Die meiste Zeit meines Lebens ergab eine Google-Suche nach meinem Namen genau null Treffer. Ich lebte, wie die meisten anderen Menschen auch, unter dem Radar, sodass es im Internet keine nennenswerten Informationen über mich gab.
Als ich anfing, journalistisch aktiv zu werden, machte ich mein Debüt mit einem äußerst persönlichen Artikel über meinen Weg zum Jurastudium. Auch wenn ich unfassbar stolz auf meine erste Veröffentlichung war und noch bis heute bin, wurden mir aus meinem engsten Umfeld Zweifel und Ängste eingeredet. Unter anderem wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass auch potenzielle Arbeitgebende meinen Namen googeln würden und dadurch zwangsläufig auf meine Artikel stoßen.
Es würde mich, so wurde mir gesagt, direkt unbeliebt machen, mich als „Flüchtlings- oder Arbeiterkind“ zu outen – ich würde also meine beruflichen Chancen schmälern. Ferner wurde mir angeraten, mich niemals öffentlich zu meiner Religion zu bekennen, denn das sei der finale Stoß in den beruflichen Tod. Wer würde schon eine Juristin ernst nehmen, die sich zu einer in den Augen des Westens rückständigen Religion bekennt? Der Rat, den ich befolgen sollte, lautete konkret: „Pass dich an und sei nicht laut, nur dann werden sie dich akzeptieren.“
Selbstverständlich habe ich diesen Rat nicht befolgt; und diese Kolumne ist mein Zeuge. Gleichwohl habe ich mich lange mit der Frage auseinandergesetzt, ob ich mich denn wirklich verstellen und verstecken muss, um erfolgreich zu sein. Schließlich kamen diese Worte von einer meiner engsten Bezugspersonen, die es sicherlich nur gut mit mir meint. Auf meiner Suche nach Antworten habe ich mir meinen Lebenslauf geschnappt und meinen Werdegang genaustens analysiert. Letztendlich bin ich zum Entschluss gekommen, dass mir meine Multikulturalität und mein interreligiöses Wissen nie ein Stein im Weg – sondern vielmehr immer eine große Stütze waren.
"Ohne meinen persönlichen Hintergrund wäre ich all das nicht geworden, was mich heute auszeichnet"
So verdanke ich es meinen Eltern, dass ich heute fließend fünf Sprachen und einige weitere in Grundzügen spreche. Auch verdanke ich ihnen, dass ich mich sowohl mit dem Christentum als auch mit dem Islam gut auskenne und in vielerlei Hinsicht zwischen den beiden Fronten vermitteln kann. Vor allem verdanke ich ihnen aber mein besonderes Interesse an Geschichte und Politik, was mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin.
Ohne meinen persönlichen Hintergrund wäre ich all das nicht geworden, was mich heute auszeichnet. Es erscheint also nur vernünftig und logisch, diese Merkmale angemessen zu würdigen und sie auch in meinem Alltag nicht zu verstecken. Das heißt, dass ich über sie schreibe und spreche – und das mit Demut, aber auch mit Stolz. Möchte mich eine Arbeitgeberin aufgrund dessen nicht einstellen, dann möchte ich ohnehin nicht Teil des Teams werden. Falls ich aber auch nur eine Person, welche aus ähnlichen Verhältnissen kommt, dazu inspirieren kann, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und sich nicht zu verstecken, dann war mir meine Ehrlichkeit jede Mühe und geschlossene Tür wert.
Denn nur, wer weiß, wo er*sie herkommt, kann wissen, wo er hingeht. Und so stehe ich hier, nicht mehr im Schatten meiner Zweifel, sondern im Licht meiner Authentizität – bereit, meine Geschichte zu teilen, meine Identität zu würdigen und anderen Mut zu machen, sich nicht zu verstecken. Denn in der Offenheit liegt nicht nur Freiheit, sondern auch die Kraft, wahre Veränderung zu bewirken.