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4 Min. Lesezeit Kultur

Interkulturellle Öffnung im TV Fischbek

In der neusten Ausgabe von „Hamburg in Bewegung“ geht es um das Thema interkulturelle Öffnung. Dafür hat Redakteurin Cefina mit Angelika Czaplinski vom TV Fischbek gesprochen.

Interkulturellle Öffnung im TV Fischbek

Die Vereinslandschaft in Deutschland ist ein Ort der gelebten Demokratie und gilt dadurch auch als Stütze und Spiegel unserer Gesellschaft. Viele Sportvereine haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, den migrantischen Bevölkerungsanteil in unserem Land auch in der Vereinslandschaft abzubilden. „Interkulturelle Öffnung“ lautet das Geheimrezept. Dabei reicht es allerdings nicht nur, die Türen für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zu öffnen. Vielmehr geht es darum, eine Umgebung zu schaffen, in der sich migrantische Menschen wohl und sicher fühlen. Es geht darum, Menschen mit diverser Herkunft in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen und sie nicht mit dem Etikett „Integration erfolgreich“ abzustempeln.

Integration sollte in diesem Kontext ein zweispuriges Konstrukt darstellen, das alle Beteiligten gleichermaßen bereichert. Doch dafür braucht es mehr als nur gute Vorsätze, um den Punkt von der To-do-Liste zu streichen. Bei interkultureller Öffnung bedarf es einer Menge Selbstreflexion und des kontinuierlichen Anspruchs, einen internen Entwicklungsprozess voranzutreiben.

Der TV Fischbek gilt, was Integrationsarbeit anbelangt, als Urgestein und agiert seit 2001 als Stützpunktverein des Bundesprogramms „Integration und Sport“. Ich habe mit Angelika Czaplinski, der Integrationsbeauftragten des Traditionsvereins, gesprochen, um zu erfahren, wie interkulturelle Öffnung funktioniert, welche Maßnahmen bereits ergriffen werden und welche Stellen ausbaufähig sind.

"Interkulturelle Öffnung hat einen sehr hohen Stellenwert bei uns."

Wie lange bist du schon im TV Fischbek beschäftigt und was ist deine Hauptaufgabe?

Ich bin schon als Kind durch das Kinderturnen im TV Fischbek eingetreten, habe Handball gespielt und war lange im Wettkampfsport als Trainerin aktiv. Ich bin dann irgendwann ehrenamtliche Jugendleiterin geworden und mittlerweile bin ich Übungsleiterin und Integrationsbeauftragte. Im Jahr 2001 haben mich zwei Mitarbeiter besucht und mir das Bundesprogramm „Integration durch Sport“, das vom Hamburger Sportbund (HSB) initiiert wurde, vorgestellt. Seit 2002 sind wir Stützpunktverein des Programms und versuchen, integrative Gruppen zu gründen, die über den Sport hinausgehen.

Welchen Stellenwert hat die interkulturelle Öffnung für den TV Fischbek?

Interkulturelle Öffnung hat einen sehr hohen Stellenwert bei uns. Nicht nur intern im Verein, sondern auch im Stadtteil werden wir für unseren Einsatz sehr geschätzt. Wir haben gemerkt, wie gut die interkulturelle Öffnung bei uns funktioniert, als 2015 viele Geflüchtete zu uns gekommen sind. Wir haben dann mit den Menschen Sport gemacht und sie bei organisatorischen Aufgaben unterstützt. Somit haben wir den ersten Grundstein gesetzt, die Geflüchteten in unsere Gemeinschaft aufzunehmen.

"Einmal im Monat gibt es auch ein Freundschaftsspiel"

Gibt es weitere Maßnahmen, die der TV Fischbek unternimmt, um sich interkulturell zu öffnen?

Wir haben das Programm „Integration durch Sport und Sprechen“ und dabei gibt es mehrere Bausteine. Einmal eine wöchentliche Gruppe, und zwar „mit Büchern und Bewegung die Stadt entdecken“. Dabei versuchen wir, mit migrantischen Kindern aus der Nachbarschaft, viel draußen zu sein und die Stadt zu entdecken. Bei schlechtem Wetter sind wir in einem Bewegungsraum, wo wir gemeinsam lesen, Musik hören und Spiele spielen.

Mit diesem Projekt haben wir uns auch für den Nachbarschaftspreis beworben. Einmal im Monat gibt es auch ein Freundschaftsspiel, das als Familiensport konzipiert ist, bei dem wir mit einem gemeinsamen Frühstück starten. Dabei entsteht ein munterer Austausch zum gesunden und günstigen Kochen und Einkaufen. Zusätzlich organisieren wir auch interkulturelle Familienfreizeiten über ein verlängertes Wochenende oder in den Ferien.

Unterstützt ihr mit euren Maßnahmen eher größere Gruppen oder auch einzelne Menschen?

Wir unterstützen auch jeden Einzelnen. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel ein Programm namens „sei dabei“, bei dem wir migrantischen Menschen ein dreimonatiges Praktikum angeboten haben. Nach erfolgreichem Abschluss haben die Praktikanten eine Bescheinigung bekommen und das Angebot, bei uns im Verein mit einem kleinen Job tätig zu sein. Ursprünglich haben wir das gemacht, um Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte als Übungsleiter zu gewinnen, allerdings konnten viele dadurch Selbstbewusstsein aufbauen und haben dadurch oftmals einen anderen Job gefunden.

Wie viele Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte sind derzeit im Ehrenamt oder als Übungsleiter*innen tätig?

Viele, und zwar nicht nur als Übungsleiter. Mittlerweile konnten wir nämlich auch migrantische Menschen als Abteilungsleiter für unseren Verein gewinnen. Mir fällt auch direkt eine migrantische Trainerin ein, die über das Mentoren- und Mentee-Programm von „Integration durch Sport“ Abteilungsleiterin geworden ist.

"Seit dem Programm sind wir sensibler geworden."

Wie sieht es in eurer Führungsebene aus?

In unserer Führungsebene im Vorstand selbst gibt es derzeit noch niemanden mit Migrations- oder Fluchtgeschichte. Das liegt daran, dass wir einfach noch niemanden hatten, den wir ganz lange begleitet haben. Ich arbeite derzeit daran, eine migrantische Frau und ein längeres Vereinsmitglied als meine Nachfolgerin aufzustellen. Allerdings ist das auch ein Prozess, sie mit den Vereinsstrukturen bekannt zu machen. Ich habe mittlerweile ein großes Netzwerk aufgebaut, was einfach Zeit braucht. Mein Ziel ist, dass die nächste Integrationsbeauftragte mit Migrations- oder Fluchtgeschichte eng mit dem Vorstand zusammenarbeitet.

Was hat sich im TV Fischbek durch das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ verändert?

Wir sind viel mehr aus unserer Komfortzone herausgekommen. Wir hatten auch früher schon starke Abteilungen und einen guten Zusammenhalt, aber ich glaube, wir haben es vielen Leuten von außen sehr schwer gemacht, zu uns zu kommen. Seit dem Programm sind wir sensibler geworden. Wir mussten auch intern einiges tun und konnten uns langsam immer mehr und erfolgreicher öffnen.

Da wir als Verein schließlich eine soziale Verpflichtung haben, uns interkulturell zu öffnen, sind wir mit voller Kraft dabei, immer mehr dafür zu tun. Ziel ist es, den migrantischen Bevölkerungsanteil prozentual auch bei uns im Verein abzubilden. Wichtig zu verstehen ist, dass Integration keine Aufgabe einer Abteilung ist, sondern eine Querschnittsaufgabe des gesamten Vereins. Mittlerweile können wir auf unsere Erfolge sehr stolz sein.

"Persönlicher Kontakt ist das A und O."

Hast du Tipps für andere Vereine, wie man eine ganzheitliche interkulturelle Öffnung schafft?

Vereine müssen bei dem Vorhaben ganz klar auf Kontinuität setzen. Das klappt nicht von Anfang an, es ist ganz klar ein Prozess. Übungsleiter müssen auf jeden Fall auch viel Geduld und Toleranz mitbringen. Es kommt oft vor, dass Geflüchtete andere Prioritäten entwickeln, was man respektieren muss. Wir hatten eine migrantische Läufer-Gruppe, die über das Laufen den Stadtteil erobert hat. Das Deutsch der Läufer ist immer besser geworden und irgendwann konnten sie sich einen Job suchen.

Es ist auch wichtig zu verstehen, dass der Sport, der ihnen geholfen hat, nicht zwangsläufig immer an erster Stelle steht. Wenn man mit Menschen mit Fluchtgeschichte arbeitet, braucht man eine gewisse Hartnäckigkeit Behörden, Verbänden und Unterkünften gegenüber. Persönlicher Kontakt ist dabei das A und O.

Übergeordnetes Ziel der kulturellen Öffnung ist es, migrantische Menschen auch in der Führungsebene zu positionieren, was dem TV Fischbek bislang nicht gelungen ist. Dennoch lässt sich an den vielen Maßnahmen erkennen, dass der Traditionsverein einen Wandel durchlebt und interkulturelle Öffnung und Diversität als interne Herzensaufgabe begreift. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest und dich das Thema Sportvereine und Diversität interessiert, abonniere gerne unseren Newsletter „Hamburg in Bewegung“.

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