Heute möchte ich dir einen Überblick geben, wie die internationale Gemeinschaft auf Syrien blickt — und welche Rolle dabei insbesondere Israel und die USA spielen.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu setzt alles daran, Trump und sein Team im Weißen Haus von den strategischen Interessen Tel Avivs zu überzeugen. Die israelische Regierung bemühte sich in Washington um Unterstützung für das Fortbestehen der russischen Präsenz zur „Ausbalancierung des türkischen Einflusses“ in Syrien.
Denn Netanjahu sieht Syrien als eine seiner zentralen Prioritäten – vor allem in Bezug auf die nationale Sicherheit und die Eindämmung des Iran. Unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes zerstörte die israelische Armee sämtliche strategischen militärischen Anlagen Syriens. Zudem besetzte Israel den Pufferbereich in den Golanhöhen gemäß dem Disengagement-Abkommen von 1974, erlangte die Kontrolle über den Gipfel des Scheich-Berges sowie die regionalen Wasserquellen und führte wiederholt Luftangriffe im Süden und in der Mitte des Landes durch, um den Aufbau strategischer Verteidigungsanlagen zu unterbinden.
Parallel dazu verfolgt Israel eine feindselige Politik gegenüber der neuen syrischen Regierung. Netanjahu plädiert für die Errichtung eines föderalistischen oder zumindest weitgehend dezentralisierten Systems in Syrien. Das Konzept sieht vor, Syrien in drei Zonen zu gliedern: einen südlichen Bezirk, der unter anderem as‑Suwayda und Daraa umfasst, einen östlichen Bezirk mit den Syrischen Demokratischen Kräften und einen westlichen Bezirk, der ein höher gelegenes Gebiet einschließt. Dadurch solle das größte arabisch-sunnitische Gebiet von seinen Nachbarn und von den warmen Gewässerzonen isoliert bleiben, wie majalla.com berichten.
Netanjahu dränge energisch darauf, Trump und sein Team von seinem Konzept zu überzeugen – ein Ansatz, der bei vielen arabischen Ländern und der Türkei Besorgnis erregt, indirekt den Iran involviert, von Russland beobachtet wird und in Europa vor allem bei britisch geprägten Kreisen auf Interesse stößt.
Die Trump-Administration arbeitet währenddessen weiterhin an der Konkretisierung ihrer Syrien-Politik. Doch es gibt bereits Forderungen: Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, erklärte, dass die USA letztlich ein Syrien sehen möchten, das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt, die Menschenrechte achtet und Terroristen daran hindert, das Land als sicheren Zufluchtsort zu nutzen. Washington fordert die Bildung einer umfassenden zivilen Regierung, die in der Lage ist, effektive, reaktionsschnelle und repräsentative nationale Institutionen aufzubauen. Die Einbindung lokaler Gemeinschaften und eine breite gesellschaftliche Unterstützung seien entscheidend, um Stabilität in Syrien und der gesamten Region zu gewährleisten.
Gleichzeitig beobachtet die US-Regierung die Handlungen der syrischen Behörden. Die Entwicklungen hinsichtlich der Verfassungsproklamation und die damit verbundenen Bedenken bezüglich einer Machtfestigung durch Präsident Ahmad asch-Scharaa stehen dabei im Fokus.
Auch israelische Medien berichten intensiv über sicherheitspolitische Entwicklungen: So soll Netanjahu in jüngsten Sicherheitsberatungen den wachsenden Befürchtungen in Tel Aviv hinsichtlich einer direkten Konfrontation zwischen der Türkei und Israel in Syrien Raum gegeben haben. Laut der Nachrichtenseite „Walla“ versucht Netanjahu, eine solche Konfrontation als unausweichlich darzustellen.
Gleichzeitig haben israelische Sicherheitsbehörden bereits in der vergangenen Woche mehrere Gespräche geführt, in denen unter anderem hervorgehoben wurde, dass das „neue syrische Regime“ bemüht sei, Militärstützpunkte sowie Raketen- und Verteidigungsanlagen im Süden wieder aufzubauen – in unmittelbarer Nähe zu Israel.
Ferner sollen syrisch-türkische Kontakte im Gange sein, um Gebiete in der Nähe von Palmyra an die türkische Armee zu übergeben – im Austausch gegen wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Damaskus. Diese Entwicklungen haben in Israel zu großer Besorgnis geführt, da mögliche türkische Schritte in Palmyra erhebliche regionale Auswirkungen haben könnten. In diesem Zusammenhang berichtete der israelische Sender „Kanal 12“, dass Netanjahu über seine Berater darauf drängt, in den Medien zu betonen, dass eine Konfrontation mit der Türkei auf syrischem Boden „eine ausgemachte Sache“ sei.
Auch die Stimmen aus Washington mischen sich in die Debatte ein. Der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Steven Weitkoff, äußerte in einem Interview mit dem amerikanischen Kommentator Tucker Carlson, der wiederholt durch verschwörungsideologische und rechte Positionen aufgefallen ist, dass es eine „reale Möglichkeit“ gebe, dass sowohl der Libanon als auch Syrien – und sogar Saudi-Arabien – eine Normalisierung mit Israel anstreben könnten. Weitkoff betonte, dass Veränderungen im Charakter der regionalen Führungen zu beobachten seien und dass ein solcher Prozess einen bedeutenden Wandel in den Beziehungen zu Israel herbeiführen könne.
Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert unterstützt diesen Kurs und hat Tel Aviv dazu aufgerufen, aktiv den Dialog mit der neuen syrischen Regierung zu suchen und deren Legitimität anzuerkennen. In einem Interview mit „Al-Monitor“ forderte Olmert, dass Israel kurzfristig Ruhe und Sicherheitsabkommen anstreben und langfristig einen Friedensvertrag mit Damaskus schließen sollte. Er betonte, dass eine solche Herangehensweise auch den Weg zu Friedensgesprächen zwischen Israel und dem Libanon ebnen könnte.
Olmert rief zudem die internationale Gemeinschaft dazu auf, Präsident asch-Scharaa zu unterstützen, damit er seine Regierung festigen könne. Er räumte jedoch ein, dass die Frage der besetzten Golanhöhen schwieriger zu lösen sei als die umstrittenen Gebiete mit dem Libanon, aber dennoch grundsätzlich möglich.
Kritisch äußert sich auch Professor Amatzia Baram, ein führender Analyst der hebräischen Zeitung „Maariv“. Baram warf der israelischen Führung vor, eine historische Chance im Umgang mit dem „neuen Syrien“ zu verpassen und beschrieb ihre Politik als „verschlossen“. Er führte an, dass Israel seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und angesichts der Vergangenheit des syrischen Präsidenten asch-Scharaa von Zweifeln und Angst geprägt sei.
Baram fordert mehr Offenheit und betonte, dass asch-Scharaa im Gegensatz zu den Führungen von Hamas und Hisbollah die Einhaltung der Waffenstillstandsabkommen bekräftige und nicht mit der Auslöschung Israels drohe. Zudem verwies er auf das gemeinsame Interesse beider Seiten, den Süden Syriens von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu befreien. Er forderte, provokative Äußerungen und Handlungen gegenüber Syrien zu unterlassen.
Die vielfältigen Entwicklungen und die unterschiedlichen Stimmen aus Israel, den USA und der internationalen Gemeinschaft zeigen, wie komplex und vielschichtig die Dynamik im Nahen Osten ist. Zwischen politischen Ränkespielen, militärischen Aktionen und diplomatischen Bemühungen wird deutlich, dass die Zukunft der Region von zahlreichen, miteinander verflochtenen Interessen geprägt ist – mit Syrien als einem der zentralen Schauplätze dieses geopolitischen Spannungsfeldes.
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News Update
Humanitäre Hilfe aus Armenien:Eine armenische Hilfskolonne mit vier Lastwagen, beladen mit medizinischen Gütern und Nahrungsmitteln, erreichte Syrien. Zudem wurde angekündigt, dass der Grenzübergang „Markara“ ab dem 21. März bis 31. März für humanitäre Lieferungen geöffnet wird – ein seltener Vorgang, der nach Koordination zwischen armenischen und syrischen Behörden beschlossen wurde.
Rückkehr der Vertriebenen:Laut UNHCR sind seit dem Sturz des Assad-Regimes rund 1,3 Millionen syrische Binnenvertriebene und Geflüchtete in ihre Heimat zurückgekehrt. Dabei kehrten etwa 356.000 Geflüchtete aus den Nachbarländern (darunter 164.000 aus der Türkei und 49.000 aus Jordanien) sowie rund 926.000 Binnenvertriebene zu ihren Wohnorten zurück.
Kurdisches Abkommen:Der Vorsitzende des Kurdischen Nationalrats, Mohammed Ismail, gab bekannt, dass in Zusammenarbeit mit der Partei der Demokratischen Union (PYD) ein Abkommen zur Sicherung der Rechte der Kurden erzielt wurde.
Sicherheitslage und humanitäre Krise:In der Provinz as-Suwaida verschärft sich die Sicherheitslage, was Befürchtungen vor neuen Gewaltwellen schürt. UN-Koordinator Adam Abdelmoula betont, dass 16,5 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen sind – eine Situation, die durch anhaltende militärische Auseinandersetzungen und wirtschaftliche Probleme weiter verschärft wird. Zudem ist die Finanzierung des humanitären Hilfsplans für 2024 mit nur etwa 35 % der benötigten 4,1 Milliarden US-Dollar unzureichend.
Internationale Unterstützung und diplomatische Aktivitäten:Auf der „Brüsseler Konferenz“ wurden insgesamt 5,8 Milliarden Euro an Hilfszusagen vereinbart, obwohl die USA in diesem Jahr nicht beitrugen. Erstmals war die syrische Regierung dort offiziell vertreten. Parallel dazu besuchte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zum zweiten Mal Damaskus, wo auch die deutsche Botschaft nach 13 Jahren wiedereröffnet wurde.
Israels Luftangriffe in Daraa:Der syrische Zivilschutz berichtet, dass ein israelischer Luftangriff ein Wohngebiet in Daraa traf. Zwei Angriffe auf ein Wohnviertel und eine Militärkaserne führten zu drei Todesopfern sowie 19 Verletzten, darunter Kinder, Frauen und Zivilschutzmitarbeiter*innen.
Zentralbank konsolidiert Wechselkurse und hebt Lira um 1.200 anDie syrische Zentralbank hat den offiziellen Wechselkurs der Lira gegenüber dem US-Dollar angehoben und sämtliche zuvor getrennt geführten Kurslisten in einem einheitlichen Bulletin zusammengefasst. Nach der neuen „offiziellen Kursliste“ liegt der Verkaufskurs bei 12.120 Lira, der Ankaufskurs bei 12.000 Lira und der Durchschnittskurs bei 12.060 Lira. Damit wird der Lira-Kurs gegenüber dem US-Dollar um rund 1.200 Lira (je nach Kursart) angehoben. Dies ist das zweite Mal seit dem Sturz des Regimes, dass die Zentralbank eine solche Aufwertung vornimmt. Auch auf dem Schwarzmarkt stieg die Lira zunächst an, fiel aber anschließend nahezu auf den Wert vor Veröffentlichung der neuen offiziellen Kursliste zurück.
Neues Bündnis für gleichberechtigte StaatsbürgerschaftNach einem Treffen in Damaskus haben verschiedene politische Kräfte das Bündnis für gleichberechtigte syrische Staatsbürgerschaft (تَماسُك) gegründet. Unter den Unterzeichnern sind der Demokratische Syrien-Rat, der Strom des friedlichen Wandels, die Partei des Volkswillens und die Demokratische Baath-Partei, während sich die Kommunistische Partei kurz darauf zurückzog.
Die Erklärung fordert ein breit aufgestelltes Bündnis zur Stärkung der Einheit Syriens – mit einem einzigen Staat und einer neutralen nationalen Armee – sowie Maßnahmen zum Schutz des inneren Friedens, zur Strafverfolgung konfessioneller Hetze, zur Ahndung der Verbrechen des gestürzten Regimes und zur Schaffung eines transparenten Übergangsjustizsystems, ergänzt durch eine gerechte Lösung der kurdischen Frage.
Syrische Arbeitnehmer*innen tragen zur Stabilisierung der Rentenkassen in Deutschland bei
Die Deutsche Rentenversicherung hat im Auftrag des Magazins „RVaktuell“ Daten der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass die steigende Zahl syrischer Arbeitnehmerinnen zur weiteren Stabilisierung der deutschen Rentenkasse beiträgt. Die syrische Gemeinschaft bildet nach den türkischen und ukrainischen Staatsangehörigen die drittgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Sie trug zu zehn Prozent des gesamten Zuwachses bei den ausländischen Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr bei. Laut der Studie stellen syrische Arbeitnehmerinnen 4,5 % aller ausländischen Erwerbstätigen in Deutschland, wobei rund 150.000 Syrer, die zwischen 2020 und 2023 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben, nicht mitgezählt sind.
Obwohl ihre Erwerbsquote mittlerweile auf 42 Prozent gestiegen ist und sich damit langsam dem Durchschnittswert für Ausländer annähert, bleibe noch Potenzial ungenutzt – besonders bei syrischen Frauen, von denen ein Fünftel wegen Kinderbetreuung nicht am Erwerbsleben teilnimmt. Dies unterstreiche die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen, um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern.
Im November 2024 lebten 974.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland, von denen 685.000 im erwerbsfähigen Alter waren. 287.000 Syrerinnen sind derzeit berufstätig, wobei etwa zwei Drittel von ihnen eine qualifizierte Tätigkeit ausüben. Rund 54.000 Syrerinnen arbeiten in Branchen, die unter Fachkräftemangel leiden, wie Kfz-Mechanik, ÖPNV, Pflege, Güterverkehr und zahnärztliche Assistenz.