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Vor der Bundestagswahl – wir sind mutiger, als sie denken

Drei lange Monate Wahlkampf neigen sich dem Ende zu. Trotzdem gab es in meiner Familie noch nie eine derartig große Unsicherheit, wen manvbei der Bundestagswahl wählen sollte.

Vor der Bundestagswahl – wir sind mutiger, als sie denken
Fotograf*in: Glenn Carstens-Peters auf Unsplash

Es fühlt sich an, als brauche man Noise-Cancelling-Kopfhörer, um die ewigen Reden und die rassistischen Berichterstattungen zu ertragen. Es wird gehetzt, es werden Falschinformationen verbreitet, es gibt immer mehr Probleme und kaum Lösungen. Die Rechten ruhen auf ihrem Erfolg, alle anderen brennen aus. Der Glaube an die Brandmauer verblasst mit jedem Wahlplakat, das ich sehe.

Auch mit meinen Freund*innen diskutiere ich seit Wochen über die bevorstehende Bundestagswahl. Egal, wen ich frage, meistens folgt zunächst ein langes Seufzen. Was soll man jetzt noch machen? In den letzten Jahren haben wir gesellschaftlich immer wieder zugelassen, dass rechte Parteien mit ihrer Hetze durchkommen. Sie sind laut in ihrem Hass. Gehen ihnen die Argumente aus, erfinden sie einfach neue. Es ist durchschaubar, wie häufig migrantische, geflüchtete und arme Menschen als Sündenbock missbraucht werden. Trotzdem: Was bleibt, ist die Unsicherheit.

Es ist eine Lösung, die nicht aufgeht: Wir wollen an alle denken, die Rechten denken nur an sich. Es ist anstrengend und unfair, doch wir dürfen jetzt nicht den Mut verlieren. In Deutschland gibt es Mehrheiten für demokratische Werte, auch in der Asyl- und Migrationspolitik. Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts engagierten sich 62 Prozent der Deutschen zwischen 2015 und 2020 für Geflüchtete. Rund 70 Prozent sehen Vielfalt als Bereicherung. Die Autor*innen der Studie schreiben: »Wenn Menschen Flüchtende unterstützen, ist dies nicht nur eine spontane Reaktion auf eine weltpolitische Katastrophe, sondern ein Zeichen eines breiten Konsenses zu gesellschaftlicher Vielfalt.«

Unsere Familien haben in Deutschland schon immer Rassismus und Ausgrenzung erlebt. In den letzten Monaten ist die Angst davor größer denn je. Menschenfeindlichkeit und Rassismus dominieren die politischen Debatten und sind darin so laut, dass wir vergessen, dass es noch andere Stimmen gibt.

Die Prognosen zur Bundestagswahl sind gruselig. Trotzdem stehen so viele von uns ein für dieses Land. Wir bemühen uns täglich um seine demokratischen Strukturen, um ein vielfältiges, tolerantes Miteinander. Wir sind auf den Straßen, wir informieren einander, wir unterstützen unsere Nachbar*innen. Wir lassen unsere Zukunft nicht von Angst bestimmen – wir gestalten sie gemeinsam.

Trotzdem versuchen die Rechten uns einzureden, dass wir, Personen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, das Problem seien. Sie sagen es so oft, dass Menschen beginnen, es zu glauben und zu wiederholen. Oder zu vergessen, dass diese Erzählungen rechte Hetze sind. Sie denken, wir lassen uns davon einschüchtern. Doch damit liegen sie falsch. Wir sind mutiger, als sie denken.

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