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Willkommenskultur im Wandel der Zeit

Die Willkommenskultur in Deutschland war und ist vor allem geprägt durch ehrenamtliche Helfer*innen. Wer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, hat es allerdings nicht immer leicht. Simon Kolbe forscht zu Inklusion und gibt Tipps fürs Ehrenamt.

ehrenamtliches Engagement Foto: Ra Dagon via unsplash

Der Begriff „Willkommenskultur“ beschreibt in etwa freiwilliges bürgerliches Engagement und eine bestimmte positive gesellschaftliche Haltung gegenüber Migranteninnen (Heckmann 2014). Für besorgte Bürgerinnen und sonstige Risikogruppen mag der Begriff Willkommenskultur ein Reiz- oder Schimpfwort darstellen und sorgt in einigen Kreisen für negative emotionale Aufregung. Für die Disziplin der Sozialen Arbeit ist die Willkommenskultur jedoch als Chance, Risiko und Herausforderung zu betrachten. Warum das so ist und was für die gelebte Freundlichkeit gegenüber Geflohenen wichtig ist, wird in diesem Beitrag über die Willkommenskultur diskutiert.

Nicht erst seit 2015 engagieren sich Bürger*innen sämtlicher gesellschaftlicher Positionen, aller Geschlechter und jeden Alters für Geflohene. Eine bemerkenswerte Anzahl von Menschen organisiert sich: Dabei wird materielle Nothilfe geleistet, Begleitung bei Amtsbesuchen organisiert, Deutsch unterrichtet oder eine Arbeitsstelle vermittelt. Obwohl parallel medial wirksamere Keimzellen rechter Bürgerinitiativen scheinbar mehr Beachtung erhalten, kann man behaupten, dass es sich um eine der größten zivilgesellschaftlichen Bewegungen in der Bundesrepublik der letzten Dekaden handelt.

Ehrenamt im Bereich Flucht und Migration

Die Freiwilligen übernehmen auch heute noch Aufgaben der staatlichen Fürsorge, die bisweilen überfordert scheint oder zumindest schien. Damit ergänzen und ersetzen sie die Aufgaben professioneller Anbieter Sozialer Arbeit, übernahmen zu Beginn und übernehmen weiterhin eine wichtige Funktion in der Zivilgesellschaft.

Auch heute sind Ehrenamtliche trotz politischer, juristischer und personeller Nachjustierungen ein tragendes Glied im Setting Flucht und Migration. Sie sind dabei sekundäre Zielgruppe Sozialer Arbeit: Während Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Regel vertraglich gebunden nach bestimmten Richtlinien und Vorgaben, zu bestimmten Tageszeiten für eine definierte Zielgruppe und für einen Dienstleister arbeiten, übernehmen Ehrenamtliche eine gänzlich andere Position, die möglicherweise auf den ersten Blick nicht als diese erkannt wird (Han-Broich 2012; Hamann und Karakayali 2016; Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend 2017).

Angriffe auf Flüchtlingshelfer

Ehrenamtlich Aktive entscheiden meist selbst, wann, wie, für wen und in welchem Umfang sie sich engagieren. Das bedeutet, solange sie Freude haben, engagieren sie sich. Sollten sie jedoch keinen Sinn mehr in ihrem Engagement sehen und den Eindruck haben, dass sie den politischen und gesellschaftlichen Rückhalt verlieren oder gar Angst um sich selbst oder ihre Angehörigen haben, so wirkt sich das negativ auf die Personenzahl und die Qualität dieser Hilfen aus.

Flüchtlingshelfer*innen werden angegriffen, verantwortlich gemacht, ausgeschlossen oder werden sogar kriminalisiert. Aber auch die erhofften Erfolge der Bemühungen bleiben aus, werden durch Abschiebungen oder Arbeitsverbote zu Nichte gemacht (siehe hierzu exemplarisch: Kastner 2018; Sprockhoff 2018; Staib 2019). Wer nach solchen Erfahrungen noch weiter macht, beweist Mut und Idealismus. Aber auf jeden Fall eine hohe Frustrationstoleranz.

Arbeit für Geld

Die oben beschriebenen Freiheiten haben hauptamtliche Sozialarbeiter*innen nicht. Sie unterscheiden sich maßgeblich dadurch vom Ehrenamt, dass sie einen Job machen. Sie arbeiten für Geld, haben studiert und kennen die Bezugsdisziplinen Sozialer Arbeit: Straf-, Ausländer-, Asyl- und Sozialrecht, Psychologie und Medizin und angewandte Methoden der Sozialen Arbeit.

Dadurch sind sie neben der individuell-persönlichen Qualität und Motivation der Einzelnen vor allem als notwendige Akteure im Geflecht der verschiedenen Interessensvertreter im Bereich Fluchtmigration zu sehen. Im besten Fall sind sie respektierte Kooperationspartnerinnen von Ausländerbehörde, Sozialamt oder Polizei. Im ungünstigeren Fall streiten sie mit dem Bundesamt, mit den Behörden oder mit dem Jobcenter. Alles zum Wohle der Klienteninnen.

Engagement im interdisziplinären Netzwerk

Die fachliche Ausbildung bietet (im Idealfall) in Verbindung mit dem interdisziplinären Netzwerk eine harmonische Ergänzung zum privaten Engagement. Diese kommt spätestens bei juristischen Finessen oder Kommunikationsproblemen, bei familiären Tragödien oder bei der Bearbeitung von unangenehmen Fällen und Nachrichten zur Geltung: Nämlich genau dann, wenn ein negativer Asylbescheid eintrifft, ein Haftbefehl zugestellt wird, die Abschiebung ansteht, ein Suizidversuch unternommen oder die Unterkunft angezündet wird.

Wer ehrenamtlich mit Geflohenen arbeitet, trifft wahrscheinlich überall auf Sozialarbeiterinnen. In der Praxis sind sie als Beraterinnen in psychosozialen Zentren, in der Kinder- und Jugendhilfe, in zentralen und dezentralen Unterkünften, als Koordinatoren von Freiwilligen und in der Asylsozialberatung mit unterschiedlichen Zielgruppen tätig (Merk 2016; Schirilla 2016; Rehklau 2017; Kolbe und Surzykiewicz 2019).

Konfliktpotenziale reduzieren

Die strukturellen Voraussetzungen und die Praxiserfahrung beschreiben bei beiden Gruppen unterschiedliche Konfliktpotentiale. Dabei gilt: Je weniger deutlich kommuniziert wird, je weniger jedem klar ist, was er oder sie kann, darf und will, desto mehr Komplikationen, desto mehr Frustrationen entstehen.

EMPFEHLUNGEN FÜR DIE ZUSAMMENARBEIT

Mit folgenden Empfehlungen kann in der Zusammenarbeit viel erreicht und einiges vermieden werden:

Mehr Akzeptanz durch Transparenz

Innere Stärke mobilisieren

Abschließend gebührt ihnen Dank und es ist beschämend, wenn dieser nicht bei ihnen ankommt. Machen sie weiter! Bitte.

Literaturverzeichnis zum Beitrag

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