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2 Min. Lesezeit Kolumne

Wie man Deutsche im Ausland immer erkennt

Wie viel nimmt man aus der Heimat in den Urlaub mit? In dieser Folge von „Salam und Privet“ schreibt Lina über „typisch deutsches“ Verhalten im Urlaub und warum es sich manchmal lohnt, die Dinge anders zu betrachten.

Wie man Deutsche im Ausland immer erkennt

Die Uhr zeigte 9 Uhr vormittags, als ein paar Freundinnen und ich am Frühstückstisch eines Hotelrestaurants in Budapest saßen. Weil der Tisch für die Personenzahl etwas klein war, diskutierten wir kurz darüber, ob es wohl möglich wäre, vom leerstehenden Nebentisch einen Stuhl zu unserem Tisch zu schieben. Bevor wir selbst eine Entscheidung treffen konnten, wurde unsere Diskussion freundlicherweise von einer ebenfalls deutschsprachigen Dame beendet, die uns in typisch deutscher Manier darauf hinwies, dass sie den Tisch bereits für sich selbst besetzen würde.

Ich rollte nur mit den Augen und wandte mich wieder meinen Freundinnen und meinem Frühstück zu; es dauerte jedoch nicht allzu lange, bis unsere Landsmännin von anderen Touristinnen geplagt wurde, welche vom augenscheinlich immer noch leerstehenden Tisch immer wieder Stühle entwendeten. Meine Augen wanderten sofort zur Dame, welche sichtlich entrüstet vor sich hinmurmelte, dass sie die Stühle gleich mit Taschen und Tüchern besetzen werde. „Hoffentlich hat das keiner gehört“, dachte ich mir, bevor ich mich wieder wegdrehte und mich zeitgleich ein bisschen für meine Mitbürgerinnen und ihre Repräsentation vermeintlich deutscher Tugenden im Ausland schämte.

Typisch deutsch sein im Ausland geht aber auch anders, wie ich immer wieder an mir selbst merke. So erinnere ich mich beispielsweise noch gut daran, wie ich während eines Urlaubs im Irak mit meiner vor Ort lebenden Familie und den jüngeren Kindern einen Freizeitpark besuchte. Dort angekommen gab es allerlei aufregende Spielereien und Attraktionen, die man so auch aus Deutschland kennt – allerdings mit einem nicht zu vernachlässigenden Unterschied; es gibt keinen TÜV.

Und auch wenn ich keine knatschenden Scharniere gehört oder fehlende Schrauben gesehen habe, waren mir die Konstrukte nicht ganz geheuer. Den TÜV hat neben mir auch mein gebürtig aus dem Irak stammender Vater schätzen und lieben gelernt, der ebenfalls auf nichts mehr steigt, das nicht fachmännisch überprüft wurde – auch nicht in seiner Heimat.

Selbst hier in Ungarn lässt mich meine deutsche Moralität nicht los, sodass ich mir bei jedem rostigen Auto die Frage stelle, ob es hier wohl so etwas wie eine Hauptuntersuchung für Kraftfahrzeuge gibt; Plaketten an den Kennzeichen habe ich jedenfalls noch keine gesehen. Und auch beim Erkunden von den verwobenen Gassen Budapests sind mir so manche Gebäude aufgefallen, die nicht den Eindruck machen, als würden sie den deutschen Anforderungen an Brandschutz genügen können. Da sie immer noch an Ort und Stelle stehen, ist jedoch davon auszugehen, dass es anscheinend auch ganz gut ohne derartige Vorschriften und Regulationen geht.

Diese ungarische Leichtigkeit hätte bestimmt auch der deutschen Dame am Frühstücksbuffet gutgetan. Jedoch muss ich ihr hoch anrechnen, dass sie es geschafft hat, einen circa zwei Quadratmeter großen Fleck mitten in Budapest zu deutschem Hoheitsgebiet zu erklären. Ob diese Beanspruchung von territorialem Eigentum einer juristischen Prüfung standgehalten hätte, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Es ist schon faszinierend, wie sehr unsere kulturellen Prägungen und Gewohnheiten uns begleiten, selbst wenn wir Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt sind. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass es wichtig ist, sich auch auf die Kulturen und Sitten anderer Länder einzulassen und diese zu respektieren. Vielleicht entdeckt man dabei sogar neue Seiten an sich selbst – wie zum Beispiel die Freude daran, sich auch ohne TÜV-Prüfsiegel in ein ausländisches Fahrgeschäft zu begeben. Dabei darf man den strengen deutschen Blick jedoch gerne daheim lassen; so merkt man auch nichts, falls es doch relevante Mängel geben sollte.

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