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roots&reels #2: Palestinian Stories

In der zweiten Ausgabe von roots&reels, dem Newsletter zu Film und Fernsehen, schreibt Schayan über „Palestinian Stories“, eine Netflix-Kollektion von palästinensischen Werken.

roots&reels #2: Palestinian Stories

200 Meter – das ist die Entfernung zwischen Mustafa und seiner Familie. Die israelische Grenzmauer trennt die beiden voneinander, sie sehen sich meist nur über ihre Balkone. Obwohl Mustafas Frau und drei Kinder die israelische Staatsbürgerschaft haben und er dadurch auch eine beantragen könnte, weigert er sich, als Palästinenser diesen Weg zu gehen. „Ich möchte keinen israelischen Ausweis!“, erwidert er eines Tages, als seine Frau ihn darauf anspricht. So bleibt es nur bei traurigen Telefonaten oder bei gelegentlichen, zeitlich begrenzten Besuchen.

Eines Tages bekommt Mustafa einen Anruf. Sein Sohn hat sich verletzt und ist im Krankenhaus. Jetzt muss er dringend für seine Familie da sein. Doch sein Passierschein ist abgelaufen. Wie kommt er jetzt an der harten Grenzkontrolle vorbei? Hier verwandelt sich der Film vom banalen Alltagsdrama in ein spannendes Road Movie. Und die Entfernung zwischen Mustafa und seiner Familie weitet sich ins Unendliche aus.

Ameen Nayfeh ist mit „200 Meters“ ein bemerkenswerter Debütfilm gelungen, mit einer bemerkenswerten schauspielerischen Leistung von Ali Suliman in der Hauptrolle. Du solltest dir diesen Film auf jeden anschauen, wenn du auf einer nuancierten und menschlichen Art und Weise erfahren möchtest, was Palästinenser*innen in den illegal besetzten Gebieten permanent durchmachen müssen und wie Aktionen, die für uns so alltäglich erscheinen, hier eine ganz andere Dimension der Unterdrückung annehmen.

Der Film ist wie viele andere „Palestinian Stories“ auf Netflix verfügbar. Doch Achtung: Du solltest besser deine Spracheinstellungen auf Englisch umswitchen, es kann sein, dass die Filme in der deutschsprachigen Netflix-Version, trotz eines deutschen Netflix-Accounts, gar nicht angezeigt werden. Das war für viele der Fall, als Netflix diese Kollektion 2021 veröffentlichte.

Ein paar weitere Filme, die ich empfehlen kann, neben den vielen sehenswerten Kurzfilmen wie „The Crossing“, „A Drowning Man“, „The Present“ oder „Ave Maria“ ist „3000 Nights“ von Mai Masri. Masri ist eine Regie-Legende, unter anderem ist sie auch für ihren Dokumentarfilm „Children of Shatila“ über Kinder im libanesischen Geflüchteten-Camp Shatila bekannt. In „3000 Nights“ porträtiert Masri das israelische Gefängnissystem als einen weiteren Ort der Entmenschlichung palästinensischer Individuen.

Layal, gespielt von Maisa Abd Elhadi, wird verhaftet, nachdem sie sich weigert, gegen einen Jugendlichen auszusagen. Sie kennt diese Person gar nicht, hat ihr lediglich eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Dass diese Person im Visier der israelischen Justiz war, wusste sie nicht, als sie von A nach B gefahren ist. Und das bringt sie für acht Jahre hinter Gittern. Im Gefängnis erfährt sie, dass sie schwanger ist. Dieser Film beruht auf wahren Begebenheiten.

„3000 Nights“ funktioniert sehr gut als Double-Bill mit „Ghost Hunting“ von Raed Andoni. In diesem außergewöhnlichen Dokumentarfilm werden ehemalige palästinensische Gefangene gebeten, ihre Inhaftierung beziehungsweise Vernehmung durch die israelische Polizei nachzustellen und dadurch ihr Trauma einerseits wieder zu erleben, aber andererseits auch zu verarbeiten. Der Film ist in Teilen echt hart, aber auch absolut essentiell, wie ich finde, wie so viele in dieser Netflix-Kollektion, weil er aus einer dezidiert palästinensischen Perspektive heraus erzählt.

Eine Perspektive, die in Deutschland leider viel zu oft viel zu kurz kommt. Erst recht in Film und Fernsehen und überhaupt in den Medien. Habt ihr schon mal einen palästinensischen Film oder Filme mit palästinensischen Geschichten gesehen? Habt ihr eigene Empfehlungen? Oder habt ihr andere Filme in den letzten Wochen und Monaten gesehen, die ihr erwähnen möchtet? Schreibt mir, ich würde eure Tipps gerne in nächsten Ausgaben teilen.

Und ich weiß, dass ich in der letzten, der ersten Ausgabe von roots & reels geschrieben hatte, dass ab heute auch Rubriken wie „Streaming-Tipps“ oder „Gespräche mit Filmschaffenden“ erscheinen werden. Nun, alle genannten Filme sind auf einer Streaming-Plattform verfügbar. Den zweiten Punkt werde ich in der dritten Ausgabe nachholen – versprochen! Alle guten Dinge sind ja sowieso drei oder so. Danke für eure Geduld und fürs Lesen! Bis zum nächsten Mal.

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