„Überall, wo ich die Kraft aufbringen kann, versuche ich, widerständig gegenüber der ungerechten Struktur zu sein, die mir begegnet. Egal ob es bei der Arbeit, in der Wissenschaft oder während einer Bahnfahrt ist.“ Naz Al-Windi, 26, aus Hamburg, ist Politikwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt dekoloniale Theorien. Neben ihrer Arbeit in einer Hamburger Stiftung setzt sie sich als politische Bildnerin mit den Themen Kolonialität, Antirassismus und rechter Gewalt in der Bundesrepublik auseinander.
Motiviert von ihrem Wunsch, „eine Sprache für die Ohnmacht, Frustration und Wut zu finden, die mich als Kind von geflüchteten Menschen begleiten“, konzentriert sie sich auf die Förderung innovativer Lehrprojekte an Hochschulen. Sie setzt sich aktiv dafür ein, „Orte und Strukturen zu dekonstruieren, die kontinuierlich Gewalt und Verletzungen hervorbringen“. In ihrer Rolle als politische Bildnerin versucht Naz, „die Mechanismen sichtbar und besprechbar zu machen, die das Leben von migrantischen, nicht-weißen und Schwarzen Menschen in Deutschland erschweren“.
„Widerstand und Rebellion“ sind ihre Leitmotive, die sie antreiben, aktiv gegen ungerechte Strukturen vorzugehen. Sie betont: „Ich glaube, dass wir der Passivität entkommen müssen, in der wir durch unseren Alltag und unsere Trägheit fixiert sind. Die Vorstellung einer anderen Welt, in der weniger Verletzung existiert, treibt mich an.“
Gewinn und Verlust
„Manchmal trauern meine Eltern noch einem potenziellen Medizinstudium hinterher, aber die Entscheidung, Politikwissenschaft zu studieren und den Fokus dabei auf die Geschichten und Realitäten des Globalen Südens zu legen, haben sie immer unterstützt. Grundsätzlich finde ich bei meinen Eltern Unterstützung, Halt und Rat.“
Als Kind von Eltern mit Fluchterfahrung reflektiert Naz die Gewinne und Verluste durch die Flucht nach Deutschland. Dazu gehört auch der Verlust ihrer Muttersprache. „Ich bin als Kind von geflüchteten Menschen nach Deutschland gekommen. Aufgewachsen in einem Viertel mit einem extrem hohen Ausländeranteil, fiel mir meine ’Andersartigkeit’ erst in der Jugend auf. Häufig denke ich darüber nach, was ich durch die Flucht nach Deutschland gewonnen habe, und genauso häufig darüber, was mir durch das Leben in Deutschland genommen wurde, zum Beispiel meine Muttersprache, die ich zwar beherrsche, aber nur mit einem hörbaren deutschen Akzent.“
In öffentlichen Diskussionen zu Flucht und Migration vermisst sie „einen menschlichen Zugang, der nicht Menschen zu Zahlen rationalisiert.“ Seit sechs Wochen organisiert Naz gemeinsam mit anderen engagierten Hamburgerinnen Demonstrationen, um auf „die katastrophale Lage in Gaza“ aufmerksam zu machen. „Die Unterdrückung von Menschen, egal ob Kurdinnen, Uigurinnen oder Palästinenserinnen, wird immer ein Grund für mich sein, zu protestieren und mich aufzulehnen.“ Dabei betont sie die Bedeutung, den Protest auch auf die Straße und in physische Räume zu bringen und sich nicht auf Instagram-Posts auszuruhen.
„Alle anderen, die vor uns gekämpft haben“, motivieren sie, weiterzukämpfen. „Ich finde es wichtig zu verstehen, dass unsere Kämpfe, unsere Wut und unsere Trauer weder einzigartig noch isoliert sind, sondern in einer Tradition stehen von Menschen, die vor uns existiert haben und dasselbe Gefühl haben. Es sind Erzählungen von Auflehnung und Befreiung, die mir Hoffnung und Visionen geben“, sagt sie.
Veränderung ist möglich
Ein Zitat von James Baldwin begleitet sie seit vielen Jahren: „You think your pain and your heartbreak are unprecedented in the history of the world, but then you read. It was Dostoevsky and Dickens who taught me that the things that tormented me most were the very things that connected me with all the people who were alive, or who ever had been alive. Only if we face these open wounds in ourselves can we understand them in other people.“
Auf Deutsch: „Du denkst, dass dein Schmerz und dein gebrochenes Herz in der Geschichte der Welt beispiellos sind, aber dann liest du. Es waren Dostojewski und Dickens, die mich lehrten, dass die Dinge, die mich am meisten quälten, genau die Dinge waren, die mich mit allen Menschen verbanden, die lebten oder jemals gelebt hatten. Nur wenn wir uns diesen offenen Wunden in uns selbst stellen, können wir sie in anderen Menschen verstehen.“
In einer Welt, die von Naz Al-Windi mit Entschlossenheit und einem klaren Streben nach Gerechtigkeit geprägt wird, bleibt ihre Vision einer besseren Zukunft fest verwurzelt. Naz Al-Windi setzt sich unermüdlich als politische Denkerin ein und forscht intensiv, um Gewalt verursachende Strukturen zu durchbrechen – ein lebendiges Zeugnis für ihre Hingabe an die Sache.
Ihre Standhaftigkeit und ihr Engagement für eine Welt des Respekts, der Gleichheit und des Verständnisses hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck. Naz Al-Windi erinnert daran, dass Veränderung möglich ist, wenn wir gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen.