Wusstest du, dass in Rheinland-Pfalz Totenasche bald nicht mehr zwingend auf Friedhöfen beigesetzt werden muss? Das hat der Ministerrat Anfang Dezember in einer neuen Regelung des Bestattungsgesetzes beschlossen. Mit der Zustimmung der verstorbenen Person können Privatpersonen die Urne nun zu Hause aufbewahren oder die Asche unter bestimmten Bedingungen, z. B. in einem Fluss, verstreuen. Außerdem werden Erdbestattungen ohne Sarg für alle möglich – nicht mehr nur aus religiösen Gründen.
Zwar stehen die endgültige Entscheidung des Landtags im Frühjahr und eine Anhörung des Bundesverbands der Bestatter*innen sowie der Kommunen noch aus, doch bis Sommer 2025 könnte das neue Gesetz in Kraft treten.
Warum ist das wichtig?
Das bisherige Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz, wie auch in anderen Bundesländern, ist über 40 Jahre alt und spiegelt die Bedürfnisse einer veränderten Gesellschaft kaum wider. Angesichts des steigenden Wunsches nach vielfältigen Bestattungsformen und der wachsenden Beliebtheit der Feuerbestattung (80 % der Fälle) war eine Reform dringend notwendig. In anderen europäischen Ländern sind diese neuen Bestimmungen bereits üblich.
Die sogenannte „Beisetzungspflicht“ ist in Deutschland stark umstritten. Tatsächlich wird die Nichteinhaltung „nur“ als Ordnungswidrigkeit behandelt und kaum kontrolliert, da die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Es ist also über komplizierte Umwege heute schon möglich, die Asche mit nach Hause zu nehmen, und manche Bundesländer erlauben die Mitnahme und Verstreuung der Asche unter bestimmten Voraussetzungen bereits. Doch nur wenige Menschen wissen davon. Für viele, insbesondere für marginalisierte Gruppen, fehlen oft die notwendigen Kontakte, um ihre Bestattungswünsche umzusetzen.
Das ist einer der Gründe, warum viele ihre Verstorbenen nach wie vor (wenn möglich) in ihre Heimat überführen oder sie reisen ins europäische Ausland (Niederlande, Schweiz), um ihren Angehörigen eine Bestattung gemäß ihren kulturellen und spirituellen Wünschen zu ermöglichen. Von Politiker*innen und in den Medien wird das abfällig als „Bestattungstourismus“ bezeichnet, obwohl es für viele Menschen eine absolute Notwendigkeit ist und viele Probleme schafft.
Hinzu kommt, dass in Deutschland Seebestattungen nur in bestimmten Gebieten und unter militärischem Protokoll durchgeführt werden. Für Geflüchtete, die vor militärischer Gewalt flohen, ist das ein großer Affront. Doch für Religionen, wie den hinduistischen, in denen Flussbestattungen praktiziert werden, ist diese Reform eine große Erleichterung, sowohl spirituell und emotional als auch organisatorisch und finanziell.
Abgesehen von individuellen Präferenzen und spirituellen Bedürfnissen, bietet die Tuchbestattung eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative. Man muss aber beachten, dass bei Tuchbestattungen weiterhin Holz verwendet (Stichwort: Verwesungsprozess) und meistens ein Sarg für die Aufbewahrung und Transport zum Grab benötigt wird. Hier gibt es also noch Optimierungsbedarf.
Herausforderungen und Chancen
Die Reform ist damit nicht nur eine gesetzliche Anpassung, sondern auch ein Akt der Anerkennung individueller Lebensrealitäten und der Gleichberechtigung, insbesondere marginalisierter Gruppen. Damit respektiert das neue Bestattungsgesetz die Vielfalt der Bestattungsrituale und -bedürfnisse, die in Deutschland längst schon Realität ist.
Gleichzeitig entstehen neue Herausforderungen: Wie werden Urnen zu Hause sicher aufbewahrt? Wo und wie entstehen gemeinsame Orte des Gedenkens? Kommunen müssen sich auf sinkende Einnahmen einstellen.
Eine Hoffnung ist, dass diese Entwicklung und Diversifizierung der Bestattungspraktiken neue Formen des Gedenkens und Begegnens schaffen, zum Beispiel auf den Friedhöfen, die sich jetzt schon auf die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft einstellen müssen (siehe letzter Newsletter).
Stimmen zur ReformIn den sozialen Medien wird die Reform überwiegend positiv aufgenommen. Viele begrüßen die Abschaffung der Bestattungspflicht als überfällig, betonen die Bedeutung von Friedhöfen als Trauerorte und/oder fordern Wahlfreiheit bei der Bestattungsform. Die Hoffnung ist groß, dass andere Bundesländer nachziehen.
Die Kirche kritisiert die Gesetzesänderung als Bruch mit der bisherigen Bestattungskultur. Sie sieht den Schutz der Totenruhe gefährdet, dass Angehörige die Asche „in Besitz nehmen“ könnten und gemeinsame Gedenkorte verloren gehen.
Umweltschützer*innen bemängeln, dass bei der Einäscherung Schwermetalle wie Chrom freigesetzt werden können, die hochgiftig, wasserlöslich und umweltschädlich sind. Diese Stoffe kommen aus Materialien wie Zahnfüllungen, Implantaten, Schmuck oder chromgegerbtem Leder in Särgen und Kleidung. Obwohl deutsche Krematorien strengen Umweltauflagen unterliegen und moderne Filter die Risiken reduzieren, können sich nicht alle Krematorien solche Filter leisten. Die Filter müssen zudem als Sondermüll gelagert werden. Ein komplexes Thema, das mehr Aufmerksamkeit benötigt.
Viele feiern die Neuerungen als „liberalstes Bestattungsrecht Deutschlands“ und ich teile die Freude über diese überfälligen Lockerungen. Es gibt aber immer noch viel zu tun, damit alle Menschen würdevoll und selbstbestimmt in Deutschland bestattet werden können.