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Der erste Atemzug in Freiheit: Syrien ohne Assad

Als Journalistin habe ich einen Traum verloren – aus Damaskus berichten zu können: Syrien ist frei von Assad! Ein Teil des Traumes ist wahr geworden, doch ohne meine Freund*innen in der Heimat, die mir die wahre Bedeutung von Stärke und das Überwinden der Angst beigebracht haben.

Der erste Atemzug in Freiheit: Syrien ohne Assad
Fotograf*in: Nasser Alzayed

Die Worte, um meine Gefühle zu beschreiben, fehlen mir. Kann ich wirklich in Syrien laut „Freiheit!“ rufen? Werden meine Freund*innen dort endlich offen sprechen können? Unsere Wünsche waren einst so groß und wirkten doch so unerreichbar. Und nun ist es Wirklichkeit: Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und 13 Jahren Revolution ist Syrien endlich frei von Assad!

Doch mit dieser ersehnten Freiheit kommen auch immense Herausforderungen: Wie kann ein Land, das so lange unter einer brutalen Diktatur gelitten hat, wieder aufstehen? Wie kann Gerechtigkeit hergestellt werden?

Freiheit nach der Angst

„Lilas, die Wände haben keine Ohren mehr.“ Das schrieb mir gestern mein Lehrer. Zum ersten Mal können die Menschen in Syrien frei sprechen, ohne Angst vor Überwachung, Folter oder Repression. Es ist ein überwältigendes Gefühl der Befreiung – für viele das erste Mal in ihrem Leben. Doch die neue Freiheit bringt auch große Aufgaben mit sich: ein zerrüttetes Land, traumatisierte Menschen und der schwierige Weg zurück in die Normalität.

Der Schmerz der Rückkehr

Einige Gefangene wurden endlich befreit, doch viele werden immer noch vermisst. Wer zurückkehrt, findet oft ein Leben vor, das sich fremd anfühlt. Nicht nur wirtschaftliche, sondern auch psychische und soziale Probleme belasten die Menschen. Für Millionen Syrer*innen, die ins Exil fliehen mussten, ist die Zukunft ebenso ungewiss. Eine Freundin aus einem Flüchtlingslager in Jordanien schrieb mir: „Lilas, die Länder, die uns zurückschicken wollen, sollten wenigstens die Kosten für unsere Rückreise übernehmen. Wir haben nichts mehr.“ Die Sehnsucht nach der Heimat ist groß, doch die Realität bleibt erschreckend hart. Viele haben alles verloren, und Syrien steht vor dem riesigen Wiederaufbau einer zerstörten Nation.

Bildung: Der Schlüssel zur Zukunft

Das syrische Bildungssystem wurde von Assads Regime nahezu vollständig zerstört. Schulen liegen in Trümmern, Lehrer*innen und Schüler*innen sind geflohen, und eine ganze Generation wurde ihrer Bildung beraubt.

Viele Kinder, die 2011 geboren wurden, haben niemals eine Schule besucht – nicht in Syrien, aber auch nicht in Zufluchtsländer wie der Türkei, Libanon oder Jordanien. Sie sind jetzt 13 oder 14 Jahre alt, ohne Bildung, ohne Perspektive. Diese Bildungslücke ist eine der größten Herausforderungen für den Wiederaufbau. Denn ohne Bildung wird es schwer, eine neue Gesellschaft aufzubauen.

Auch die Gesellschaft muss sich neu finden. Die Jahre der Gewalt und Spaltung haben tiefe Gräben hinterlassen. Versöhnung, Verständnis und Zusammenhalt sind der Schlüssel, um diese Wunden zu heilen und eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Syrien war schon immer ein Land der Vielfalt – Christinnen, Musliminnen, Kurdinnen, Araberinnen. Diese Vielfalt muss jetzt zu einer Stärke werden, die Syrien vereint statt trennt.

Hoffnung durch Gemeinschaft

Syrien kann die anstehenden Herausforderungen nur gemeinsam meistern – mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, von Organisationen.

Möchte ich zurück? Ich habe viele gefragt, doch die Antwort bleibt unklar. Die Situation ist so neu, dass sie kaum zu begreifen ist. Ist es wirklich wahr? Syrien ohne Assad? Für viele in meiner Community bleibt diese Frage offen, besonders für jene, die in Europa aufgewachsen sind. Hier haben sie sich eine neue Heimat aufgebaut, viel erreicht und geschafft.

Die Herausforderungen sind andere, aber nicht weniger groß. Doch eines ist sicher: Von hier aus kann man oft mehr bewirken. Viele, die in Europa Zuflucht fanden, hatten die Chance zu studieren und zu arbeiten. Jetzt können sie dieses Wissen nutzen, um den Wiederaufbau Syriens aktiv zu unterstützen. Die Kraft der Gemeinschaft war schon immer ein Teil der syrischen Identität. Diese Einheit muss jetzt stärker sein als je zuvor.

Syrien ohne Assad ist der erste Schritt in eine bessere Zukunft. Mit Mut, Zusammenhalt und harter Arbeit kann es den Syrer*innen gelingen, ihr Land wieder aufzubauen – ein Land, in dem Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden herrschen.

Syrien kann es schaffen. Die Syrer*innen können es schaffen. Gemeinsam.

Weitere Updates zur Lage in Syrien bekommst du im Newsletter „syrien update“.

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