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Sanktionen gegen Syrien: Ein langer Weg zur Aufhebung

Gut einen Monat nach Assads Sturz steht die Übergangsregierung in Syrien vor großen Herausforderungen: Stabilität schaffen, Reformen umsetzen und Sanktionen aufheben. Doch was sind diese Sanktionen und wie können sie aufgehoben werden?

Sanktionen gegen Syrien: Ein langer Weg zur Aufhebung
Fotograf*in: Ahmed akacha auf pexels.com

Syrien gehört zu den am stärksten sanktionierten Ländern der Welt. Besonders die Sanktionen der USA, der Vereinten Nationen und der Europäischen Union wiegen schwer. Während des Konflikts in Syrien haben westliche Staaten eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Sanktionen gegen die syrische Regierung und deren Schlüsselbereiche verhängt. Darunter haben auch die Menschen in Syrien massiv gelitten.

Im Juni 2020 trat das sogenannte „Caesar-Gesetz“ in Kraft, das als eine der strengsten Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen das syrische Regime gilt. Nach dem Sturz des Regimes bleibt es immer noch wirksam. Das Gesetz wurde nach einem ehemaligen Militärfotografen benannt, der als „Caesar“ bekannt wurde, nachdem er 55.000 Fotos veröffentlicht hatte, die die Folter und Tötung von Tausenden Gefangenen in syrischen Haftanstalten dokumentierten. Diese Bilder haben damals weltweite Empörung ausgelöst und zur Verabschiedung dieses Gesetzes geführt, das finanzielle Sanktionen gegen syrische Regierungsbeamte, Geschäftsleute und jede ausländische Partei vorsieht, die mit dem Regime zusammenarbeitet. Es beinhaltet auch die Einstellung von Hilfen für den Wiederaufbau, was die wirtschaftliche Krise weiter verschärft.

Kampf gegen die Drogenfinanzierung

In einem weiteren Schritt gegen das syrische Regime hat US-Präsident Joe Biden ein Gesetz unterzeichnet, das darauf abzielt, den illegalen Handel mit Captagon zu bekämpfen – einer der Haupteinnahmequellen des Regimes. Regierungsbeamte werden beschuldigt, mit bewaffneten Gruppen wie der Hisbollah bei der Herstellung und dem Vertrieb dieser Drogen zusammenzuarbeiten. Dieser illegale Handel stärkt weltweit kriminelle Netzwerke und autoritäre Regierungen, was die USA dazu veranlasst hat, diesen Aktivitäten entgegenzuwirken.

Zu den wichtigsten Maßnahmen der westlichen Staaten gehört das Einfrieren der Vermögenswerte syrischer Banken, einschließlich der Konten des Finanzministeriums und der Zentralbank. Auch die Vermögenswerte von Präsident Bashar al-Assad, seiner Familie und seiner engen Vertrauten wurden eingefroren. Diese Maßnahmen haben das syrische Finanzsystem von globalen Banken-Netzwerken blockiert und es erschwert der Regierung, internationale Transaktionen durchzuführen oder Großprojekte zu finanzieren.

Sanktionen auf Öl

Da Öl eine der Hauptquellen für Einnahmen in Syrien ist, haben sich einige Sanktionen gezielt gegen den Energiesektor gerichtet. Internationale Unternehmen wurden daran gehindert, syrisches Öl zu kaufen oder in den Bereich zu investieren. Ebenso wurde der Export von Geräten zur Ölförderung und -raffination verboten.

Die Handelssanktionen umfassten außerdem ein Exportverbot für sogenannte „Dual-Use“-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, etwa Telekommunikationsgeräte und fortschrittliche Technologien. Ebenso wurden Beschränkungen für den Import syrischer Produkte wie Öl und Gas verhängt, was die Fähigkeit der Regierung, wirtschaftliche Ressourcen zu stärken, weiter einschränkte.

Bewegungsfreiheit eingeschränkt

Viele westliche Staaten hatten Reiseverbote gegen syrische Regierungsbeamte verhängt, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, einschließlich Präsident Bashar al-Assad. Ihnen wurde die Einreise in westliche Länder untersagt. Gleichzeitig wurden die Anforderungen für syrische Bürger*innen, Visa zu erhalten, erheblich verschärft, was ihre Möglichkeiten, ins Ausland zu reisen, zu arbeiten oder zu studieren, beeinträchtigte.

Obwohl diese Sanktionen darauf abzielen, Druck auf das syrische Regime auszuüben, haben sie auch die syrische Bevölkerung stark betroffen. Die wirtschaftliche Krise hat sich verschärft und der Wert der syrischen Lira ist drastisch gesunken. Dies hat es den Menschen erschwert, Grundbedürfnisse zu erfüllen. Das bedeutet: Ohne umfassende politische Lösungen bleibt die syrische Bevölkerung die Hauptleidtragende der Sanktionen.

Aufhebung der Sanktionen

Die Aufhebung von Sanktionen erfordert in der Europäischen Union und den Vereinten Nationen die Zustimmung aller Mitgliedstaaten. In der EU erfolgt dies gemäß Artikel 215 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und erfordert einstimmige Entscheidungen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Auch bei den Vereinten Nationen ist Einstimmigkeit notwendig. Besonders im Sicherheitsrat, wo Russland als ständiges Mitglied eine Schlüsselrolle spielt, sind Verhandlungen kompliziert. Russland hat erhebliche strategische und wirtschaftliche Interessen in Syrien – die neue Regierung in Syrien sei bereit, mögliche Kompromisse zu finden.

Doch ein Hindernis bleibt bestehen: Die enge Verbindung einiger Mitglieder der neuen Regierung zu der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die weiterhin auf der UN-Sanktionsliste steht, erschwert die diplomatische Offensive erheblich. Laut UN-Resolution 2253 (2015) bleibt HTS als terroristische Organisation eingestuft, was die Bemühungen der Übergangsregierung, internationale Sanktionen aufzuheben, massiv behindert.

Individuelle Sanktionen erschweren die Arbeit

Hinzu kommt, dass einige hochrangige Vertreter der neuen Regierung selbst unter persönlichen Sanktionen stehen, die Vermögenssperren und Reiseverbote umfassen. Diese Einschränkungen behindern nicht nur ihre Bewegungsfreiheit, sondern auch die Fähigkeit, glaubwürdige Verhandlungen auf internationaler Ebene zu führen. Obwohl das ursprüngliche Ziel vieler Sanktionen – der Sturz des Assad-Regimes – erreicht wurde, bleiben grundlegende politische Reformen aus, die Voraussetzung für die Aufhebung der Sanktionen sind.

Vorsichtige Annäherung durch die internationale Gemeinschaft

Der internationale Umgang mit der neuen syrischen Regierung ist von Vorsicht geprägt. Nach dem Prinzip „Schritt für Schritt“ wird geprüft, ob die Regierung bereit ist, echte Reformen durchzuführen und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen anzugehen. Jedoch ist die Aufhebung der Sanktionen nicht nur ein technischer, sondern auch ein hochgradig politischer Prozess, der von den verschiedenen Interessen der internationalen Gemeinschaft beeinflusst wird.

Die ursprünglichen Ziele der Sanktionen, wie ein Regimewechsel, sind de facto erreicht. Dennoch rechtfertigen aktuelle Begründungen, wie das Misstrauen gegenüber der Übergangsregierung, die Fortsetzung der Restriktionen nicht hinreichend. Beobachter*innen sehen, dass es an der Zeit sei, der neuen syrischen Regierung eine Chance zu geben. Sanktionen sind nur dann effektiv, wenn sie tatsächliche politische Veränderungen bewirken und nicht bloß symbolisch verhängt werden.

Ohne eine Lockerung der Sanktionen wird der Wiederaufbau Syriens kaum möglich sein. Millionen Geflüchtete werden nicht in ein Land zurückkehren können, das wirtschaftlich am Boden liegt und von internationalen Handels- und Finanzströmen abgeschnitten ist. Die Aufhebung der Sanktionen ist daher eine notwendige Voraussetzung für den politischen Wandel, die wirtschaftliche Stabilisierung und die Rückkehr der Geflüchteten. Doch der Weg dorthin bleibt lang und voller Hürden.

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