Die heutigen Präsidentschaftswahlen in den USA rücken vor dem Hintergrund einer kritischen und enttäuschenden innen- und außenpolitischen Lage in den Fokus. Innenpolitisch steht das Land vor tiefgreifenden Krisen im Gesundheitswesen, bei den reproduktiven Rechten und in der Wirtschaft. Außenpolitisch unterstreichen die Entwicklungen der letzten Jahre – vom Krieg in der Ukraine bis zur aktiven Beteiligung an den eskalierenden „Konflikten“ im Nahen Osten – die Krise, in der sich die Vereinigten Staaten befinden. Auf internationaler Ebene und an den eigenen Grenzen hat das Land massiv an Glaubwürdigkeit verloren.
Der Vertrauensverlust in das politische System zeigt sich besonders in der desaströsen Migrationspolitik, bei der sowohl die Demokratinnen als auch die Republikanerinnen gleichermaßen versagt haben. Doch der eigentliche Skandal besteht darin, dass dieses System gar nicht gescheitert ist – es funktioniert genau so, wie es konzipiert wurde.
Abschottung und Unterdrückung
Dies zeigt sich besonders an der US-mexikanischen Grenze, die seit Jahren als Symbol für Abschottung und Unterdrückung gilt. Die US-Einwanderungspolitik und die Justiz stützen sich auf historische Strukturen von weißer Vorherrschaft, Machtausübung und systematischer Kontrolle, die täglich daran scheitern, Menschenwürde und Leben zu schützen.
Obwohl der Wahlkampf der Demokratinnen 2020 große Hoffnungen auf eine Reform des Einwanderungssystems weckte, fiel die Bilanz unter Joe Biden ernüchternd aus: Versprechen auf grundlegende Änderungen blieben weitgehend unerfüllt. Statt die extrem restriktiven Maßnahmen der Trump-Ära zurückzunehmen, hat Biden viele dieser Richtlinien fortgeführt oder sogar verschärft, was sich vor allem in der weiteren Kriminalisierung von Migrantinnen zeigt. Ein markantes Beispiel ist eine im Sommer eingeführte Verordnung, die die Bearbeitung von Asylanträgen an der Südgrenze nahezu vollständig blockierte – eine Maßnahme, die an Trumps Abschottungspolitik erinnert, wie das Einreiseverbot für mehrheitlich muslimische Länder und die Einschränkung des Asylrechts.
Auch die Fortführung und Verschärfung von „Titel 42“, der pandemiebedingt eingeführt wurde und es der Regierung ermöglichte, Migrant*innen aus gesundheitlichen Gründen schnell an den Grenzen abzuweisen, verdeutlicht die Härte der aktuellen Maßnahmen und die daraus resultierenden humanitären Missstände.
Diese Politik zeigt, wie die Demokrat*innen in der Einwanderungsfrage zunehmend Positionen übernommen haben, die früher als extrem galten und von republikanischen Hardlinern propagiert wurden. Die sogenannte „Grenzkrise“ wird oft als Vorwand benutzt, um weiße nationalistische Narrative zu stärken und die republikanische Basis zu mobilisieren.
Doch ist die dehumanisierende Migrationspolitik ein Problem der Republikanerinnen oder der Demokratinnen? Die Wahrheit ist, dass beide Parteien ein rassistisches System aufrechterhalten, das auf der gewaltsamen Geschichte der USA gründet. Die Vereinigten Staaten sind das Ergebnis eines fortdauernden kolonialen Projekts europäischer Einwanderer*innen. Forderungen nach härterer Migrationspolitik sind tief in rassistischen Ideologien verwurzelt und ignorieren die Tatsache, dass Migration, insbesondere aus Lateinamerika, keine Ursache, sondern eine Folge des US-Imperialismus ist: Menschen aus Lateinamerika kommen in die USA, weil die USA ihre Länder seit Jahrzehnten destabilisieren.
Ein System, das auf weißer Vorherrschaft basiert
Nach meinem siebentägigen Aufenthalt an der Grenze bei San Luis, Arizona, wurde mir besonders eines klar: Die viel zitierte „Grenzkrise“ existiert nicht in der Form, wie sie von den westlichen Medien dargestellt wird. Was dort tatsächlich passiert, ist eine Krise der Ausbeutung – ein Produkt der imperialistischen Außenpolitik der USA, die ihr „Imperium“ unter dem Deckmantel des Neokolonialismus ausweitet.
Während es in anderen politischen Bereichen Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten gibt, bleibt das Grundproblem bestehen: Ein System, das auf weißer Vorherrschaft und Imperialismus basiert, lässt sich nicht mit kleinen Reformen ändern. Solange die Mehrheit der US-Bevölkerung damit zufrieden bleibt, lediglich zwischen dem „kleineren Übel“ zu wählen, werden die tödlichen Ungerechtigkeiten im In- und Ausland nicht nur fortbestehen, sondern sich weiter verschärfen.
Liebe Grüße
Kady
Online-Redaktion
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