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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Nissar Gardi – empower für Gerechtigkeit

Nissar Gardi ist die Co-Gründerin und Leiterin des seit 2015 bestehenden Projekts empower: eine Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie bietet vertrauliche, kostenlose und mehrsprachige Unterstützung und Beratung für Betroffene sowie deren Angehörige, Fr

Nissar Gardi – empower für Gerechtigkeit
Fotograf*in: privat

„Meine Familie war schon immer im Widerstand und in Solidarität verwurzelt“, erzählt Nissar Gardi. Nissar, die in den 1990er-Jahren aus Kurdistan nach Deutschland kam, trägt ihre Erfahrungen von Widerstand und Solidarität in ihrer Arbeit. Ihre politische Haltung wurde besonders durch Ereignisse wie die NSU-Morde, Mölln und Solingen sowie durch die zunehmende Verbreitung rechter Ideologien in den 2000er-Jahren geprägt.

„Diese Ereignisse haben mich und meine Familie stark beeinflusst. Sie waren ein Wendepunkt in meiner politischen und persönlichen Entwicklung“, sagt Nissar. Schon früh in ihrer Jugend in Deutschland musste sie sich mit Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzen. „Ich war oft das einzige migrantische und muslimisch sozialisierte Kind in meiner Klasse. Das war nicht einfach, aber ich hatte auch Unterstützung von einzelnen Lehrkräften, die mich gefördert haben“, erinnert sie sich.

Ein Raum für Unterstützung und kollektives Empowerment

Diese frühen Erfahrungen führten sie auf den Weg des politischen Engagements, der sie später zu ihrer aktuellen Arbeit bei empower führte. „Wir haben 2015 mit empower angefangen. „Das Ziel ist es, Strukturen zu schaffen, in denen Betroffene die Unterstützung bekommen, die sie benötigen“, erklärt Nissar. Ihr Projekt ist heute ein wichtiger Anlaufpunkt für Opfer von rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt in Hamburg – einem Bereich, der angesichts des Anstiegs rechter Gewalt immer relevanter wird.

Die Arbeit von empower ist für Nissar eine Möglichkeit, die Erfahrungen aus ihrer eigenen Biografie mit der konkreten Arbeit für Betroffene zu verbinden. „Ich komme selbst aus einer Community-basierenden Perspektive und bin stark mit BIPoC-Communities vernetzt. Diese Verbindungen waren und sind entscheidend, damit Betroffene gut ankommen“, sagt sie. Doch auch wenn das Projekt mittlerweile immer weiter wächst und mehr Berater*innen eingestellt werden, ist der Bedarf weiterhin groß. Ebenso fügt sie hinzu: „Es gibt viele Communityorte und Institutionen, bei denen es wichtig wäre, dass wir dort vor Ort sein können. Es braucht also weiterhin die klare Entscheidung von Politik, Beratungsstellen langfristig und bedarfsgerecht zu finanzieren.“

In ihrer Arbeit betont Nissar stets die Bedeutung von Empowerment. Doch für sie bedeutet das nicht nur individuelle Stärkung. „Für mich ist Empowerment immer auch kollektiv. Es geht nicht nur um das individuelle Wohl, sondern auch um die Gemeinschaft. Es geht um Widerstand und um das Teilen von Ressourcen, Wissen und Unterstützung“, erklärt sie. Dieser kollektivistische Ansatz zeigt sich auch in ihrer Arbeit mit Menschen aus verschiedenen Communities und in ihren politischen Freundschaften.

Politische Prägung und persönliche Motivation

Als Migrantin erlebte Nissar in Deutschland früh Herausforderungen, ihre Identität in einem neuen Umfeld zu definieren. „In meiner Peer-Group hatten wir schon Worte für das, was uns begegnet ist. Ich wusste, dass 'Deutschsein' nicht einfach nur eine Frage der Herkunft ist“, sagt sie.

Diese frühen Erfahrungen haben ihre politische Haltung beeinflusst und ihre Fähigkeit, für Gerechtigkeit einzutreten, geprägt: „Was mich antreibt, ist ein starkes Gerechtigkeitsgefühl“, sagt Nissar. Diese Überzeugung zeigt sich nicht nur in ihrer Arbeit, sondern auch früh in ihrem persönlichen Engagement. „Als ich studiert habe, habe ich durch Seminare zu Rassismus und feministischen Perspektiven viele neue Wörter und Analysen für meine eigenen Erfahrungen gefunden. Das hat mich weiter politisiert und mir geholfen, zu verstehen, welche Perspektiven es für Empowerment gibt.“

Hoffnung durch Verbindung und Aktivismus

Die Herausforderungen, mit denen sie als Migrantin in Deutschland konfrontiert wurde, haben sie nicht nur geprägt, sondern auch motiviert, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen. „Es ist nicht einfach, aber wir müssen immer wieder daran glauben, dass es besser werden wird. Die Geschichte zeigt uns, dass Widerstand immer da war. Heute sind wir hier, weil andere für unsere Existenz gekämpft haben“, so Nissar.

Für sie ist es auch eine Quelle der Hoffnung, die Entwicklung in der Beratungsarbeit zu sehen. „Ich bemerke bei jüngeren Generationen, wie gut sie schon über Rassismus und Antisemitismus informiert sind. Das gibt mir Hoffnung, weil ich sehe, dass sich etwas verändert“, erklärt sie. Ihre Arbeit ist eine ständige Erinnerung daran, dass Veränderung zwar schwer, aber möglich ist – und dass jede*r einzelne und jede Gruppe etwas zur Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse beitragen kann.

Diese Erkenntnisse über die jüngeren Generationen und die Möglichkeit zur Veränderung sind für Nissar untrennbar mit dem Konzept des Empowerments verbunden. Das betont sie immer wieder. „Empowerment ist für mich auch ein Akt der Liebe. Eine Liebe, die mit der Verantwortung verbunden ist, uns gegenseitig zu unterstützen und für eine bessere Welt zu kämpfen“. Und trotz der Herausforderungen bleibt sie optimistisch: „Ich weiß, dass wir als Gemeinschaft stark sind und dass es immer einen Weg gibt, weiterzumachen.“

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