Auf meiner Facebook-Startseite sah ich letzte Woche einen Artikel von RTL, in dem über die Ramadan-Beleuchtung in Frankfurt berichtet wurde. Am Ende des Artikels holte sich RTL eine Community-Reaktion durch eine Frage ein: „Was haltet ihr von der Ramadan-Beleuchtung in Frankfurt?“. Mit einem Umfragetool konnten die Nutzer*innen nur zwischen „Finde ich gut“ oder „Ich halte das für falsch“ wählen. Bis Donnerstagabend hatten mehr als 2490 Menschen teilgenommen. Das Urteil: 81 % halten die Ramadan-Beleuchtung für falsch.
Am zehnten März wurden in der Innenstadt von Frankfurt Lichterketten, Sterne und Halbmonde mit dem Schriftzug „Happy Ramadan“ aufgestellt. Frankfurt soll somit die erste Stadt in Deutschland sein, die den Ramadan ganz offiziell feiert. In Köln ist ebenfalls eine Straße beleuchtet, allerdings finanziert durch einen privaten Verein. Frankfurts Bevölkerung besteht nach Recherchen aus unserer aktuellen Printausgabe (hier zu bestellen) zu etwa 30,9 % aus Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Laut der Frankfurter Rundschau leben dort mehr als 150.000 Muslime, also etwa ein Viertel aller Einwohner*innen.
Dieses Thema wurde in den sozialen Medien in den letzten Tagen bereits ausgiebig diskutiert. Meine Frage ist jedoch: Warum sollte ich, der in Hamburg lebt, entscheiden, was in Frankfurt angemessen ist? Das ist genauso, als würde ich meine Meinung darüber äußern, ob in Gelsenkirchen ein neuer Kindergarten eröffnet werden sollte. Das geht mich schlichtweg nichts an.
Das Problem ist, dass alle Themen, die mit Migrantinnen und Geflüchteten zu tun haben, instrumentalisiert und somit überregional werden. Rechte Akteure nutzen diese Themen, um ihre Meinung zu verbreiten und ihre Position zu stärken. Im Netz entsteht schnell der Eindruck, dass sie die Mehrheit bilden. Das ist auch in Köln passiert, wo der Muezzinruf einmal pro Woche ertönen darf. Nur die Kölner hören diesen Muezzin, aber alle Menschen, auch aus kleinen Dörfern in Norddeutschland, äußerten sich dazu und wollten mitreden, obwohl es sie gar nicht betrifft. Laut domradio gab es nach einem halben Jahr keine Beschwerden seitens der Anwohnerinnen.
Inzwischen hat RTL die Frage verändert: „Finden Sie die Ramadan-Beleuchtung in deutschen Innenstädten gut?“ und die Antwortmöglichkeiten sind „Ja, der Islam gehört zu Deutschland“ und „Nein, das finde ich unpassend“. Fast 50.000 Menschen haben inzwischen geantwortet, 93 % von ihnen finden die Beleuchtung unpassend. Vielleicht, weil sie nicht an schön geschmückten Innenstädten interessiert sind oder weil sie finden, dass Muslime immer noch Fremde sind, obwohl sie seit vielen Jahrzehnten in Deutschland leben.
Am Ende ist es für viele Muslime sehr schön, dass Frankfurt endlich mit ihnen den Ramadan feiern möchte. So wird nicht die deutsche Gesellschaft islamisiert – sondern der Ramadan almanisiert.
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