Vom 15. bis 25. Februar fand die Berlinale statt. Bereits im Vorfeld gab es einen großen Aufreger über das internationale Filmfestival: Zur Eröffnungsfeier wurden fünf AfD-Abgeordnete eingeladen, wie in den vorherigen Jahren auch. Und als ob man einen Grund bräuchte, warum man ausgerechnet nicht mit rechten Politikerinnen feiern sollte, gab es in diesem Jahr sogar noch mehr handfestes: Laut einer Recherche von CORRECTIV hatte sich ein Zusammenschluss aus AfD, der rechtskonservativen Werteunion, weiteren Rechtsextremen und Unternehmerinnen gegeben, die sich im November 2023 unter anderem über die Vertreibung von Millionen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte austauschten. Kristin Brinker, eine der eingeladenen Gäst*innen auf der Berlinale, nahm auch an diesem Treffen teil.
Es gab viel Protest von Filmschaffenden und die Berlinale reagierte. Sie lud die AfD-Politiker*innen wieder aus. Während der Berlinale gab es dann den einen oder anderen Pro-Demokratie-Protest auf roten Teppichen, auch Statements zum vierten Jahrestag des Anschlags in Hanau, aber weitere Aufreger blieben aus. Bis zur großen Preisverleihung: Ein von Menschen aus Palästina und Israel gemeinsam realisiertes Projekt, die Langzeitbeobachtung „No Other Land“ über die Zerstörung und Zwangsräumung des Ortes Masafer Yatta in der Westbank, gewann den Preis für den besten Dokumentarfilm der Berlinale.
Die Filmemacher Basel Adra und Yuval Abraham nahmen den Preis entgegen und sprachen sich für ein Ende der Besatzung aus, für einen Waffenstillstand, für Frieden. Auch weitere Preisträger*innen machten Gebrauch von dieser großen Plattform in Berlin und sprachen sich für ein Ende des palästinensischen Leids aus. Unter ihnen war auch die französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop, die mit „Dahomey“ den Goldenen Bären für den besten Film im Wettbewerb gewann.
Aber das alles passte einigen überhaupt nicht, wie zum Beispiel der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die übrigens noch ein paar Wochen zuvor die Einladung der AfD-Politiker*innen verteidigt hatte. In einem Statement nach der Preisverleihung stellte sie klar, dass sie nur für den Israeli Yuval Abraham, nicht aber für den Palästinenser Basel Adra geklatscht hatte. Auch der Bürgermeister und der Kultursenator von Berlin, Kai Wegner und Joe Chialo, waren empört über die Worte der verschiedenen Filmemacher.
Sie alle deuteten die diversen Reden als antisemitisch. Weil man sich in Deutschland nicht für Frieden aussprechen kann, scheint es. Weil Israel alles richtig mache. Weil die Hamas an allem Schuld sei. Waren vielleicht die silbernen und goldenen Bärenstatuen auch von der Hamas gesponsert?
Yuval Abraham, der in seiner Rede über die Ungleichheit der Lebensrealitäten von Israelis und Palästinenser*innen sprach und über Privilegien, die er gegenüber seinem Kollegen Basel Adra hat, bekam nach dem Abend Morddrohungen. Wie konnte er es auch nur wagen, sowas zu sagen, ohne sich einmal klar und deutlich von der Hamas zu distanzieren oder an die israelische Geisel zu erinnern (hatte er übrigens schon vor der Preisverleihung in einem Artikel für das +972 Magazine).
Ich hoffe, dass deutsche Politiker*innen sich jetzt darüber freuen, dass sie als nicht-jüdische Menschen auch mal einem jüdischen Israeli Antisemitismus vorgeworfen haben. Und auch dieses palästinensisch-israelische Kollektiv, welches um Verständigung bemüht ist, als antisemitisch geframed haben. Herzlichen Glückwunsch und herzlich willkommen in Deutschland.