in Großstädten, in denen sich Unternehmen und Fabriken befinden. Migrantinnen sehen sich gezwungen, Arbeitsangebote abzulehnen, da sie keine Unterkunft in der Nähe finden können. Auch bei der Bewerbungen an sich berichten Migrantinnen über Schwierigkeiten. Bewerbungsschreiben über elektronische Portale einzureichen, sowie die große Anzahl von Fragen in Formularen, das Anfordern von PDF-Dateien und Bildern in verschiedenen Größen und Formaten, die der Antragsteller möglicherweise nicht bereitstellen kann, kann sich problematisch gestalten.

In einer Zeit, in der Fachkräfte gebraucht werden, und versucht wird, diese für hohe Kosten aus dem Ausland anzuwerben, gibt es gleichzeitig Hunderttausende Migrant*innen mit Erfahrungen in diesem Land, die die Gesetze verstehen und Arbeit brauchen.

Und Orwa? Er steht immer an der Seite der Mitarbeiterinnen in der Küche, wenn es Probleme am Arbeitsplatz gibt; er erinnert den Chef daran, Gerechtigkeit zu üben und die Bedingungen des Vertrags umzusetzen, den die Arbeiterinnen vor der Arbeit unterzeichnet haben.

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