Das syrische Verteidigungsministerium der Übergangsregierung hat am 11. März die Einzelheiten des Abkommens bekannt gegeben, das zwischen dem Übergangspräsidenten Ahmad Al-Shara und dem Anführer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mazloum Abdi, geschlossen wurde. Ziel ist die schrittweise Integration der SDF in die offiziellen staatlichen Institutionen Syriens.
Die Punkte in Einzelheiten
Laut einer Erklärung des Ministeriums sollen alle sicherheitspolitischen und militärischen Bereiche, einschließlich der Verwaltung des Lagers Al-Hol sowie Kontrolle der irakisch-syrischen Grenze, nach und nach unter staatliche Aufsicht gestellt werden. Die Umsetzung des Abkommens soll innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens erfolgen, um eine vollständige Eingliederung der SDF in das staatliche Sicherheits- und Verwaltungsgefüge zu gewährleisten.
Inhaltlich ist vorgesehen, dass sowohl die militärischen als auch die zivilen Einheiten der SDF, die bislang der kurdischen Selbstverwaltung unterstellt waren, in die Strukturen des syrischen Staates integriert werden.
Al-Hol und die geopolitischen Spannungen
Ein zentrales Element des Abkommens ist die Übertragung der Verantwortung für das Lager Al-Hol, das sich südlich der Stadt Al-Hasaka im Nordosten Syriens befindet und als ernsthafte Sicherheitsbedrohung gilt. Das Lager beherbergt zehntausende Familienangehörige des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS).
Die Befürchtungen wachsen insbesondere im Hinblick auf mögliche Parallelen zu den Ereignissen von 2014, als die instabile Sicherheitslage in Syrien es dem IS ermöglichte, weite Teile des Irak und Syriens unter seine Kontrolle zu bringen. Das Abkommen zwischen der syrischen Übergangsregierung und der SDF soll dazu beitragen, eine Wiederholung dieses Szenarios zu verhindern.
Von der Gründung zur Etablierung: Die Entwicklung der SDF
Obwohl der Krieg in Syrien bereits 2011 begann, wurde die Gründung der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) erst im Herbst 2015 offiziell verkündet. Die Allianz entstand in der Stadt Qamischli in der Provinz Al-Hasaka, einer mehrheitlich von Kurd*innen bewohnten Region im Norden Syriens.
Von Beginn an erhielt die SDF direkte Unterstützung der Vereinigten Staaten und etablierte sich rasch als wichtigster lokaler Partner der internationalen Koalition im Kampf gegen den IS. Die Koalition, die im September 2014 gegründet wurde, finanzierte und bewaffnete verschiedene Milizen und Organisationen in Syrien und im Irak, um den Vormarsch des IS einzudämmen.
In ihrer Gründungserklärung präsentierte sich die SDF als multiethnische Streitkraft, bestehend aus Kurden, Arabern, Turkmenen und Assyrern, mit dem erklärten Ziel, den IS zu besiegen und die von ihm besetzten Gebiete zurückzuerobern.
Mit westlicher Unterstützung gelang es der SDF, strategisch wichtige Gebiete aus den Händen des IS zu befreien, darunter die Stadt Kobane (Ain al-Arab) im Jahr 2015. Im März 2019 hat die SDF große Teile Nordost Syriens unter ihre Kontrolle gebracht und den IS offiziell militärisch besiegt.
Politische und militärische Herausforderungen
Trotz dieser militärischen Erfolge blieb das Verhältnis der SDF zu ihren internationalen Partnern unsicher. Im Jahr 2019 verkündete der damalige US-Präsident Donald Trump überraschend den Rückzug der meisten US-Truppen aus Syrien, mit Ausnahme einiger Einheiten zum Schutz von Ölquellen. Dieser Schritt löste bei der SDF große Besorgnis aus, da sie befürchtete, dadurch verwundbar zu werden – insbesondere gegenüber der Türkei.
Von Anfang an waren die Beziehungen zwischen der SDF und der Türkei von Spannungen geprägt. Die Türkei betrachtet die SDF als syrischen Ableger der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird. In den vergangenen Jahren startete die Türkei mehrere Militäroperationen gegen SDF-Stellungen in Nordsyrien, um deren Einfluss zu schwächen und eine dauerhafte politische Konsolidierung zu verhindern.
Konflikte mit der Assad-Regierung und arabischen Stämmen
Nicht nur die Türkei, sondern auch die Assad-Regierung bekämpfte die SDF. Insbesondere die im Jahr 2016 von der kurdischen Selbstverwaltung ausgerufene Föderalisierung Nordsyriens wurde von Damaskus aus kategorisch abgelehnt, da sie als Bedrohung für die territoriale Integrität des Landes angesehen wurde.
Neben geopolitischen Spannungen hatte die SDF auch mit internen Herausforderungen zu kämpfen. So führte die Expansion in mehrheitlich arabische Gebiete wie Deir Ez-Zor immer wieder zu Spannungen mit arabischen Stammesführern. Diese Spannungen eskalierten im August 2024 in erneuten Kämpfen zwischen der SDF und den arabischen militärischen Truppen, nachdem es bereits im September 2023 zu ähnlichen Auseinandersetzungen gekommen war.
Zusätzlich geriet die SDF ins Visier iranisch unterstützter Milizen, die koordinierte Angriffe auf ihre Stellungen in verschiedenen Städten und Ortschaften in Ostsyrien durchführten.
Zukunftsperspektiven: Frieden oder neue Konflikte?
Mit der historischen Unterzeichnung des aktuellen Abkommens beginnt für die SDF eine neue Phase, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Einerseits bietet die Integration in syrische Staatsstrukturen die Möglichkeit, langfristig als Teil des nationalen Sicherheitsapparates zu agieren. Andererseits bleiben viele Herausforderungen bestehen – von der Umstrukturierung ihrer Truppen bis hin zu den anhaltenden geopolitischen Spannungen mit der Türkei und anderen regionalen Akteuren. Doch viele Syrer*innen, Kurd*innen und Araber*innen sind optimistisch – und hoffen auf Frieden in einem freien demokratischen Syrien.