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Konsequenzen nach Sylt-Video – die migrationsnews von kohero

In den migrationsnews, dem wöchentlichen Nachrichtenüberblick von kohero, schreibt Chefredakteur Hussam diese Woche über das virale Sylt-Video, in dem junge Leute beim Feiern rechte Parolen singen.

Konsequenzen nach Sylt-Video – die migrationsnews von kohero

Als ich am Freitagmorgen Instagram geöffnet habe, sah ich – wie du vielleicht auch – dass viele ein Video geteilt haben, wo junge, reiche und deutsche Menschen auf Sylt feiern. In dem Video ist zu sehen, wie eine Gruppe mit der Melodie des Liedes „L'amour Toujours“ von Gigi D'Agostino „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ singt. Nicht nur das, sondern auch, wie ein Mann aus der Gruppe mit seinen Händen einen Hitlergruß macht und einen Hitlerbart andeutet.

Meine Kollegin Sarah Zaheer (Redaktionsleiterin bei kohero) hat mir dann erzählt, welcher Kontext diese Parole hat: Schon während der Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Spruch genutzt, um gegen Minderheiten zu hetzen und völkischen Nationalismus zu feiern. Es ist eine Parole, die von Neonazis während des Anschlags in Rostock Lichtenhagen skandiert wurde und noch heute als rechtsextremistischer Ausruf weiterverbreitet wird.

Das ganze Wochenende habe ich gelesen, wie in sozialen und auch in traditionellen Medien darüber kommentiert und berichtet wurde. In diesem Newsletter findest du interessante Artikel und Kommentare, die wir zu dem Thema weiterempfehlen können.

Auffällig ist, dass viele Menschen mit Migrationsgeschichte, insbesondere diejenigen, die in Deutschland aufgewachsen sind, nicht überrascht sind. Sarah sagt dazu: „Ich wäre nicht überrascht, wenn ich eine Person von meiner ehemaligen Schule auf dem Video erkannt hätte. Insbesondere in privilegierten, weißen und reichen Kreisen wird sehr häufig nach unten getreten. Das passiert überall, nicht nur auf Sylt.“

Für mich war die erste Frage, was „Deutsch“ im heutigen Kontext bedeutet. Ist damit auch meine Tochter gemeint, weil sie mit dem deutschen Pass geboren ist? Oder bezieht es sich nur auf Deutsche ohne Migrationsgeschichte und ohne familiäre Verbindungen ins Ausland? Wer kann und darf das entscheiden?

Meistens wird es so verstanden, dass „Deutsche ohne Migrationsgeschichte“ damit gemeint sind – und da frage ich mich, warum? Denn inzwischen ist klar, dass ca. 14 % der deutschen Gesellschaft eine Migrationsgeschichte haben und ca. weitere 14 % Menschen ohne deutschen Pass sind, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, die deutsche Freundinnen oder Nachbarinnen haben und aktiv in der Gesellschaft sind.

Die Frage ist also auch: Was bedeutet „Ausländer“? Sind Ausländerinnen alle Menschen ohne deutschen Pass oder alle Leute ohne Migrationsgeschichte? Sind Europäerinnen auch Ausländerinnen? Oder sind sie doch Deutsche, obwohl sie keinen deutschen Pass haben? Oder sind Ausländerinnen nur die Geflüchteten?

Diese Parole gibt Anlass dazu, darüber zu diskutieren, was „Deutsch sein“ bedeutet. „Ich glaube, dass wir eher darüber sprechen müssen, wie tief verwurzelt, rassistische Sprache und rechtes Gedankengut in unserer Gesellschaft verankert sind“, sagt Sarah hingegen.

Denn „Deutsch sein“ hat sich verändert. Deutschland ist ein migrantisches Land. Das können auch die Menschen auf dem Video nicht mehr ausblenden. Denn wenn Menschen heute solche Parolen singen, scheint es zum ersten Mal Konsequenzen zu geben.

Empfehlungen aus der kohero Redaktion zu den rassistischen Äußerungen auf SyltIm Stern erzählt Jacqueline Haddadian darüber, wie es ist, als migrantisch gelesene Person mit Rassismus aufzuwachsen und (fast) täglich konfrontiert zu werden, während ein Großteil Deutschlands über das Video aus Sylt schockiert ist.

Dunja Ramadan (SZ+) hinterfragt, warum bei rassistischen Vorfällen wohlhabender Deutscher keine öffentliche Untersuchung oder Diskussion über deren Vornamen und Familienhintergründe stattfindet, wie es bei Migrant*innen oft der Fall ist. Sie fordert eine kritische Auseinandersetzung mit den Werten in diesen privilegierten Kreisen und prangert die Doppelmoral gegenüber Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte an.

Im Gespräch mit dem Migazin ordnet Extremismusforscher Andreas Zick die Rolle der Ober- und Mittelschicht und den sozialen Medien im Rechtspopulismus ein.

Der Artikel des ZDF beschreibt, wie Rechtsextreme versuchen, aus dem Song „L’amour toujours“ ein rechtsextremes Symbol zu machen und über die sozialen Medien in den Mainstream zu bringen.

Auf der Insel kam es ungefähr im gleichen Zeitraum zu einer vermutlich rassistisch motivierten Gewalttat gegen eine Schwarze Frau. Das zdf berichtete darüber.

Der Mediendienst Integration hat unter der Frage „Wie verbreitet ist Rassismus in der Gesellschaft?“ mehrere Studienergebnisse dazu erklärt. Auf der Seite erfährst du mehr darüber und kannst dich über verschiedene Formen von Rassismus informieren.

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