In Syrien überschlagen sich gerade die Ereignisse. Während die Menschen in der Küstenregion trauern und verunsichert sind – insbesondere nach den jüngsten Massakern an der Zivilgesellschaft –, erreichte uns eine Nachricht, die neue Hoffnung weckt: Der syrische Übergangspräsident Ahmad al-Scharaʿ hat sich am Montag, dem 10. März, mit Mazloum Abdi, dem Kommandeur der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF), getroffen. Bei diesem Treffen einigten sich beide Seiten auf ein Abkommen, das die Eingliederung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates vorsieht.
Ein Abkommen über Rechte und Teilhabe
In ihren Gesprächen vereinbarten al-Scharaʿ und Abdi, die Rechte aller Syrer*innen auf Repräsentation und Teilhabe an politischen Prozessen sowie in sämtlichen staatlichen Institutionen zu gewährleisten – und zwar ausschließlich auf Basis ihrer fachlichen Kompetenz, unabhängig von religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit.
Die Vereinbarungen betonen außerdem, dass die kurdische Gemeinschaft ein fester Bestandteil des syrischen Staates ist und ihr das Recht auf Staatsbürgerschaft sowie ihre verfassungsmäßigen Rechte garantiert werden.
Waffenstillstand und Wiedereingliederung
Darüber hinaus verständigten sich die beiden Seiten auf einen umfassenden Waffenstillstand im gesamten syrischen Staatsgebiet. Zivile und militärische Institutionen in Nordostsyrien, einschließlich der Grenzübergänge und der Öl- und Gasfelder, sollen in die Verwaltung des syrischen Staates übergehen.
Al-Scharaʿ und Abdi einigten sich zudem auf die Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Heimatorte, wobei der syrische Staat für deren Schutz sorgen soll. Des Weiteren erklärte sich die SDF bereit, bei der Bekämpfung aller Überbleibsel des alten Assad-Regimes und aller Bedrohungen, die Syriens Sicherheit und Einheit gefährden, mitzuwirken.
Dem Wortlaut des acht Punkte umfassenden Abkommens nach, das von der „Präsidentschaft der Republik Syrien“ über ihre Kanäle veröffentlicht wurde, lehnen beide Seiten jegliche Aufrufe zur Spaltung, Hassreden und Versuche der Zwietracht zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen ab. Zur Umsetzung der Beschlüsse sollen gemeinsame Komitees gebildet werden, die ihre Arbeit bis spätestens Ende dieses Jahres abschließen sollen.
Vorangegangene Ankündigungen
Dieser Schritt erfolgt zwei Tage nachdem Mazloum Abdi erklärt hatte, dass zwischen der neuen syrischen Führung in Damaskus und der SDF Einigkeit darüber bestehe, militärische Lösungen für alle offenen Fragen auszuschließen. Er kündigte an, dass ein Gremium aus Vertretenden der Region in ihrer ganzen Vielfalt gebildet werde, um mit Damaskus über die Zukunft Nordostsyriens und des syrischen Staates zu verhandeln. Seiner Ansicht nach könne die syrische Krise nur durch einen innersyrischen Dialog gelöst werden.
Abdis Erklärung erfolgte am 7. März während eines Treffens der SDF in der Stadt Raqqa, an dem auch Vertreter der internationalen Koalition sowie mehrere Scheichs und Honoratioren aus Tabqa und Raqqa teilnahmen. Zugleich dementierte Abdi Berichte, dass sich in den von den SDF kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens noch „Reste des früheren Regimes“ befänden.
Reaktionen und Hintergründe
Diese Nachricht löste im ganzen Land große Freude aus. Viele Syrer*innen hoffen nun auf einen Wendepunkt und eine echte Wiedervereinigung Syriens unter einer grünen Flagge, die aus der Zeit vor der Machtergreifung der Baath-Partei stammt.
Zuvor hatte es nach einem mutmaßlichen Massaker in der Küstenregion, wo vor allem Alawit*innen beheimatet sind, Befürchtungen gegeben, Syrien könne weiter in Teilgebiete zerfallen. Doch das neue Abkommen mit den kurdischen Kräften lässt darauf schließen, dass sich die verschiedenen Landesteile allmählich wieder annähern, um den lange andauernden Krieg und das damit verbundene Leid zu überwinden und schließlich mit dem Wiederaufbau beginnen zu können.
Die „Wall Street Journal“ berichtete unter Berufung auf US-amerikanische Beamte, dass Militärvertreter der USA zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften und anderen, von den Amerikanern als „Rebellen“ bezeichneten Gruppen, vermittelt hätten. Medienberichten zufolge spielte auch Saudi-Arabien eine wichtige Rolle bei diesem Abkommen, insbesondere aufgrund seiner Unterstützung arabischer Kämpfer innerhalb der SDF.
Für Ahmad al-Scharaʿ ist dieses Abkommen ein großer politischer Erfolg: Er kann nun zeigen, dass er imstande ist, Syrien zu einen. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit die Details tatsächlich umgesetzt werden. Sowohl die SDF als auch die neue Regierung müssen beweisen, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen.
Reaktionen der Nachbarländer
Die Türkei, so heißt es, stehe dem Abkommen vorsichtig aufgeschlossen gegenüber. Sie möchte jedoch vor allem Klarheit über die Mechanismen der Umsetzung und über das Schicksal der ausländischen Kämpfer in den Reihen der SDF gewinnen, vor allem jene, die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zugeordnet werden.
Washington begrüßt die Einigung, da es bereits zuvor bekundet hatte, seine Militärbasen aus Syrien abziehen zu wollen, und die SDF zu einer Übereinkunft mit dem „neuen syrischen Staat“ gedrängt haben soll. Israel hingegen ist Berichten zufolge verärgert, weil das Abkommen seinen Bemühungen, Syrien zu spalten und zu schwächen, im Weg stehen könnte.
Abkommen für as-Suwaida
Unterdessen berichtete Al Jazeera, dass die syrische Regierung ein Abkommen mit Einwohner*innen und Würdenträgern der Provinz as-Suwaida geschlossen hat, um die Region vollständig in die staatlichen Institutionen einzugliedern. Insbesondere sollen die Sicherheitsbehörden in as-Suwaida künftig dem syrischen Innenministerium unterstellt werden. Beobachtern zufolge ist dies ein weiterer Schritt der Zentralregierung in Damaskus, die Kontrolle über alle Landesteile zurückzugewinnen.
Viele Syrer*innen hoffen nun, dass sich diese Fortschritte nicht nur auf die kurdisch geprägten Gebiete im Nordosten und die Provinz as-Suwaida beschränken, sondern dass alle von Konflikten betroffenen Regionen in Syrien zu einer stabilen Einheit zusammengeführt werden.
Obwohl in einigen Landesteilen noch immer viel Misstrauen herrscht, macht das jüngste Abkommen zwischen al-Scharaʿ und der SDF deutlich, dass ein gemeinsames Vorgehen und der Verzicht auf Gewalt neue Perspektiven für den Wiederaufbau und die Aussöhnung bieten. Gerade die Menschen in der Küstenregion, deren Leid nach den jüngsten Ereignissen noch tief sitzt, hoffen nun auf eine Zeit des Friedens und den Beginn eines Neuanfangs für ganz Syrien.
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Israelische Angriffe auf mutmaßliche Überwachungsausrüstung im Süden Syriens
Die israelische Armee gab am heutigen Dienstag bekannt, dass sie „nachrichtendienstliche Überwachungseinrichtungen“ und militärische Ausrüstung im Süden Syriens angegriffen habe.
Der Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, erklärte, dass die Luftangriffe in der vergangenen Nacht auf Radare und Überwachungsgeräte abzielten, die „zur Erstellung eines Luftaufklärungsbildes“ genutzt werden. Zusätzlich seien auch Kommandozentralen und Militärstandorte mit Kampfausrüstung und Militärfahrzeugen im Süden Syriens angegriffen worden.
Er fügte hinzu, dass das Vorhandensein dieser Ausrüstung im Süden Syriens eine Bedrohung für Israel und die Aktivitäten seines Militärs darstelle. Mit der Zerstörung dieser Ziele solle möglichen „künftigen Bedrohungen“ vorgebeugt werden.
Lokalen Medien zufolge trafen israelische Luftangriffe die 90. Brigade im ländlichen Gebiet von Quneitra, die Brigaden 175 und 12 in der Stadt Izraʿ sowie das 89. Regiment in der Gegend von Jebab im nördlichen Umland von Daraa. Berichte über Tote oder Verletzte liegen nicht vor.
Weitere Quellen gaben an, dass auch die 1., 7. und 10. Division in den westlichen und südlichen Vororten von Damaskus bombardiert worden seien.
Gleichzeitig drang eine Einheit der israelischen Besatzungstruppen in das Dorf Maʿariyah im Yarmouk-Becken im westlichen Teil des ländlichen Gebiets von Daraa ein.
SNHR dokumentiert 779 Tötungen seit dem 6. März in Syriens KüstenregionenDas Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) gibt bekannt, dass es seit dem 6. März den Tod von 779 Personen in den Küstengebieten Syriens dokumentiert hat. Ehemalige Regimetruppen haben mindestens 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilist*innen. Die Fraktionen, die sich der Generaldirektion für Sicherheit angeschlossen haben, töteten den Großteil der zivilen Opfer und entwaffnete Angehörige aus Assads Resttruppen. Die Streitkräfte, denen militärische Fraktionen sowie syrische und ausländische Milizionäre angehörten, haben mindestens 396 Menschen getötet.
Syrische Zentralbank: Rückgang der jährlichen Inflationsrate auf 46,7 %
Die syrische Zentralbank gab bekannt, dass die jährliche Inflationsrate für den Zeitraum von Februar 2024 bis Januar 2025 deutlich gesunken ist und nun bei 46,7 % liegt, verglichen mit 119,7 % im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Aus dem Bericht geht hervor, dass die Preise aufgrund des anhaltenden Inflationsdrucks weiter gestiegen sind, jedoch nicht das Niveau des Vorjahres erreichten. Auch die jährliche Inflationsrate für Januar 2025 verzeichnete mit rund 6,4 % einen erheblichen Rückgang im Vergleich zu 118,9 % im Januar 2024.
Weiterhin wird in dem Bericht darauf hingewiesen, dass dieser Rückgang auf eine Verbesserung des Wechselkurses und ein gestiegenes Angebot am Markt zurückzuführen ist, nachdem das System zusammengebrochen war.