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Die 4. Muslimische Kulturwoche in Berlin: Vielfalt, Sichtbarkeit & Community

Vergangene Woche fand zum vierten Mal die Muslimische Kulturwoche in Berlin statt. Das diesjährige Motto: „Näher kommen & Frieden schaffen“

Fotograf*in: Simone Osterwald

Arabische Kalligraphie, indonesische Kulinarik, eine islamische Interpretation von Kant und Volksmärchen vom Balkan all das erlebten Besucher*innen der 4. Muslimischen Kulturwoche in Berlin. Vom 28. September bis zum 6. Oktober besuchten Interessierte unter dem Motto „Näher kommen & Frieden schaffen“ verschiedene Workshops, Konzerte, Ausstellungen und vieles mehr: Über die Stadt verteilt boten über 30 Organisationen Angebote an. Der Regisseur Mirza Odabasi führte etwa in die Kunst des Filmemachens ein und es fand ein muslimischer Poesie-Abend statt. Bei einem interreligiösen Stammtisch konnte man sich über „Die Kunst des Zusammenlebens“ austauschen und für Kinder spielte zum Beispiel ein türkischsprachiges Schattentheater.

Am Montag, dem 30. September, wurde die Muslimische Kulturwoche mit der Veranstaltung „Rhythmen der Welt“ eröffnet. In einem Konzert präsentierten verschiedene Künstler*innen  Musik aus verschiedenen muslimischen Kulturen. Das Zusammenspiel beschreiben Zuschauer*innen später als sehr harmonisch, obwohl sich die meisten der Musikschaffenden vor der Veranstaltung nicht kannten. Berlins Kultursenator Joe Chialo hielt ein Grußwort und die Festrede kam von dem Religionsphilosophen Prof. Dr. Milad Karimi.

 

Die Kulturwoche als Ort der Begegnung

Im Laufe der Woche zeigen sich ganz unterschiedliche Gesprächsbedarfe bei den Besucher*innen. An einem Abend in der St. Jacobi Kirche offenbarten sich diese sehr eindrücklich. Dr. Bettina Gräf und Julia Tieke stellten das Buch „111 Orte in Berlin, die vom Islam erzählen“ vor. In dem anschließenden Gespräch begegneten sich verschiedene Positionen in offener Atmosphäre, die sich abseits der Muslimischen Kulturwoche so wohl nicht getroffen hätten: Während sich die einen Teilnehmenden Sorgen um wachsende Diskriminierung auch aus der Politik heraus machten, kämpften die anderen mit Misstrauen zwischen Gruppen oder damit, die eigenen Vorurteile zu überwinden. Eine Mini-Buchmesse im Altarraum der Kirche zeigte anschließend Bücher zum Thema Islam und Koranübersetzungen, auch eine Kunstausstellung befand sich dort.

Die Kulturwoche solle einen Zugang zu muslimischer Kultur ermöglichen und in diesem Raum Austausch innerhalb der muslimischen Community und über diese hinaus schaffen, erklärt Levent Kılıçoğlu vom Forum Dialog e.V. und Leiter der Muslimischen Kulturwoche. „Der große Andrang freut uns sehr für die Sichtbarkeit von muslimischen Communities in Berlin“, meint Kılıçoğlu. Bei der Repräsentation von Muslim*innen solle vor allem ihre Vielfalt betont werden. Die Woche stelle daher einen kulturell definierten Islam dar, im Gegensatz zu einem politisch oder theologisch definierten. Daher sei es toll, dass in jedem Jahr mehr Organisationen an der Muslimischen Kulturwoche teilnehmen, die verschiedene Länder und Glaubenspraxen repräsentieren.

Entstanden sei das Projekt durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf Anstoß von Hartmut Rhein, dem Beauftragten für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Forum Dialog e.V. und I-ISIN e.V. sind Träger und Organisatoren der Woche. Die Förderung der Veranstaltung erfolgt weiterhin durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Vor allem jedoch lebe die Muslimische Kulturwoche von der „unermüdlichen Unterstützung unserer Ehrenamtlichen, die den reibungslosen Ablauf der Woche erst möglich gemacht haben“, so Kılıçoğlu. Es freue ihn überaus, jedes Jahr neue Gesichter zu sehen, die das Projekt tatkräftig unterstützten. Wer Lust habe, sich zu engagieren, könne sich einfach melden.

 

“Ein voller Erfolg”

Alle Veranstaltungen sind kostenlos, jedoch müsse man sich aus organisatorischen Gründen anmelden, berichtet Rümeysa Yılmaz, ebenfalls von Forum Dialog e.V. Obwohl die Räumlichkeiten oft nicht sehr groß seien, werde in der Regel niemand abgewiesen. Und wenn doch zu einem Programmpunkt sehr viele Menschen auftauchen? „Dann wird’s kuschelig“, lacht Yılmaz. Zu einem indonesischen Abend seien diese Woche statt der angemeldeten 30 an die 100 Gäste gekommen.

Die Zahl der teilnehmenden Organisationen ist von zehn im letzten Jahr auf 30 in diesem Jahr stark angewachsen. Auch die Zahl der Veranstaltungen hat sich von circa 20 im letzten Jahr zu über 40 gut besuchten Programmpunkten in der diesjährigen Muslimischen Kulturwoche sehr gesteigert. Abschließend resümiert Kılıçoğlu: „Die diesjährige Muslimische Kulturwoche war ein großer Erfolg. Wir hatten gut besuchte Veranstaltungen und ein vielfältiges Teilnehmerprofil. Außerdem haben wir neue Formate, wie den Malwettbewerb, den Podcast und die Mini-Buchmesse, ins Programm aufgenommen. Mit diesen Erfahrungen werden wir bestimmt im nächsten Jahr wieder ein Stück wachsen und vielleicht neue Formate aufnehmen.“

 

Gemeinsame Gebete von Muslim*innen, Jüd*innen und Christ*innen

Den Abschluss fand die Woche am Sonntag, dem 6. Oktober, mit einem interreligiösen Friedensgebet in der Wilmersdorfer Moschee. An diesem historischen Ort, der ältesten erhaltenen Moschee Deutschlands, kamen an diesem Tag Rabbiner Andreas Nachama, Pfarrerin Marion Gardei und Imam Kadir Sanci von dem Projekt „House of One“, sowie Imam Amir Aziz von der Wilmersdorfer Moschee zusammen. Das Thema war „Gemeinsam gegen Gewalt – für Frieden in der Welt“.

Der helle, freundliche Raum war gut gefüllt, trotz aufgestellter Stühle saß die Mehrzahl der Leute auf dem Teppich, mehrere Kameras nahmen auf. Alle vier Geistlichen bezogen sich angesichts des Datums auf den Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 und den Krieg in Palästina, Israel und Libanon. Imam Amir Aziz eröffnete die Veranstaltung mit einem Gebet „von Herzen für Frieden, Liebe und Harmonie für die ganze Welt.“ Es folgten verschiedene Gebete und Suren auf Arabisch, Bittgebete auf Hebräisch und deren Übersetzungen sowie Zitate aus der Bibel.

Imam Kadir Sanci sprach unter anderem die Sure 49, Vers 10 bis 13 und sagte, dass Unterschiede zwischen den Menschen von Gott gewollt seien, denn er habe sie so geschaffen, und hoffte auf ein „Leuchtfeuer der Hoffnung“, das von dem heutigen gemeinsamen Gebet ausgehen solle. Rabbiner Andreas Nachama erklärte die hebräische Bedeutung von Frieden, die immer auch Frieden jenseits der Grenzen einschließe und erinnerte an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Gott habe die Verfolger zwar im Meer ertrinken lassen, habe allerdings den Engeln verboten, fröhlich zu sein, da der Tod irgendeines seiner Geschöpfe immer Anlass zur Trauer sei. Pfarrerin Marion Gardei zitierte die Bergpredigt und mahnte Zivilcourage an. Zum Schluss reichten sich alle Geistlichen der verschiedenen Religionen die Hände in einer Geste der Verbundenheit.

Am Abend folgte die Abschlussveranstaltung, ein Konzert des Ensembles Al Firdaus in der Universität der Künste. Wiederum war der Saal gut besetzt und die Mischung aus andalusischer Musik und Sufi-Klängen und Gesang erinnerte an die Verschränkung der Traditionen verschiedener Kulturen und Religionen. Die 2012 von Ali Keeler in Granada gegründete Gruppe umfasst sieben Personen aus Marokko, Spanien und England und ziehe ihre Inspiration aus dem Nicht-Wahrnehmbaren, so Keeler in seiner Moderation des Konzerts. Der hohe Joseph-Joachim-Saal der Universität der Künste war erfüllt von spirituellen Klängen und vielleicht spürte der eine oder die andere den Frieden und die Verbundenheit, die diese vierte Muslimische Kulturwoche vermitteln wollte.

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Simone verbrachte zwei Jahre in Ecuador, Ägypten, Jordanien und dem Libanon. Sie hat Internationalen Journalismus im Bachelor studiert und ist aktuell im Master Human Rights. An ihrer Hochschule hat sie im Bereich Citizen Science geforscht und engagiert sich bei Amnesty International. Aktuell macht sie ein Praktikum bei kohero und schreibt ihre Masterarbeit zum Thema Werteentwicklung von muslimischen Müttern. Sie lebt mit Mann und Kind in Berlin.
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Simone verbrachte zwei Jahre in Ecuador, Ägypten, Jordanien und dem Libanon. Sie hat Internationalen Journalismus im Bachelor studiert und ist aktuell im Master Human Rights. An ihrer Hochschule hat sie im Bereich Citizen Science geforscht und engagiert sich bei Amnesty International. Aktuell macht sie ein Praktikum bei kohero und schreibt ihre Masterarbeit zum Thema Werteentwicklung von muslimischen Müttern. Sie lebt mit Mann und Kind in Berlin.

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