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Updates aus Syrien

Die migrationsnews sind dein wöchentlicher Nachrichtenüberblick zu den Themen Flucht und Migration. In dieser Ausgabe schreibt Chefredakteur Hussam über die Entwicklung in Syrien und den neuen Newsletter „syrien update“.

Updates aus Syrien
Fotograf*in: Sora Shimazaki auf pexels.com

Seit Freitag beobachte ich aufmerksam, was in Syrien passiert. Nach der erstaunlich schnellen Eroberung von Aleppo ziehen die bewaffneten Rebellengruppen weiter, und der syrische Machthaber Assad sieht seit fast zehn Jahren nicht so geschwächt aus wie heute.

Ich habe alle großen arabischen Medien dauerhaft geöffnet und verfolge, was sie berichten. Außerdem bin ich in viele Telegram-Gruppen eingetreten, um die Entwicklungen vor Ort besser zu verstehen. Es gibt eine Flut von Informationen. Doch wenn ich zu den deutschen Medien wechsele, stelle ich leider fest, dass nicht genug darüber berichtet oder informiert wird. Deswegen habe ich gemeinsam mit weiteren syrischen Journalist*innen ganz spontan einen neuen Newsletter ins Leben gerufen: Im „syrien update“ erhältst du ab sofort alle wichtigen News und Einordnungen zur Lage vor Ort. Und das von Menschen, die sich auskennen.

Ich selbst bin unsicher, wie ich mich fühlen soll. Soll ich mich freuen oder nicht? Wenn ich meinen Facebook-Account öffne, sehe ich die unterschiedlichen Meinungen innerhalb der syrischen Community. Eine große Gruppe freut sich, weil sie hoffen, dass Assad endlich gestürzt wird. Andere wiederum argumentieren, dass die islamistischen Kämpfer nicht besser seien als Assad. Manche sagen sogar, dass der Teufel besser sei als Assad. Diese Diskussionen gehen weiter und spalten die Meinungen.

Für einen Teil sind die Kämpfer Syrer, die ihre Waffen gegen Assad erhoben haben, mit dem klaren Ziel, ein Syrien ohne die Assad-Familie zu schaffen. Andere hingegen haben Angst vor den islamistischen Milizen, die aus der al-Qaida hervorgegangen sind – auch wenn diese sich mittlerweile von al-Qaida losgesagt haben.

Andere freuen sich, dass viele junge Menschen zu ihren Familien zurückkehren, wie ein Video aus den sozialen Medien zeigt, in dem ein junger Mann, der vor der Assad-Regierung geflüchtet ist, seine Mutter nach sieben Jahren wiedergetroffen hat. Einige Menschen besuchen auch ihre zerstörten Häuser in Hama. Nach mehr als zehn Jahren im Exil freuen sie sich, diese Orte wiederzusehen, trotz allem.

Doch wie immer bringt der Krieg auch viel Traurigkeit mit sich. Heute gibt es heftige Kämpfe zwischen kurdischen Gruppen, viele Familien mussten aus Aleppo nach Raqqa fliehen, nachdem sie einen Deal mit der Syrischen Nationalen Armee (SNA) abgeschlossen hatten.

Niemand weiß, wie sich die Lage genau entwickeln wird. Alles, was wir sicher wissen, ist, dass Syrien zu einem Ort geworden ist, an dem die Konflikte zwischen den Ländern, besonders in der Region, durch Geld und Waffen verstärkt werden.

Wenn du mehr darüber erfahren willst, abonniere hier kostenlos unseren Newsletter „syrien update“.

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Was ist passiert?Die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und die Syrische Nationale Armee (SNA), die von der Türkei unterstützt werden, haben am Freitag nach heftigen Gefechten mit der syrischen Armee Fortschritte im Osten von Idlib erzielt. Dabei handelt es sich um Dörfer von strategischer Bedeutung aufgrund ihrer Nähe zur internationalen M5-Straße, die Aleppo mit Damaskus verbindet. Einen Tag später kontrollierten sie die Stadt Sarakeb und rückten dann nach Aleppo vor. Innerhalb von zwei Tagen konnten sie die gesamte Stadt Aleppo und umliegende Dörfer einnehmen.

Hier ist anzumerken: In Syrien gibt es 16 Gouvernements. Jedes Gouvernement hat eine zentrale Stadt sowie kleinere Städte und viele Dörfer. Die zentrale Stadt hat denselben Namen wie das Gouvernement. Auf der Karte wird sichtbar, wer in welcher syrischen Region derzeit die Kontrolle hat.

Wer kontrolliert Syrien?

  1. Assad-RegimeDas Assad-Regime wird von der syrischen Armee und zahlreichen Milizen, die vom Iran unterstützt werden, gestützt. Auch die russische Armee spielt eine Schlüsselrolle, insbesondere in den Regionen Damaskus, Homs, Latakia und Tartus – Gebieten, die überwiegend von Alawit*innen bewohnt werden, die Assad unterstützen. In Hama versucht die syrische Opposition, das Gebiet zu erobern.
  2. KurdenDie Kurden werden von der US-Armee unterstützt und kontrollieren Teile Nordsyriens. Sie hatten einst Gebiete in Aleppo und dessen Umgebung unter ihrer Kontrolle, wurden jedoch in den letzten Tagen von der syrischen Armee angegriffen und verloren die Kontrolle über Aleppo, Manbidsch und ihre einige Gebiete in den östlichen von Allepo und näher von Gouvernements Ar-Raqqa. Die Kurden haben eine Verwaltung eingerichtet, die „Autonome Verwaltung in Syrien“ genannt wird.
  3. Hayat Tahrir al-Sham (HTS)Die HTS, eine islamistische Miliz mit guten Beziehungen zur Türkei, kontrolliert Idlib und Teile von Aleppo. Sie hat eine eigene Verwaltung namens „Syrische Rettungsregierung“ aufgebaut.
  4. Syrische Nationale Armee (SNA)Die SNA wird von der Türkei unterstützt und kontrolliert den Norden von Aleppo. Auch sie hat eine eigene Verwaltung: die „Syrische Interimsregierung“.

Warum jetzt?

Hassan Abdul Ghani, Sprecher der „Militäroperationsleitung für die Schlacht zur Abschreckung der Aggression“, erklärte, dass das Ziel der Operation ein „präventiver Schlag gegen die militärischen Aufmärsche der Truppen des Regimes und ihrer verbündeten Milizen“ sei, die die befreiten Gebiete bedrohen. Mohammed al-Bashi, Chef der Rettungsregierung, die von der HTS kontrollierte Gebiete verwaltet, sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP, dass „das kriminelle Regime in letzter Zeit Truppen an die Frontlinien verlegt und begonnen hat, sichere Gebiete zu bombardieren, was zur Vertreibung von Zehntausenden friedlicher Zivilisten führte“. Er fügte hinzu: „Die Operation wurde durchgeführt, um die feindlichen Quellen des Beschusses zu entfernen und die Rückkehr der Bewohner in ihre Gebiete zu sichern.“

Wie reagieren die internationalen Akteure?Die Situation in Syrien bleibt komplex. Währenddessen haben verschiedenen Länder unterschiedliche Interessen in Bezug auf die aktuelle Lage:

Ägypten, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen das Assad-Regime. Der Irak hat sogar angedeutet, schiitische Milizen zur Unterstützung von Assad zu entsenden.

Die Türkei versucht, Assad unter Druck zu setzen und ihn an den Verhandlungstisch zu bringen. Präsident Erdoğan hat Assad mehrfach zu einem Treffen eingeladen, doch dieser hat abgelehnt, offenbar aufgrund des Drucks aus dem Iran. Die Türkei will zudem eine klare Botschaft an die USA und neue Präsentation Trump senden: dass sie eine Schlüsselrolle in Syrien spielt.

Die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben am Montag zu einer Deeskalation in Syrien aufgerufen und in einer gemeinsamen Erklärung den Schutz der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur betont.

In der Erklärung, die vom US-Außenministerium veröffentlicht wurde, heißt es, dass die derzeitige Eskalation die dringende Notwendigkeit einer von Syrien geführten politischen Lösung des Konflikts unterstreiche, im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats. Diese Resolution aus dem Jahr 2015 bildet die Grundlage für den Friedensprozess in Syrien.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Sean Savitt, erklärte, dass Washington die Situation in Syrien genau beobachte und in den letzten 48 Stunden Kontakt mit regionalen Hauptstädten aufgenommen habe. Er fügte hinzu, dass die anhaltende Weigerung des Assad-Regimes, sich auf den im UN-Sicherheitsratsbeschluss 2254 festgelegten politischen Prozess einzulassen, sowie seine Abhängigkeit von Russland und Iran die aktuellen Bedingungen geschaffen hätten, einschließlich des Zusammenbruchs der Linien des Assad-Regimes im Nordwesten Syriens.

Gleichzeitig betonte er, dass die Vereinigten Staaten mit der von der Hayat Tahrir al-Sham geführten Offensive, einer als terroristisch eingestuften Organisation, nichts zu tun hätten.

Israel beobachtet die Entwicklungen genau. Die Schwächung der iranischen Milizen in Syrien wird als positiv für die eigene Sicherheit angesehen, doch Israel befürchtet, dass islamistische Gruppen die Macht übernehmen könnten, falls die Assad-Regierung gestürzt wird.

Russland unterstützt Assad weiterhin mit Waffen, scheint jedoch zögerlich zu reagieren. Es begrüßt eine Schwächung der iranischen Milizen, hat aber keine klare Position zu den jüngsten Ereignissen bezogen. Russland schließt ein trilaterales Treffen mit der Türkei und dem Iran zur Lösung des Syrienkonflikts nicht aus.

Der Iran reagiert stark und beschuldigt die HTS und die SNA, als „Werkzeug der türkischen Armee“ zu agieren. Der Iran hat bereits afghanische Milizen entsandt, um Assad zu unterstützen, und es gibt Gerüchte, dass diese von den USA angegriffen wurden.

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