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2 Min. Lesezeit Kolumne

Vom Tee zur Toleranz: Über kulturelle Vielfalt

Wie wächst es sich mit mehreren Kulturen auf? Davon berichtet Lina in ihrer Kolumne „Salam und Privet“. Das Thema dieser Folge: Tee und Toleranz.

Vom Tee zur Toleranz: Über kulturelle Vielfalt

Es war ein lauwarmer Sommerabend, als meine Eltern und ich an einem gedeckten Tisch voller kurdischer Gerichte saßen. In der Mitte befand sich ein Korb mit warmem, frisch gebackenem Fladenbrot, wie es sich traditionell gehört. Nur eine Sache fehlte noch: der Schwarztee, oder wie wir ihn nennen, Cay.

Die Kellner ließen zum Glück nicht lange auf sich warten und brachten uns rasch drei wunderschön verzierte Kristallgläser an den Tisch. Der Tee meines Vaters leuchtete in einem tiefdunklen Braun, wohingegen der Tee meiner Mutter blassorange schimmerte. Mein Tee war irgendwas in der Mitte, weder sonderlich hell noch dunkel. Eigentlich irrelevant, aber für mich eine meiner persönlichen Lieblingsanekdoten, weil die drei unterschiedlichen Cays für mich ein Sinnbild meiner Familie und kulturellen Identität sind.

Mein Vater kommt aus dem Irak, einem Land, in dem der Schwarztee nicht aus dem Tagesablauf wegzudenken ist. Schon seit ich denken kann, trinkt er jeden Morgen ein Glas zum Frühstück und jeden Abend ein Glas vor dem Schlafengehen. Manchmal auch noch ein paar dazwischen. Meine russische Mutter hingegen bringt aus ihrer Heimat eine andere Teekultur mit – auch sie liebt ihren täglichen Tee ungemein, aber bevorzugt doch lieber Grün- oder Früchtetee. Ich, als in Deutschland geborener Abkömmling dieser beiden Teefanatiker, stehe wie so oft zwischen den Fronten, habe allerdings eine Tendenz hin zum Grün- und damit weg vom Schwarztee.

Mehr als nur Teegenuss

Wie man sich sicherlich bereits denken kann, kommt es in unserer Familie auf viel mehr als bloßen Teegenuss an. Sie lebt von gegenseitiger Toleranz und Akzeptanz sowie dem Bewusstsein, dass wir uns über unsere Grenzen hinweg verständigen müssen. Meine Eltern haben mir das mein ganzes Leben lang vorgelebt, sodass ich diese bedeutende Aufgabe in zweiter Generation fortführen möchte.

Der Austausch von Geschichten und Erfahrungen über Traditionen kann zu einem tieferen Verständnis für die Vielfalt unserer Welt führen. In meiner eigenen Familie erlebe ich dies jeden Tag aufs Neue, wenn wir uns am Tisch versammeln und über die Jugendgeschichten meiner Eltern diskutieren. Diese Gespräche sind mehr als nur eine Diskussion über Kindheitsvorlieben; sie sind ein Fenster in die Vielfalt unserer kulturellen Hintergründe und Traditionen.

Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie meine Eltern mir von den Teekulturen in ihren Heimatländern erzählt haben. Mein Vater sprach von den Teehäusern im Irak, in denen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenkommen, um Tee zu trinken und Geschichten auszutauschen. Meine Mutter hingegen erzählte von den russischen Samowaren, die in vielen Haushalten eine zentrale Rolle spielen und Tee zu einem festen Bestandteil des Alltags machen.

Diese Kolumne soll jedoch nicht ein Urteil darüber fällen, wessen Teekultur die bessere ist. Stattdessen möchte ich alle Leser*innen auf den Tee ihrer Wahl dazu einladen, gemeinsam mit mir meine bunte Welt zu erkunden. Zwischen Abend- und Morgenland gibt es viel zu entdecken und zu besprechen, sodass wir uns zu einigen Sitzungen versammeln werden, um gemeinsam die Schönheit dieser Welt zu erkunden. Macht es euch gemütlich und bringt eure Freunde mit.

Dieser Beitrag ist Teil von Linas Kolumne "Salam und Privet: Das Leben zwischen zwei Welten".

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