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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Pedro Torres über den künstlerischen Ausdruck

„Mein Antrieb ist die Neugierde.“ Für Pedro Torres (42) steht der künstlerische Ausdruck im Vordergrund. Er wird in Chile geboren und wächst dort auf. Nun lebt er seit 2015 in Deutschland. Er arbeitet selbstständig als Food Stylist und versucht, der künstlerischen Seite in seinem Leben mehr Raum zu

Pedro Torres über den künstlerischen Ausdruck

Bevor Pedro Torres nach Deutschland kommt, lebt er in Neuseeland, wo er als privater Koch arbeitet. Mit dem Umzug nach Deutschland entscheidet er sich dazu, es als Selbstständiger zu versuchen und findet seinen Platz als Food Stylist in der deutschen Werbeindustrie. „Food Styling ist wie Make-up für Essen“, sagt Pedro. Er ist dafür zuständig, dass das Essen in Werbefilmen und Kochbüchern besonders schmackhaft aussieht. Food Styling ist eine Nische. Hamburg, wo Pedro inzwischen lebt, ist glücklicherweise einer der großen Industrie-Standorte in Deutschland für die Werbeindustrie und deshalb läuft es bisher ganz gut.

Dadurch, dass er selbstständig arbeitet und keine normale Arbeitswoche von Montag bis Freitag hat, haben sich an anderen Stellen Freiräume ergeben, die er für seine kreativen Projekte nutzt. In Deutschland entdeckt Pedro zum ersten Mal das Konzept des „Hobbys“. Dass es überhaupt möglich und akzeptiert ist, etwas zu tun, was weder mit Arbeit noch mit Familie noch mit Gesundheit zu tun hat, das kommt ihm vorher gar nicht in den Sinn. „Hobby ist Zeit für dich“, erkennt er.

Mit seinem Einzug in ein Künstlerhaus in Hamburg, wo er mit anderen Künstlerinnen zusammenwohnt, ergeben sich für ihn neue Möglichkeiten. Er lernt andere Menschen mit ähnlichen Interessen kennen und gibt sich mehr und mehr Raum für die eigene künstlerische Entfaltung, er probiert sich aus und experimentiert mit verschiedenen Kunstformen. Es ergeben sich neue Projekte, neue Möglichkeiten. Er trifft auf eine Gruppe von anderen Musikerinnen aus Südamerika und gemeinsam gründen sie „El Satánico Cumbión“, eine Band, die vorrangig Cumbia spielt. Cumbia ist eine Musikform, die aus den verschiedenen südamerikanischen Ländern kommt und dort traditionell gespielt wird.

„Ich bin ein bisschen schüchtern, es ein Business zu nennen“

Über die Band lernt er auch Lucia Heffner kennen, mit der er ein Modelabel, „Cumbia Prints“, gründet. In einer offenen Siebdruckwerkstatt drucken sie ihre eigenen Designs auf T-Shirts und bieten dazu Workshops an. Bald schon kommen die ersten Aufträge rein, von einem befreundeten Restaurantbesitzer oder einem Musikfestival, die nach individuell gestalteten Designs und Drucken fragen. Das erste Mal macht Pedro die Erfahrung, dass ein Hobby auch Geld einbringen kann. „Ich bin ein bisschen schüchtern, es ein Business zu nennen“, sagt er, aber zumindest muss er nicht auf seine Ersparnisse zurückgreifen, um das Hobby am Laufen zu halten.

Pedro wird nicht müde, neue Projekte zu starten und Neues auszuprobieren. Vieles bringt er sich autodidaktisch bei. „Alles, was man heute dafür braucht, Neues zu lernen, ist ein Computer und Zugang zum Internet. Über YouTube zum Beispiel hat man einfach Zugang zu einer Vielzahl an Informationen und es gibt so viele Möglichkeiten, etwas Neues zu lernen.“

Pedro schätzt sich glücklich, dass er inzwischen die finanziellen Ressourcen hat, sich entsprechende Materialien zu besorgen, wie einen Synthesizer oder ein Keyboard für elektronische Musik, und so kommt dann eins zum anderen. „Wenn du die Neugierde hast und die Materialien, dann kannst du einfach damit anfangen, neue Dinge zu lernen. Mein Antrieb ist die Neugierde. Allgemein würde ich sagen, dass ich eine recht neugierige Person bin und jedes Mal, wenn Neugierde in mir aufkommt, dann ist da wie so ein kleines Funkeln in mir drin und dann muss ich einfach herausfinden, wie etwas funktioniert.“

Wie lange kann man schon mit seiner Mutter am Telefon sprechen?

Auf die Frage, woher er die Energie für so viele verschiedenen Projekte nimmt, muss Pedro schmunzeln. Gerade ist er auf Familienbesuch in Chile und da ist ihm der Unterschied zu seinem Alltag in Deutschland wieder besonders bewusst geworden. In Chile ist jeder Sonntag gefüllt mit Familienbesuchen hier und Familienbesuchen dort. Und diese ganzen Verpflichtungen, die er in seiner Heimat hat, die fallen dann in Deutschland weg.

Natürlich telefoniert er mit seiner Familie mal, aber das ist eine ganz andere Art der Kommunikation. Denn wie lange kann man schon mit seiner Mutter am Telefon sprechen? Maximal eine Stunde, findet Pedro. „Wenn du in der Umgebung bleibst, in der du aufgewachsen bist, dann hast du einfach ein riesiges Netzwerk aus Leuten um dich herum. Aber wenn du ein Migrant wirst, dann ändert sich das alles.“

Auch wenn Pedro seine Familie manchmal vermisst, kommt er in Deutschland gut zurecht. „Ich habe mich selbst dazu entschieden, aus Chile zu emigrieren. Das ist ein großer Unterschied zu vielen anderen, die flüchten mussten.“ Seine persönliche Motivation treibt ihn dazu an, die Welt zu entdecken und dabei Lebensrealitäten zu finden, die zu ihm passen.

Alle diese Schritte geht er bewusst, und so lernt er über die Zeit, sich von den Dingen zu verabschieden. Jedes Mal, wenn er jetzt in ein anderes Land, eine andere Stadt umzieht, dann versucht er, das Alte zurückzulassen und sich den neuen Ort zu seinem Zuhause zu machen. Dinge, die es an dem neuen Ort dann nicht mehr gibt, versucht er, irgendwie zu ersetzen.

Zum Beispiel gibt es in Neuseeland nicht das gute „Pan Amasado“, ein chilenisches Weißbrot, das man traditionell zum Abendbrot isst, dafür aber „Mince Pies“, mit Früchten und Nüssen gefüllte Teigtaschen, die er kennen und lieben lernt. Und in Deutschland wiederum gibt es weder „Pan Amasado“ noch „Mince Pies“, aber dafür viele andere spannenden Brotsorten, und das lässt sich für Pedro auch auf Familie und Freund*innen übertragen. So macht er sich die Ferne zur Heimat.

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