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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Wadud Salangi – ein Journalist zwischen zwei Welten

Als die Taliban am 15. August 2021 in Kabul einmarschierten, änderte sich für Wadud Salangi alles. Der damals 23-jährige Journalist musste innerhalb weniger Stunden seine Heimat, seinen Beruf und seine Familie zurücklassen, um sein Leben zu retten.

Wadud Salangi – ein Journalist zwischen zwei Welten
Fotograf*in: Giulia Brandt

"Ich war gezwungen, ins Exil zu gehen", erinnert sich Wadud. "Die Taliban hatten bereits 2016 sieben meiner Kollegen bei TOLONews durch eine Autobombe getötet und sich öffentlich dazu bekannt. Sie bezeichneten TOLONews als 'Geheimdienstnetzwerk' und 'das größte Netzwerk des Landes zur Förderung von Obszönität, Irreligiosität, fremder Kultur und Nacktheit'." Die Erinnerung an diese Ereignisse lässt Wadud noch heute erschaudern.

Trotz der ständigen Bedrohung blieb Wadud seinem Beruf treu. Sein Antrieb: "Ich wollte Veränderungen herbeiführen, indem ich für Demokratie und Freiheit kämpfte und die Stimme einer Generation erhob, die Opfer des Verhaltens terroristischer Gruppen wie der Taliban geworden war." Diese Überzeugung führte ihn durch die gefährlichsten Zeiten seiner journalistischen Karriere in Afghanistan.

Sein Weg in den Journalismus begann mit einem schockierenden Ereignis: "Im März 2007 sah ich die Nachricht, dass die Taliban einen 24-jährigen afghanischen Journalisten, Ajmal Naqshbandi, enthauptet hatten. Zu dieser Zeit war ich noch Schüler, und in diesem Moment entschied ich mich, eines Tages Journalist zu werden." Dieser Entschluss sollte sein Leben für immer verändern.

Nach seinem Studium an der Universität Kabul begann er seine Karriere bei TOLONews, dem größten 24-Stunden-Nachrichtensender Afghanistans. Dort berichtete er über politische Themen, Krieg und Menschenrechtsfragen. "Trotz erheblicher Sicherheitsherausforderungen und Bedrohungen war ich entschlossen, meiner Berufung als Journalist nachzugehen und den Menschen eine Stimme zu geben", erklärt er.

Die Machtübernahme der Taliban im August 2021 zwang Wadud zur Flucht. Er beschreibt die dramatischen Tage: "Während der Evakuierungsoperation für afghanische Bürger am Flughafen von Kabul verbrachte ich zwei Wochen damit, verzweifelt zu versuchen, Zugang zum Flughafen zu bekommen. Tausende andere Afghanen versuchten ebenfalls zu fliehen, und trotz schlafloser Nächte vor den Toren des Flughafens gelang es mir nicht, das Flughafengebäude zu betreten."

Heute arbeitet er als mehrsprachiger Multimedia-Journalist für renommierte Medien wie die Deutsche Welle und The New Humanitarian. Seine Erfahrungen als Geflüchteter haben seine Perspektive grundlegend verändert: "Diese persönliche Verbindung zu den Geschichten, die ich erzähle, ermöglicht es mir, eine tiefere Ebene des Verständnisses und der Empathie in meine Berichterstattung einzubringen."

Doch Wadud sieht sich nicht nur als Berichterstatter, sondern auch als Brückenbauer zwischen Kulturen. In einer Zeit zunehmender Polarisierung setzt er sich für Verständigung ein: "Es ist mir ein Anliegen, eine kulturelle Brücke zwischen verschiedenen Kulturen zu schlagen und ein tieferes Verständnis zwischen Migranten und der deutschen Gesellschaft zu fördern."

Seine Arbeit in Deutschland ist nicht ohne Herausforderungen. Wadud beobachtet mit Sorge: "Wir erleben momentan eine kritische Zeit für Migranten in Deutschland. Jeden Tag sind wir mit Rassismus und anti-migrantischen Kampagnen konfrontiert – und das nicht nur in den Medien, sondern auch in politischen Diskussionen und der Öffentlichkeit." Er sieht es als seine Aufgabe, diesen Tendenzen entgegenzuwirken und für ein differenziertes Bild von Migration zu sorgen.

Trotz der Herausforderungen und Gefahren, denen er ausgesetzt war und ist, bleibt er seinem Beruf und seinen Überzeugungen treu: "Mein Engagement für ein demokratisches Afghanistan, frei von einer Taliban-Herrschaft, bleibt unerschütterlich. Mein Wunsch nach einem freien Leben für alle in Afghanistan und der Rettung meines Landes vor terroristischen Gruppen wie den Taliban motiviert mich immer wieder, meine Arbeit fortzusetzen."

Besonders am Herzen liegen ihm die Rechte der Frauen in Afghanistan: "Die Situation der Frauen unter der Herrschaft der Taliban ist katastrophal – sie werden systematisch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, ihnen wird der Zugang zu Bildung und dem Arbeitsmarkt verwehrt. Ich setze mich leidenschaftlich dafür ein, dass diese Frauen gehört werden und die Unterstützung erhalten, die sie dringend brauchen."

Waduds Geschichte ist von Resilienz und unerschütterlichem Engagement geprägt. Sie erinnert daran, dass hinter jeder Statistik über Flucht und Migration individuelle Schicksale stehen. Er betont: "Alles in dieser Welt ist vorübergehend. Das Einzige, was Bestand hat und in Erinnerung bleibt, sind Menschlichkeit, Freundlichkeit, Freundschaft und Unterstützung."

Mit seiner Arbeit möchte Wadud nicht nur informieren, sondern auch inspirieren und Veränderungen anstoßen. Er glaubt fest daran, dass Journalismus die Kraft hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sein Weg vom jungen Reporter in Kabul zum etablierten Journalisten in Berlin ist ein Beweis dafür, dass Entschlossenheit und der Glaube an die eigenen Überzeugungen selbst die größten Hindernisse überwinden können.

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