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SGMA – Syrisch-deutsche Ärzt*innen reisen für Wiederaufbau nach Syrien

Seit dem Sturz des Assad-Regimes schöpfen viele Syrer*innen neue Hoffnung – auch jene im Exil. Die Initiative SIGMA bringt syrisch-deutsche Fachärzt*innen zurück in ihre Heimat, um mit Know-how und medizinischer Ausrüstung den Wiederaufbau des kollabierten Gesundheitssystems zu unterstützen. Unser A

Delegation von SIGMA mit dem HNO-Team des Univers
Fotograf*in: Maen Mohammed

Es ist 9 Uhr morgens am 15. April. In der Universitätsklinik Aleppo herrscht gespannte Vorfreude – denn heute wird eine Delegation aus Deutschland erwartet. Gemeinsam mit den Ärzt*innen vor Ort sollen komplizierte Operationen durchgeführt werden. Die Familie eines Patienten ist nervös. Man hat ihnen gesagt, der Eingriff sei riskant. Eine komplizierte Operation steht auf dem Programm – ein Eingriff, der in Aleppo normalerweise nicht durchgeführt wird, weil die dafür notwendigen Instrumente fehlen.

Doch heute wird sich das ändern, denn Dr. med. Wehab Khayat, HNO-Facharzt und Leiter einer Praxis sowie mehrerer HNO-Abteilungen in Siegen, ist gemeinsam mit seinem Kollegen Zo Alfakar Hamo im Rahmen der SGMA-Initiative in Aleppo angekommen.

Seit dem Sturz von Assads Regime im Dezember letzten Jahres lebt bei vielen Syrer*innen wieder Hoffnung auf. Hoffnung, dass Frieden kommt. Hoffnung, dass ein neues Syrien entsteht. Viele, die im Exil leben – auch hier in Deutschland – wollen nicht länger nur aus der Ferne zusehen. Sie möchten zurückgehen, helfen, aufbauen. So entstand die Idee für SGMA – die Syrian German Medical Association: eine Gruppe syrisch-deutscher Fachärztinnen und Fachärzte, die ihr Wissen und ihre Erfahrung für den Wiederaufbau Syriens einsetzen wollen.

Wie steht es heute um das Gesundheitssystem in Syrien? Die Antwort darauf ist leider eindeutig: Es liegt am Boden. Nach Jahren des Krieges und systematischer Vernachlässigung hat das Assad-Regime kaum in medizinische Infrastruktur investiert – nicht einmal an zentralen Einrichtungen wie der Universität Aleppo. Viele Geräte sind seit Jahren defekt, moderne Ausstattung fehlt komplett. Veraltetes OP-Werkzeug erschwert den Ärztinnen und Ärzten ihre tägliche Arbeit massiv. Gerade deshalb ist der Einsatz von Initiativen wie SGMA so entscheidend: Sie versuchen, die medizinische Versorgung wieder aufzubauen.

Rechts: Dr. Sidra Al-Najjar, im fünften Studienjahr in Aleppo; neben ihr Wahhab Al-Khayyat.
Rechts: Dr. Sidra Al-Najjar, im fünften Studienjahr in Aleppo; neben ihr Wahhab Al-Khayyat.

Rückkehr mit Erfahrung – ein emotionaler Moment

Der Moment des Wiedersehens ist emotional. Die syrisch-deutschen Ärzt*innen werden mit offenen Armen, Umarmungen und Lächeln empfangen. Auch Dr. Kaisar Mansour, Leiter der HNO-Abteilung der Universitätsklinik Aleppo, ist vor Ort – sichtlich stolz auf seine ehemaligen Studierenden, die nun als Fachärzte aus Deutschland zurückkehren, um zu helfen.

„Was ich heute fühle, lässt sich kaum in Worte fassen. Es macht mich stolz zu sehen, wie sich meine ehemaligen Studierenden entwickelt haben – mit großer Erfahrung und Fachkompetenz. Ich danke den Ärztinnen und Ärzten von SGMA, die uns mit medizinischen Geräten und ihrem Wissen unterstützen. Ich wünsche mir, dass noch mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Exil zurückkehren, um den Menschen hier zu helfen. Syrien braucht euch“, sagt der Leiter der HNO-Abteilung in Aleppo, während sich das Operationsteam auf den bevorstehenden Eingriff vorbereitet.

Ein Gerät, das lange fehlte

Dr. Khayat und Dr. Hamo haben nicht nur Instrumente, sondern auch ein wichtiges medizinisches Gerät mitgebracht: ein ABR-Gerät (Auditory Brainstem Response). Es dient dazu, die Reaktionen des Hörnervs und Hirnstamms auf akustische Reize zu messen – besonders wichtig in der HNO-Diagnostik. Im Raum herrscht spürbare Freude, denn ein solches Gerät gibt es in der Universitätsklinik Aleppo seit Jahren nicht mehr. Das alte Modell ist seit langer Zeit defekt – und bisher konnte es nicht ersetzt werden.

Es handelt sich um eine endoskopische Nasennebenhöhlenoperation. Beim Patienten hatte sich jedoch infolge einer durch die Nebenhöhlen verursachten Entzündung ein Loch an der Schädelbasis gebildet. Um diesen Eingriff durchzuführen, fehlt es – wie Dr. Khayat erzählt – nicht an Personal, sondern an Ausrüstung.

Nach einer Weile kommt die Entwarnung: „Die Operation ist gut verlaufen. Wir konnten die Nasennebenhöhlen vollständig reinigen, haben dabei auf die Augen geachtet, und die Schädelbasis war unversehrt. Während des Eingriffs erklärten wir den Kolleginnen hier vor Ort jeden Schritt – ihr Interesse war groß. Diese Art von Operation wurde bisher nicht durchgeführt, da das nötige Equipment fehlte. Doch hoffentlich können die Ärztinnen sie schon bald eigenständig anwenden“, sagt Dr. Wehab Khayat.

Bei der Übergabe des ABR-Geräts
Bei der Übergabe des ABR-Geräts

Lernen von den Rückkehrern

Sedra Najar befindet sich im fünften Jahr ihres HNO-Studiums in Aleppo und ist begeistert von der Zusammenarbeit mit Dr. Wehab Khayat:„Heute haben wir die Schritte der endoskopischen Nasennebenhöhlenchirurgie gelernt – wie man die Kieferhöhle erreicht, dann die Keilbeinhöhle und die Siebbeinzellen, und wie man alle Nebenhöhlen gründlich reinigt“, erzählt sie im Gespräch. Sie hofft, eines Tages auch in Deutschland ihre Kenntnisse weiter vertiefen zu können.

Alle Ärztinnen und Ärzte von SGMA engagieren sich rein ehrenamtlich – auch die Operationen in Syrien wurden vollständig durch Spenden ermöglicht. Fachleute beschreiben die Situation des syrischen Gesundheitssystems als alarmierend. Der Bedarf an Unterstützung ist groß, und Organisationen wie SGMA leisten einen unverzichtbaren Beitrag, um die medizinische Versorgung im Land zumindest teilweise wiederherzustellen.

Während Dr. Wehab Khayat in der Universitätsklinik Aleppo komplexe Operationen durchführt, sind seine Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zeitgleich in weiteren Städten wie Latakia, Idlib, Homs und Damaskus im Einsatz. Ihr gemeinsames Ziel: medizinische Hilfe dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

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