Es gibt bestimmte Filmszenen, die man niemals vergisst. Für mich ist das zum Beispiel ein Moment, nein, sogar die komplette letzte halbe Stunde des dänischen Horror-Thrillers „Speak No Evil“ von Christian Tafdrup aus dem Jahr 2022. Es passieren mehrere schreckliche Sachen nacheinander, auf die das Drehbuch konsequent und ominös hin aufgebaut hat, die sich für immer in mein Gehirn eingebrannt haben. Der Film hat es wirklich in sich.
Als ich den Trailer für ein amerikanisches Remake gesehen hatte, war ich erstmal skeptisch. Ich habe das Grundgerüst auch hier erkannt: Eine dreiköpfige Familie trifft eine weitere dreiköpfige Familie im Urlaub in Italien und wird zu ihrem Landhaus eingeladen. Die Einladung wird angenommen und es passieren einige unheimliche Sachen, bis die Situation komplett eskaliert.
Im Original war es eine holländische Familie, die eine dänische Familie zu sich einlud; im Remake ist es eine englische Familie, die ein amerikanisches Paar und ihre Tochter zu sich bittet. Ich habe im Trailer dieselben Motive und Takte aus der dänischen Vorlage erkannt, aber ich war mir sicher, dass das Ende anders werden würde.
Und so kam es dann auch, als ich mir den Film letzte Woche anschaute. Bei der diesjährigen Version von „Speak No Evil“ hat sich der komplette dritte Akt geändert. Diesmal hat man sich gegen psychologische Horrorelemente und stattdessen für eine klassische, blutige Katz- und Maus-Jagd zwischen den Paaren entschieden.
Der Film ist sehenswert, allein für James McAvoy und seine Performance. Als zwielichtiger Gastgeber läuft er hier in Höchstform auf. Doch einmal mehr frage ich mich, warum man überhaupt etwas für den amerikanischen bzw. englischsprachigen Markt produzieren muss, wenn es bereits ein solides Original, diesmal aus Dänemark, gibt. Zu allem Überfluss ist „Speak No Evil“ aus 2022 auch noch weitestgehend ein englischer Film (weil sich das dänische und holländische Paar nur so verstehen können) und man braucht gar keine Untertitel.
Letztere sind meistens der Grund, warum es so viele weichgespülte Remakes gibt; denn Amerikaner*innen weigern sich konsequent, Filme im Originalton mit Untertitel zu schauen und bevorzugen eher neu-gedrehte Versionen. Aber das muss nicht sein, wie schon „Parasite“-Regisseur Bong Joon Ho bei einer Preisverleihung in 2020 anmerkte: „Sobald man die Hürde von ein paar Zentimetern überwindet und Untertitel liest, lernt man so viele weitere tolle Filme kennen.“
Wie geht es dir dabei? Schaust du dir Filme gerne im Original an oder freust du dich eher auf amerikanische Remakes? Und wirst du dir „Speak no Evil“ mit James McAvoy im Kino ansehen? Ich bin gespannt auf deine Meinung und was du zum Ende des Films sagst.
SPEAK NO EVIL läuft ab jetzt im Kino.
Content mit Kindern

Vor ein paar Tagen landete ein Video auf meiner „For You“-Page, also meinem TikTok-Feed, in dem eine Creatorin namens „Annemarie“ über Videos von Kindern im Internet gesprochen hat. Es waren viele Punkte dabei, über die ich mir auch regelmäßig Gedanken mache. Wenn zum Beispiel Influencer*innen ihre Kinder dafür nutzen, um mit vermeintlich harmlosen Videos Reichweite für ihre Accounts zu generieren, ist das dann noch moralisch vertretbar? Das merkt man solchen Eltern und ihren Videos übrigens auch sofort an; umso mehr, wenn es sich um Babys handelt, die erst recht nicht mitreden können bei der Vermarktung ihrer Bilder.
Die Creatorin, und das ist eigentlich viel wichtiger bei dieser Debatte, hat auch die Schattenseiten der Verbreitung dieser Inhalte angesprochen.
Denn Videos von Kindern können ganz einfach missbraucht werden. Sie hat einen bestimmten Account eines männlichen Users eingeblendet, der nur mit Kindervideos auf TikTok interagiert und diese permanent mit Herzchen kommentiert. Auf den ersten Blick scheint das alles harmlos zu sein, denn man kennt das ja vielleicht auch von sich selbst, man sieht ein Foto oder Video, was man süß oder lustig findet und man teilt es gleich mit Freund*innen oder schickt es in die Familien-WhatsApp-Gruppe, weil man den Inhalt gut findet oder an die eigene Nichte oder den Neffen erinnert wird.
Dass es aber Menschen gibt, die fragwürdige Absichten verfolgen, wenn es um entsprechende Inhalte geht, für solche Gefahren sollte man als Elternteil sensibilisiert sein und seine Kinder schützen.
Vielleicht findest du dieses Beispiel von TikTok etwas abstrakt oder auch extrem für den nächsten Film, den ich heute besprechen möchte. Aber hear (or read) me out: Es geht um „Favoriten“ von der in Wien geborenen Filmschaffenden Ruth Beckermann. In „Favoriten“ begleitet Beckermann drei Jahre lang Ilkay Idiskut, eine junge Wiener Lehrerin mit türkischen Wurzeln und ihre Volksschulklasse voller Kinder, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben und zu Hause mit ihren Eltern nicht unbedingt Deutsch sprechen.
Beckermann selbst über das Projekt: „25 Kinder und ihre engagierte Lehrerin. Wir wollten herausfinden, wer sie sind, wir wollten ihre Fähigkeiten und Strategien, ihre Freuden, Ängste und Nöte kennenlernen.“
Dass es hier einen Film aus dem Nachbarland gibt, der zu einer Zeit erscheint, in der es gefühlt nur noch um Begriffe wie „Migrationsstopp“ in den Medien geht, der subtil aufzeigt, um wen es eigentlich geht bei dieser Debatte, nämlich auch um geflüchtete Kinder, und dass sie von einer Lehrerin unterrichtet werden, die selbst nicht aus einer österreichischen Familie stammt, das ist alles schon mal sehr bewunderns- und lobenswert für einen Dokumentarfilm.
Aber nicht nur deshalb ist „Favoriten“ ein sehenswerter Film. Man bekommt einen wertvollen Einblick in das Bildungssystem Österreichs. Es geht um Migration, um Kulturen, die aufeinanderprallen, um Streitereien zwischen Jungs und Mädchen, um fehlendes Personal und wie die Lehrkräfte sich im Stich gelassen fühlen und trotzdem ihr Bestes für die Kinder geben.
Nur hat mich der Film an einigen Stellen auch komplett verloren. Ich musste immer wieder an Ethik und Moral und auch an die Verantwortung denken, die Regisseurinnen am Set tragen müssen. Wie etwa in Momenten, wo die Kamera zu lange auf weinende Gesichter von Kindern gerichtet ist. Da kommt man wieder zur vorgenannten Frage: Sollten Filmemacherinnen diese Macht haben, ein Kind in so einer vulnerablen Situation zu filmen, wenn es gerade erfährt, dass es durchgefallen ist? Oder wenn eine Schülerin eine einfache Matheaufgabe nicht versteht und es ihr offensichtlich vor laufender Kamera unangenehm ist? Auch hier habe ich mir die Frage gestellt, warum man das Kind so bloßstellt. Das hätte man filmisch viel besser lösen können.
In „Favoriten“ findet alles im Einverständnis der Kinder und der Eltern statt. Ich habe diese Brücke aber trotzdem zu den Influencer*innen auf TikTok geschlagen, die für Likes und Klicks alles tun würden, weil ich es schon sehr interessant finde, wie wir Content mit Kindern wahrnehmen und wann es okay ist, wann es gefährlich wird und wann wir aktiv sagen müssen, dass uns etwas Bestimmtes stört. Das ist übrigens nicht nur bei Kindern so, sondern allgemein eine Frage an Dokumentarfilmen und wie diese die Subjekte porträtiert.
Eine Userin hat beim TikTok-Video kommentiert, ob man dann gar keine Filme mehr schauen sollte, in denen Kinder zu sehen sind. Und natürlich werden hier Äpfel mit Birnen verglichen, denn einen inszenierten Film oder aber auch eine geschützte Dokumentarfilm-Situation wie die in „Favoriten“ kann man nicht mit Alltagsszenen vergleichen, wo Eltern ihre Kinder oft in intimen, privaten Momenten im Internet präsentieren. Ich denke, wir müssen allgemein etwas bewusster werden, wie wir mit Content umgehen und welchen Inhalt wir oder auch unsere Kinder konsumieren. Und auch darüber nachdenken, dass Kinder selbst oft hilflos sind und keine Entscheidungsmacht haben.
FAVORITEN läuft ab jetzt im Kino.
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