Heute befassen wir uns mit dem Thema transgenerationale Traumatisierung. Einem sehr wichtigen Thema, das mittlerweile mehr Menschen bekannt ist und in einer von Krieg und Gewalt geprägten Welt generationenübergreifend relevant ist und bleibt.
Zunächst einmal zum Begriff:
Das transgenerationale Trauma (auch bekannt als Transgenerationale Weitergabe und Transgenerationalität), bezieht sich auf die Übertragung von Erfahrungen von Angehörigen einer Generation auf die Mitglieder der nachfolgenden Generation. Dies geschieht in der Regel unbeabsichtigt, oft unbewusst und meist auch ungewollt. Diese Begriffe haben sich in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen etabliert.
Die damit verbundenen Phänomene werden hauptsächlich in den Sozialwissenschaften untersucht und beschrieben, jedoch beginnen auch Vertretende der Naturwissenschaften, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt steht die Übertragung unverarbeiteter seelischer Traumata, die in unterschiedlichen Kontexten erworben wurden. Die Art, wie diese erlebt wurden, können auf verschiedene Weisen, sowohl direkt als auch indirekt, und mit unterschiedlichen Auswirkungen an die Nachkommen weitergegeben werden.
Besonders häufig wurden solche Phänomene bei Holocaust-Überlebenden und deren Nachkommen dokumentiert. Doch auch die rassistische Kontinuität, die sich unter anderem in der Versklavung von Menschen und in unzähligen Kriegs- und Migrationsbewegungen widerspiegelt, spielt eine riesige Rolle, die immer noch zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Neben zahlreichen negativen Folgen kann auch die Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen, durch transgenerationale Weitergabe gestärkt werden.
Wie entsteht transgenerationale Traumatisierung?
Häufige Gründe für die transgenerationale Traumaweitergabe sind:
- Gewalt durch physische und psychische Misshandlungen
- Verlust in Form von Tod und Trennung von Angehörigen
- Krieg und Erlebnisse von Zerstörung und Vernichtung
- Verfolgung, Diskriminierung und systematische Unterdrückung, die Sicherheit und Zugehörigkeit rauben
Dabei wissen wir nur grob oder vielleicht auch gar nicht, was unsere traumatisierten Angehörigen im Detail erlebt haben. Sowohl das nachvollziehbare Schweigen darüber als auch die fehlende Aufarbeitung der Erlebnisse verwandeln sich in einen dicken, dunklen Schleier, der unsere Leben umhüllt, ohne dass man wirklich merkt, dass er da ist.
Lebenslange psychische Belastungen traumatisierter Personen werden oft nicht verarbeitet und genau diese Erlebnisse werden durch Verdrängung weitergegeben. Die unausgesprochenen Ängste und Traumata der Eltern beeinflussen die emotionale und psychische Entwicklung ihrer Kinder, wodurch sich diese Belastungen wiederum um weitere Generationen hinwegziehen.
Unverarbeitete Traumata wirken sich also auf den Umgang mit den eigenen Nachkommen aus. Diese erleben oft eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Probleme und Störungen wie Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen. Diese weitergegebenen Belastungen äußern sich dabei in erhöhten Stressreaktionen, Schwierigkeiten in Beziehungen und einem gestörten und schädlichen Selbstbild, das über Generationen hinweg bestehen bleibt, wenn die Traumata nicht aufgearbeitet werden. Mitunter beeinflusst werden eben auch Träume, Gedanken, das emotionale Erleben und unbewusste Agieren.
Wichtig zu erwähnen ist, dass transgenerationale Traumata nicht bedeuten, dass man sie 1:1 weitervererbt. Vielmehr münden unverarbeitete Erlebnisse in dysfunktionalen, schädlichen Gefühlen und Verhaltensweisen, welche Beziehungen und Entwicklungen zu anderen prägen. Es entsteht also eine Art Dominoeffekt. Die DNA-Sequenz verändert sich hierbei nicht, es handelt sich um chemische Veränderungen und es entstehen Proteine, die bestimmen, welche Nervenzellen wie aktiv sind. Dies wiederum beeinflusst unser Verhalten.
In drei Generationen zusammengefasst, ist es so darzustellen:
- primäre/direkte Traumatisierung der betroffenen Person
- sekundäre Traumatisierung der angehörigen Person
- transgenerationale Traumaweitergabe an weitere Nachkommen
Wie hört es auf?
Oftmals fehlt(e) es an Zeit und Kraft, nicht selten auch an Offenheit und Verständnis, um schwerwiegende Dinge aufzuarbeiten. Um den Teufelskreis zu durchbrechen, bedarf es an Bereitschaft, viel Geduld, natürlich aber auch Ressourcen. Die biografische und emotionale Anerkennung der Problematiken bildet dabei die Grundlage und oft liegt es an einer Person selbst, den ersten Schritt zu wagen. Sich mit dem Thema zu befassen und in den Dialog miteinander zu treten, hilft meistens, um unsichtbare Mauern zu schwächen. Überschätzen sollten und dürfen wir aber auch diese Schritte nicht, da sie unterdrückte, gestapelte, vermischte und auch erschreckende Folgen haben können. Hilfe von professionellen Fachkräften, erfahrenen Familienmitgliedern und sachliche Aufarbeitungen können helfen.