Seit gestern hat die deutsche Regierung dem Schengen-Abkommen eine sechsmonatige Pause erteilt, es wird an den Grenzen zu Deutschland wieder „stichprobenartig“ kontrolliert. Deutschland ist nicht das erste Land in Europa, das wieder Grenzkontrollen einführt, und die aktuelle Entscheidung ist nicht das erste Mal: 2015 wurden Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich eingeführt, seit Oktober 2023 gibt es Kontrollen auch an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Schweiz und Frankreich. Seit gestern sind Kontrollen auf alle Deutschlands Landesgrenzen aus, also auch zu Belgien, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden.
Laut Schengen-Abkommen sollten Grenzkontrollen eigentlich das letzte Mittel sein und dürfen für maximal sechs Monate eingeführt werden. Ich finde es erstaunlich, dass die deutsche Regierung diese Entscheidung jetzt getroffen hat. Besonders seit dem Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine sprechen wir darüber, dass wir auf europäischer Ebene mehr Zusammenhalt und Kooperation brauchen. Die deutsche Entscheidung wird in vielen europäischen Ländern kritisch gesehen. Der stellvertretende polnische Außenminister sagte dem Stern Magazin, dass die deutschen Grenzkontrollen das „Ende des Geistes von Schengen“ seien.
Die Bundesregierung argumentiert aber, dass diese Kontrollen notwendig sind, um irreguläre Migration, Schleuserkriminalität und den islamistischen Terror zu bekämpfen. Das sind alles ernste Probleme, ich möchte sie nicht kleinreden. Ich frage mich nur, ob stichprobenartige Kontrollen (über lückenlose Kontrollen hat die Gewerkschaft der Polizei gesagt, diese seien „schier unmöglich“) als Maßnahme effektiv sind, oder ob sie vor allem symbolischer Natur sind, um politische Härte zu signalisieren.
Von wirtschaftlicher Seite werden die Bedenken bereits laut. Vertreter der Logistik- und Speditionsbranche sehen die Kontrollen als Belastung für den Warenverkehr und für das Funktionieren des Binnenmarkts. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass diese Maßnahmen – obwohl sie sicherheitspolitisch gerechtfertigt sein können – mehr schaden als nutzen, insbesondere für die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der EU. Grenzkontrollen setzen ein negatives Signal und öffnen die Tür zu einer Regression, die zu nationalistischen Tendenzen führt.
Aber die Bundesregierung ist unter Druck. Oppostionsführer Friedrich Merz (CDU) hat öffentlich nochmals bekräftigt, dass er nur Zurückweisungen an den Grenzen für effektiv hält. Die Debatte wird also höchstwahrscheinlich weitergehen … aber bis wann? Bis kein einziger Mensch mehr in Deutschland Asyl beantragt? Sollten wir in dieser Debatte vielleicht kurz Pause machen und uns fragen, wo wir eigentlich hinsteuern?
Ich freue mich auf deine Meinung zu diesem Thema.
Liebe Grüße
Hussam
Gründer und Chefredakteur
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