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Was bringt Diversität im deutschen Film und Fernsehen?

In dieser Ausgabe von "roots&reels" schreibt Schayan über Repräsentation und Diversität in Film und Fernsehen. Gleich zwei Beispiele für die mehr oder weniger gelungene Umsetzung finden sich in der ARD Mediathek.

Was bringt Diversität im deutschen Film und Fernsehen?
Fotograf*in: ARD Degeto/Jünglinge Film/Studio Zentral/David Uzochukwu

Man kann von Diversität halten, was man möchte. In „diversen“ Film und Fernsehen ist es oft so, dass die gleiche Story erzählt wird, nur diesmal hat man halt andere, nicht-weiße Gesichter im Vordergrund. Was eigentlich viel wichtiger ist, als Diversität, ist Repräsentation. Damit ist gemeint, dass eine Lebenswelt akkurat und authentisch abgebildet wird und vor allem Minderheiten ehrlich dargestellt werden. Also dass nicht unter dem Deckmantel des Begriffes von Diversität dieselbe Geschichte erzählt wird, dieselben Charaktere geschrieben werden, und sich de facto nicht viel mehr ändert.

Letzteres muss übrigens nicht unbedingt schlecht sein. Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel Fatih Akins Film „Rheingold“, ein Biopic des Rappers Xatar. Allein für diese Themenauswahl wurde Fatih Akin in vielen Kreisen als großer „diverser“ Regisseur gelobt zum Release, als jemand, der sich gegen Rassismus und für Repräsentation einsetzt.

Und vorneweg, „Rheingold“ ist ein solider, sehr unterhaltsamer Film. Doch wirklich divers ist das Ganze jetzt auch nicht. Nur weil vor der Kamera die Geschichte eines kurdischen Rappers erzählt wird, heißt es noch lange nicht, dass hinter der Kamera alle Stellen divers besetzt sind. Diese Leute haben alle einen verdammt guten Job gemacht, Fatih Akin auch. Aber Gespräche über Diversität bei solchen Beispielen sind meiner Meinung nach etwas deplatziert.

In der deutschen Filmindustrie tut sich aber doch etwas, was Diversität und Repräsentation angeht. Ein aktueller Blick in die ARD Mediathek reicht und man wird fündig. „Made in Germany“ und „Schwarze Früchte“ sind zwei sehr unterschiedliche Serien, die hierzulande aber doch in gewisser Weise im Dialog zueinander stehen. Sie sind beide im Oktober gestartet und wurden von derselben Firma produziert (Studio Zentral, jeweils in Koproduktion).

„Made in Germany“ möchte das Gefühl einer Generation einfangen, von sechs Freund*innen Anfang 20, die alle einen anderen ethnischen Hintergrund haben und denen jeweils eine Folge gewidmet ist. Wir sehen die Deutsch-Vietnamesin Ani, die Alevitin Zehra, die Schwarze Hijabi Coumba, den Juden Nikki, den Kurden Mo und Jamila mit einem jamaikanischen Elternteil. Die Serie bietet viel Raum für Debatten, allen voran Alltagsrassismus, Identität, Generationenkonflikte.

Doch leider geht die Serie für mich überhaupt nicht auf. Das sind alles natürlich super interessante Gedanken und es ist sehr gut, dass sie in der ARD Mediathek ihren rechtmäßigen Platz finden, aber die einzelnen Episoden fühlen sich leider nicht organisch an. Die Dialoge wirken unecht, die ganzen Konflikte zwischen den Charakteren sind amateurhaft und plump erzählt. Und die Eltern, Mann oh Mann, es gibt, glaube ich, keine einzige Elternfigur, die nicht ein totales Klischee ist. Das passiert, wenn die Ausrichtung einer Serie reine Identitätspolitik ist, also nur divers sein und nicht, was bei Serien viel wichtiger wäre: Eine spannende Geschichte zu erzählen. Schade!

Es ist kein Wettbewerb und ich möchte „Made in Germany“ auch nicht weiter unnötig runtermachen, aber bei „Schwarze Früchte“ gelingt vieles deutlich besser. Zum einen wird das Thema Diversität und Repräsentation, was ein Fundament der Drehbücher und Figuren ist, sehr organisch mit der Geschichte verwoben und es fühlt sich nicht erzwungen an. Wir brauchen nicht ständig eine Erinnerung, dass wir hier eine Serie mit !!!!! Schwarzen Figuren !!!!! schauen, es ist einfach selbsterklärend und das macht die Erzählung und Inszenierung so elegant.

Darüber hinaus hilft es natürlich, dass „Schwarze Früchte“ mit Lalo (gespielt vom Creator der Serie selbst, Lamin Leroy Gibba) und Karla (Melodie Simina) zwei Protagonist*innen hat, die einen fesseln und Themen wie Sexualität, Macht, Freundschaft sehr realitätsnah erforschen. Was ich auch super finde ist, dass jede Figur fehlbar ist, wenn nicht sogar total unerträglich (Lalo), und das muss eine Serie mal schaffen, dass gebrochene, unsympathische Figuren in den Mittelpunkt gestellt werden und es dennoch irgendwie funktioniert. „Schwarze Früchte“ hat ein kleines bisschen was von der amerikanischen Serie „Atlanta“, aber auch weiteren passenden Charakterstudien wie „Insecure“ oder „Ramy“. Ich hoffe, es folgt bald eine zweite Staffel davon.

Hast du „Made in Germany“ oder „Schwarze Früchte“ schon gesehen? Wie fandest du denn die Serien? Oder gibt es eine andere aktuelle Serie, die du mit den Leser*innen von roots & reels teilen möchtest? Schreib mir gerne eine E-Mail an schayan@kohero-magazin.de.

Danke fürs Lesen und viel Spaß beim Schauen

Dein Schayan

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