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roots&reel #4: Elaha

In roots&reels schreibt Schayan über das neueste auf der Leinwand. Diesmal geht es um „Elaha“, den aktuellen Film von Milena Aboyan. Außerdem: ein Interview mit Fitore Muzaqi.

roots&reel #4: Elaha

Elaha, eindrucksvoll gespielt von Bayan Layla, tanzt unbekümmert auf einer kurdischen Hochzeit. Sie tanzt und tanzt mit ihrem Verlobten, die beiden packen ihre wildesten Moves aus. Als sie sich nach kurzer Zeit hinsetzt, wird sie von ihrer Mutter ermahnt. Sie soll sich doch bitte beherrschen und anständig sein.

Diese anfängliche Szene aus „Elaha“, dem Debütfilm der Regisseurin Milena Aboyan, setzt den Ton für die nächsten zwei Stunden. Für wen leben Frauen eigentlich in patriarchalen Strukturen? Wer bestimmt ihr Leben? Und wie können sie sich davon befreien, ohne – wohlgemerkt – gegen ihre Familie zu gehen?

Mich hat dieser Film wirklich beeindruckt. Zum einen aufgrund der unglaublich starken und mutigen Performance von Bayan Layla in der Hauptrolle. Ich hatte sie überhaupt nicht auf dem Schirm und hier liefert sie die schauspielerische Leistung des Jahres, zumindest im deutschen Film. Zum anderen haben mir die vielschichtige, differenzierte Erzählweise und das kluge Drehbuch gefallen. Milena Aboyan kommt gut ohne Kino-Klischees aus, weil sie, das behaupte ich jetzt einfach mal, nicht daran interessiert ist, eine ganze Kultur zu verteufeln. Vielmehr wünscht sie sich eine Auseinandersetzung mit Denkweisen, Systemen und eben dem Patriarchat, unter dem Frauen wie Elaha leiden, klar, aber auch Männer, die ihre Männlichkeit beweisen müssen.

Die Themen dieses Filmes werden normalerweise mit einer Art Hysterie und Überemotionalität behandelt. Eine junge Frau steht kurz vor ihrer Hochzeit und muss ihre Unschuld wiederherstellen. Hier ist es aber eine feinfühlige, kultursensible Charakter- und Milieustudie geworden. Ich bin gespannt, was Milena Aboyan als Nächstes machen wird. „Elaha“ ist ab heute im Kino zu sehen.

Im Spotlight: Fitore Muzaqi

Hey Fitore, stell dich bitte einmal kurz vor.

Ich bin deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin mit Migrationsbiografie. Meistens erzähle ich noch dazu, dass ich Hauptschülerin war, weil ich bei Treffen der Filmbranche fast immer die einzige mit einer solchen Laufbahn bin. Früher habe ich mich dafür geschämt, heute bin ich aber froh darüber, meine Geschichte erzählen zu können. Indem ich zu meinem Werdegang stehe, kann ich hoffentlich für andere Menschen mit wenigen Privilegien ein Role Model sein.

Was sind deine Themen als Autorin?

Meine Themen, die ich als Autorin und Regisseurin erarbeite, drehen sich fast immer um Migrationsbiografien, Klassismus, Rassismus, Feminismus oder auch ganz einfach Ungleichheit. Ich bin mit meiner Familie vor dem Kosovo-Krieg geflohen. Wir haben nicht nur alles verloren, sondern sind auch noch ohne Ressourcen in Deutschland gelandet. Wir konnten die Sprache nicht und kannten auch das System nicht.

Ich glaube, dass das einer der Gründe ist, weshalb meine Geschwister und ich direkt auf die Hauptschule geschickt wurden. Wir haben uns danach durchgekämpft, unser Abitur gemacht und studiert. Aber erstmal mussten wir auf die Hauptschule und das ist eine Ungerechtigkeit neben dem Verlust unserer Heimat, die mich mein Leben lang begleitet hat und begleiten wird.

Warum Film?

Ich wollte schon Filme machen, seitdem ich als Kind die erste Kamera in der Hand gehalten habe. Das ist eine Welt, in die du gut flüchten kannst, wenn die Realität zu viel wird, in der du aber auch eine verlorene Sprache in Bilder und Worte übersetzen kannst. Aber um in die Filmbranche reinzukommen, musste ich viele Umwege gehen und mir als Migrantin und als Frau meinen Weg hart erkämpfen. Ich würde sagen, dass ich resilient bin und das meine Themen auch umso stärker macht.

Woran arbeitest du gerade?

Gerade arbeite ich mit der Kölner Produktionsfirma eitelsonnenschein an meiner Serie FRIED DREAMS, aber auch an weiteren Stoffen. Dieses Jahr wurde der Kurzfilm TURTLE & ALBION von der Film- und Medienstiftung gefördert – mein erstes gefördertes Projekt – zu dem Malte Vogt das Drehbuch geschrieben hat und bei dem ich Regie führen werde. Nächstes Jahr steht auch ein Highlight für mich an: Ich werde meine eigene Produktionsfirma gründen. Das ist eine Arbeit, die schon einige Jahre auf mich gewartet hat und jetzt in die Realität umgesetzt wird. Darauf freue ich mich sehr.

Was wünschst du dir für die Filmbranche?

Am meisten wünsche ich mir Zusammenhalt, Vielfalt und Verständnis. Das kann nur durch Dialog passieren und für diesen Dialog setze ich mich gerne ein.

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