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roots&reels #16: Die Hollywood-Maschinerie

In dieser Ausgabe von roots&reels schreibt Schayan über die „Hollywood-Maschinerie“: Filmemacher*innen mit asiatischem Background schaffen den Durchbruch – und werden direkt in den weißen Mainstream gesogen.

roots&reels #16: Die Hollywood-Maschinerie
Fotograf*in: Justin Aikin auf unsplash

Was haben Lee Isaac Chung, Chloé Zhao, Celine Song und Lee Sung Jin gemeinsam? Ja klar, das natürlich auch, aber ich meine etwas anderes. Diese talentierten Filmemacherinnen und Filmemacher mit asiatischen Wurzeln landen einen kritischen und halbwegs kommerziellen Erfolg mit einem Film, wo es in weiten Teilen um Herkunft, Identität und Repräsentation geht – und BOOM: Sie werden ein Teil der großen „Hollywood“-Maschinerie. Irgendwie deprimierend.

Bei Lee Sung Jin muss man natürlich etwas differenzieren: Hier geht es nicht um einen Kinofilm, sondern um die Netflix-Serie „Beef“. Jin hatte bereits für verschiedene amerikanische Serien geschrieben, bevor er letztes Jahr seinen Durchbruch als Creator von „Beef“ feierte, eine Geschichte zweier Menschen, die im Straßenverkehr aufeinandertreffen und die Kontrolle (über ihr Leben) verlieren. Die Serie wurde mit Preisen überhäuft und viele wünschten sich, dass die Story mit einer zweiten Staffel ähnlich weitergeht, mit ähnlichen Charakteren aus verschiedenen asiatischen Communities in Los Angeles.

Doch in der Ankündigung für die zweite Staffel von „Beef“ sind nicht mehr Hauptdarsteller*innen mit koreanischen oder chinesischen Backgrounds wie Steven Yeun oder Ali Wong zu finden, sondern eher Namen wie Anne Hathaway oder Jake Gyllenhaal (inzwischen wurden die beiden ersetzt durch Oscar Isaac und Carey Mulligan).

Ich war überrascht, wer hinter der Kamera steht

Steven Yeun spielt auch den Protagonisten in Lee Isaac Chungs rührender Geschichte „Minari“ über koreanische Einwanderer im Minnesota der 1980er, die versuchen, sich mit ihrer Farm eine Existenz aufzubauen. Ich war sehr gespannt, was Chung als Nächstes macht, weil „Minari“ für mich zu einem der besten Filme des Jahres 2020 gehörte (Tu dir den Gefallen, falls du den Film noch nicht gesehen hast – der Film ist auf WOW Sky verfügbar). Wie feinfühlig und sensibel Chung diese Familiengeschichte erzählt, ist brillant.

Ich war also mehr als überrascht, als ich letzte Woche „Twisters“ im Kino gesehen und festgestellt habe, wer hinter der Kamera steht. „Twisters“ ist ein gewaltiger Sommer-Blockbuster über Sturmjäger (allen voran Glen Powell und Daisy Edgar-Jones), also Menschen, die freiwillig Wirbelstürme hinterherfahren, um sie zu dokumentieren oder auszulöschen. Gute Besserung erstmal an dieser Stelle an alle Beteiligten.

Dass der Film sehr unterhaltsam und für einen Action-Thriller mit Horror-Elementen auch handwerklich sehr gut gemacht ist, das sei mal dahingestellt. Dass Lee Isaac Chung als Follow-up zu Minari für so einen Film von Hollywood „abgeworben“ wird, ist bezeichnend. Auch Chloé Zhao, die eher für stille, einfühlsame Streifen bekannt gewesen ist, wurde nach ihrem Oscargewinn für „Nomadland“ direkt in die „Marvel“-Riege katapultiert und drehte mit „Eternals“ einen Superheldenfilm. Einen Superheldenfilm! Damit hätten die wenigsten gerechnet.

Was ist das Problem?

Und Celine Song, die letztes Jahr mit „Past Lives“ eine sehr persönliche Geschichte über Liebe und Beziehungen erzählt hat, in der es unter anderem um Migration und Sprache geht, um Korea und Amerika … diese Celine Song dreht nun einen Film mit Dakota Johnson und Chris Evans.

Was ist eigentlich das Problem? Gibt es überhaupt eins? Natürlich nicht wirklich. In erster Linie meckere ich auf hohem Niveau. Ein Film sollte für sich stehen und wenn dieser gut wird, wie bei „Twisters“ zum Beispiel, dann sollte es natürlich gar keine Rolle spielen, dass junge, talentierte Filmemacher*innen mit asiatischen Wurzeln zu weniger familiären Genrefilmen umswitchen. Auch bei solchen Filmen ist es ja durchaus möglich, eine individuelle Handschrift aufzudrücken.

Doch für Zuschauende kann es kleines bisschen frustrierend sein, dass eben diese Regisseure in Hollywood „ankommen“ und paar Jahre später einen Film drehen, wo die Geschichte belanglos ist und auch der Cast ein komplett anderer, mit Protagonisten, die zum Beispiel weißer und berühmter sind. Was überhaupt kein Kritikpunkt an diese Schauspieler ist, sondern eher eine Kritik an schwindende Möglichkeiten für asiatische Schauspieler*innen in den USA.

Übrigens: „Everything Everywhere All At Once“ von Daniel Kwan und Daniel Scheinert, die Science-Fiction-Komödie über asiatisch-amerikanische Identität mit Michelle Yeoh, Ke Huy Quan und Stephanie Hsu, ist bis Anfang August in der ARD-Mediathek verfügbar. Danke an dieser Stelle an den besten Filmclub der Welt, wo solche wichtigen Infos geteilt werden.

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