Hier möchte ich nicht darüber sprechen, wie deutsche Politikerinnen dieses Thema als Wahlkampfkampagne nutzen und wie Arbeitgeberinnen davor warnen, was passiert, wenn alle Syrer*innen Deutschland verlassen. Auch nicht darüber, was das für das Mediensystem oder für das Verkehrssystem bedeuten würde. Wenn dich das interessiert, dann lies doch mal in Folge 11 von unserem Newsletter “syrien update” hinein. Da habe ich mich mit diesen Fragen beschäftigt.
Ich weiß, dass sich viele Syrerinnen jetzt intensiv Gedanken machen. Denn nach den großen Hoffnungen, auf die wir nicht vorbereitet waren, stehen wir plötzlich vor einer historischen Situation. Alle denken, wir sollten nach Syrien zurückgehen, weil dieser historische Moment so einmalig erscheint. Aber wir wollen nicht unüberlegt handeln. Besonders ich, da ich viele amerikanische und deutsche Journalistinnen kenne, die schon seit fünf Tagen nach Syrien gereist sind.
Ich frage mich, was ich hier mache. Ich möchte gerne meine Familie sehen, aber ich möchte auch über diese historische Zeit berichten. Ich müsste also, ohne lange nachzudenken, nach Syrien zurück. Aber wie soll ich das machen, wo ich hier in Deutschland ein neues Leben und ein Netzwerk aufgebaut habe? Soll ich alles hinter mir lassen und in Syrien noch einmal ganz von vorne anfangen? Ich habe einfach nicht mehr die Kraft, ein neues Leben aufzubauen.
In letzter Zeit habe ich viel mit Bekannten, Freundinnen und Verwandten darüber gesprochen, ob sie nach Syrien zurückkehren möchten. Aufgrund dieser emotionalen Situation denken wir alle nicht klar. Wir glauben, dass das Syrien, das wir ab 2011 verlassen haben, noch dasselbe ist wie heute. Aber das ist nicht realistisch. Nicht nur Syrien hat sich verändert, sondern auch wir, die in den letzten Jahren im Exil gelebt haben. Wir haben neue Kulturen und neue Menschen kennengelernt. Die Frage ist, ob das neue Syrien, die neuen Syrerinnen dort und wir, die wir uns ebenfalls verändert haben, noch zusammenpassen. Das werden wir nur herausfinden, wenn wir zuerst unsere Familien besuchen und sehen, was dieser Besuch mit uns macht.
Eine große Frage für viele Syrer*innen, die hier in Deutschland ein kontinuierliches Leben aufgebaut haben, ist auch, ob sie diese Lebenssituation wieder aufgeben können und möchten. Was ist mit unseren Kindern? Lassen wir sie hier, um ihnen ein gutes Bildungssystem zu ermöglichen, und kehren wir alleine nach Syrien zurück? Können wir überhaupt ohne unsere Kinder zurückgehen?
Ich versuche hier, für uns Syrer*innen zu schreiben, obwohl jede Person ihre eigene Geschichte und Situation hat. Das hängt auch davon ab, wie zufrieden eine Person mit ihrem neuen Leben ist, wie viele Verwandte noch in Syrien leben oder bereits weltweit verstreut sind. Aus welcher Stadt kommen wir in Syrien, wie ist dort die Lage? Es gibt tausend weitere Fragen.
Deswegen ist es sehr schwierig zu beantworten, ob wir nach Syrien zurückgehen werden oder nicht. Bitte stelle diese Frage nicht mehr an deine syrischen Freund*innen oder Bekannten, denn ehrlich gesagt: Niemand weiß es. Und diese Frage führt nur zu noch mehr Zweifeln. Wenn du mehr über Syrien lesen willst, dann abonniere doch unseren Newsletter “syrien update”. Das kannst du hier tun.