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roots & reels #12 : Wie lang ist der perfekte Film

Im Newsletter „roots&reels“ schreibt Schayan über alles zum Thema Kino, Film und Fernsehen. Dabei stellt sicht die Frage: Wie lang sollte ein Film sein? Ausschweifende Erzählung oder lieber kurz und auf den Punkt? Dazu gibt es einige Empfehlungen.

roots & reels #12 : Wie lang ist der perfekte Film

Wie lang sollte ein Film im Idealfall sein? Unter 90 Minuten? Oder genau 90 Minuten? Vielleicht doch eher zwischen 100 und 120 Minuten? Oder 180, nein, 240 Minuten??? Diese Frage ist vielleicht etwas unnötig. Ein Film sollte eben so lang sein, wie lang er sein muss. So lang wie das Drehbuch vorgibt, so lang wie der Regisseur für seine Vision benötigt (hier habe ich bewusst gegendert, Männer lieben es, lange Filme zu drehen).

Auch wenn ich persönlich froh bin, wenn alles in anderthalb Stunden oder noch kürzer erzählt wird, habe ich nichts dagegen, wenn eine Geschichte drei oder vier Stunden braucht. Wenn mir von der ersten Sekunde an das Gefühl vermittelt wird, dass sich hier Zeit genommen wird. Und du? Magst du eher kurze oder lange Filme?

Zum Thema Männer noch eine kleine Anmerkung: Das war natürlich Quatsch. Der vermeintlich beste Film aller Zeiten, der alle 10 Jahre durch das renommierte Filmmagazin „Sight and Sound“ ausgezeichnet wird, ist „Jeanne Dielman“ der belgischen Filmemacherin Chantal Akerman. Das Drama geht stolze 201 Minuten. Und drei der bekanntesten weiblichen Filmschaffenden in Indien, Zoya Akhtar, Farah Khan Kunder und Meghna Gulzar, produzieren regelmäßig Filme, die die 2,5- bis 3-Stunden-Marke knacken. Gut, Indien ist ein Fall für sich, dort gehen die Streifen so oder so sehr lang. Man hat sogar Glück, wenn man in 2 Stunden fertig ist.

Der Grund, weshalb ich über die Länge von Filmen so im Detail nachdenke, ist unter anderem wegen ALFILM, dem arabischen Filmfestival in Berlin. Darüber hatte ich ja bereits in der vorherigen Ausgabe von „roots & reels“ geschrieben. Doch in dieser wurde nicht erwähnt, dass ich mir während des Festivals auch noch „The Gate of Sun“ (Bab el shams) des ägyptischen Regisseurs Yousry Nasrallah angeschaut hatte.

Dieser Film gilt als Meisterwerk des arabischen Kinos und ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Elias Khoury (als „Das Tor zur Sonne“ auch auf Deutsch erhältlich). Geschildert wird eine Familiengeschichte von der Nakba in 1948 bis hin zu den Unruhen der 90er Jahre (und schaut man sich die heutige Nachrichtenlage in Palästina an, dann merkt man, wie aktuell dieser Film von 2004 ist).

Ich konnte zum Glück beide Teile des Films sehen, die letztes Jahr vollständig restauriert wurden, The Departure sowie The Return. Der erste Teil geht 135 Minuten, der zweite Teil einen Tick länger mit 143 Minuten. Somit waren wir schon bei über 4,5 Stunden! Was ich aber sagen will und das ist eigentlich das Wesentliche: Es hat sich zu keinem Zeitpunkt danach angefühlt.

Nasrallah ist so ein begnadeter Geschichtenerzähler, „The Gate of Sun“ so lebendig und schwungvoll inszeniert, mit all der Freude und Trauer der Materie. Einige 90-Minüter, ich werde hier keine Namen nennen, fühlen sich vergleichsweise länger an. Das ist sehr bemerkenswert. Ich hoffe, dass es nicht bei dieser einen Sonderveranstaltung in Berlin bleiben wird, sondern dass es in Zukunft weitere Screenings von diesem wichtigen und zeitgemäßen Film geben wird.

BINGE-WATCHING: MINISERIEN

Spricht man über Längen von Filmen, dann dürfen Miniserien natürlich nicht vergessen werden. Im Zeitalter des Binge-Watchings (befinden wir uns eigentlich immer noch in diesem Zeitalter?) ist es ja nicht unüblich, dass 6 bis 8 Folgen einer neuen Serie in einem einzigen Zug geguckt werden. Ich selbst habe das jüngst getan, bei der Netflix-Produktion „Baby Reindeer“ zum Beispiel. Aber auch „Ripley“ und „Heeramandi“ (auch beide bei Netflix) hatte ich jeweils in zwei, drei Tagen durch, „Mr & Mrs Smith“ (Prime) sogar in einer Nacht – ich bin nicht stolz drauf.

Es gibt Memes und Witze darüber, wie Menschen, die sich vor langen Filmen scheuen, überhaupt kein Problem damit haben, mehrere Folgen einer Serie am Stück wegzubingen. Ich bin kein Psychologe und kann an dieser Stelle leider nicht sagen, woran das liegt, aber es ist trotzdem ein interessanter Aspekt der Frage, wie lang ein Film sein darf, oder noch genauer: Wie lange braucht es, eine gute Geschichte zu erzählen? Es gibt übrigens Menschen, die lange Filme, wie etwa „Killers of the Flower Moon“ von Martin Scorsese, wie eine Miniserie schauen, diesen also in mehrere Teile zerstückeln und über ein paar Tage gucken. Ich möchte nicht daran denken …

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