Rund 350 Millionen Menschen wählen vom 6. - 9.6.2024 die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (EP) bei der Europawahl. In diesem Jahr gibt es 720 Mandate (Abgeordnete), davon 96 aus Deutschland, gefolgt von Frankreich mit 81. Die Anzahl der Abgeordneten ergibt sich aus der jeweiligen Einwohnerzahl der Länder. Diese Wahl findet alle 5 Jahre statt. Das EP ist das einzige europäische Gremium, das direkt von den Bürgerinnen gewählt wird. Dabei werden keine Einzelpersonen gewählt sondern Listen der zugelassenen Parteien. Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme.
Im Gegensatz zu anderen EU Ländern (Belgien, Griechenland, Luxemburg, Zypern) besteht in Deutschland keine Wahlpflicht. Bei der letzten Europawahl 2019 lag die Wahlbeteiligung europaweit bei 50,62% (in Deutschland 61,4%).
Wer darf wählen?
Wahlberechtigt in Deutschland sind alle in ein Wählerverzeichnis eingetragenen deutschen Staatsbürger*innen, die seit 3 Monaten in Deutschland oder einem anderen EU Land leben. Insgesamt gibt es 64,9 Mio Wahlberechtigte in Deutschland. Erstmals dürfen auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen.
Für die Teilnahme an den Europawahlen ist die EU-Staatsbürgerschaft zwingend erforderlich. Drittstaatsangehörige, also Personen ohne die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates, sind von den Europawahlen ausgeschlossen, selbst wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind und in einem EU-Land leben. Die Beschränkung des Wahlrechts auf EU-Bürger*innen ist in den EU-Verträgen geregelt und für alle Mitgliedstaaten bindend. Eine Ausweitung auf Drittstaatsangehörige wäre nur durch eine Änderung der EU-Verträge möglich, wofür die Zustimmung aller Länder erforderlich wäre. Somit können anerkannte Geflüchtete ohne EU-Staatsbürgerschaft in keinem der 27 Mitgliedstaaten an Europawahlen teilnehmen.
Seit der letzen Europawahl 2019 wurden in Deutschland bis Ende 2022 insgesamt 538.025 Menschen eingebürgert. Allein in 2023 wurden 200.100 Menschen eingebürgert, so viele wie noch nie seit 2000, 19% mehr als in 2022, wobei 1/3 der neuen deutschen Staatsbürger*innen aus Syrien kommen. Das Durchschnittsalter beträgt 29,3 Jahre und der Frauenanteil beträgt 45%. Ein Großteil dieser Menschen (Kinder bis 16 Jahren sind dabei ausgenommen) ist nun auch wahlberechtigt. Gewählt werden kann direkt im Wahllokal, das auf dem Wahlschein angegeben ist (Ausweis mitnehmen) oder durch Briefwahl, die man beantragen muss, falls man am Wahltag, dem 9.6.24, nicht persönlich in das Wahllokal gehen kann.
Der Bundeswahlausschuss hat 35 Wahlvorschläge von Parteien und Wählervereinigungen zur Europawahl zugelassen. Neben den bisher vertretenen Parteien sind auch ungewöhnliche Namen, wie die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung oder das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG), dabei. Seit der letzten Wahl 2019 sitzen 14 deutsche Parteien im EP: CDU (23 Sitze), Grüne (21), SPD (16), AFD (11), CSU (6), Linke (5), FDP (5), Die Partei (2), Freie Wähler (2), Tierschutzpartei, Piraten, ÖDP und Volt (je 1 Stimme).
Warum sollte ich meine Stimme bei der Europawahl abgeben?
Für viele sind die Regelungen der EU zum Alltag geworden, manche sind etwas eigenartig (Verordnung Nr. 1677/88 EWG: eine Gurke darf auf einer Länge von 10 cm nicht stärker als 1 cm gekrümmt sein). Aber die Europawahl ist die einfachste Möglichkeit, die Politik in der EU selbst mitzugestalten. Sie entscheidet, worauf sich die EU in den nächsten 5 Jahren fokussieren soll, und Deutschland stellt die meisten Abgeordneten. Im EP werden Entscheidungen getroffen, die den Alttag konkret betreffen, z.B. die gemeinsamen sehr hohen Sicherheitsstandards für Lebensmittel, die freie Entscheidung, in welchem Mitgliedsstaat man leben, studieren oder arbeiten möchte, Verbraucherschutz, Migration, Klimawandel, Terrorismusbekämpfung - globale Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden.
Geht am 9.6.2024 wählen! Wählen zu dürfen ist ein Grundrecht, für das Menschen in nicht demokratischen Staaten bereit sind, ihr Leben zu riskieren. Wenn Du aus Protest nicht wählst, gibst Du damit Deine „Stimme“ auch denjenigen, die durch Hass und Hetze den deutschen Rechtsstaat spalten wollen.
Und wenn Du noch nicht weißt, welche der 35 Parteien Du mit Deiner einen Stimme wählen sollst, hier ein Auszug aus den Wahlprogrammen der deutschen Parteien zum Thema Migration:
Bündnis 90/Die Grünen:
„ (...) Eine langfristige, geordnete und faire gemeinsame EU-Asylpolitik ist nötig, um die menschenunwürdigen und chaotischen Verhältnisse zu beenden. Reformen allein reichen dabei nicht aus, geltendes EU-Recht muss auch durchgesetzt werden. Wir setzen uns dagegen ein, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu einem Programm zum Abbau von Flüchtlingsrechten wird. Spielräume für Verbesserungen wollen wir nutzen.
Mit einer fairen und verbindlichen Verteilung von Schutzsuchenden stärken wir die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Abschottung und Grenzzäune schaffen Chaos und Leid, rechtsstaatliche Verfahren, gute Integrationsangebote und menschenwürdige Bedingungen sorgen für Humanität und Ordnung (...) Menschen, die bei uns in Europa Schutz suchen, müssen zuverlässig registriert, erstversorgt und menschenwürdig untergebracht werden. Das Recht auf Einzelfallprüfung und das Nichtzurückweisungsgebot gelten dabei immer und überall.
Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss in Europa inhaltlich geprüft werden. Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weitere große Haftlager wie Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzen. Der Entrechtung von Menschen, die durch autoritäre Staaten instrumentalisiert werden, stellen wir uns entgegen....“
CDU:
„ (...) Das Konzept der sicheren Drittstaaten umsetzen. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Es muss ermöglicht werden, dass in sicheren Drittstaaten Asylverfahren stattfinden, die allen rechtsstaatlichen Voraussetzungen entsprechen. Im Falle der Anerkennung soll der sichere Drittstaat ihnen Schutz gewähren. Wir sprechen uns dafür aus, dass nach der erfolgreichen Umsetzung des Drittstaatskonzepts eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnimmt und entsprechend verteilt. Wir wollen die Sozialleistungen in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte unter Berücksichtigung der Kaufkraft der Mitgliedstaaten annähern (...)“
SPD:
„ (...) Es ist gut, dass sich nach jahrelangem Streit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt haben. Diese wichtige Einigungsfähigkeit der Europäischen Union muss sich jetzt in der Praxis beweisen. Wir wollen, dass ein gemeinsames System nicht länger nur auf dem Papier existiert, sondern von allen Mitgliedsstaaten angemessen getragen wird und den schutzsuchenden Menschen in der Praxis Hilfe leistet.
Für die SPD gilt dabei unmissverständlich: Das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht sind die unumstößliche Basis für dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem. Das war und ist für uns nicht verhandelbar. Deshalb stellen wir klar, dass ein faires Asylverfahren mit hohen rechtsstaatlichen Standards immer auch in Grenzverfahren gewährleistet sein muss......
Wir fordern bei der Gewährleistung des Außengrenzschutzes der EU die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften. Wir stellen klar: Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Ein Tolerieren durch oder gar eine Beteiligung von Behörden der Mitgliedsstaaten oder von Frontex darf es unter keinen Umständen geben. Illegale Zurückweisungen müssen unverzüglich eingestellt und sanktioniert werden.
Wir unterstützen daher ausdrücklich ein unabhängiges Monitoring aller nationalen Aktivitäten im Kontext Migration und Asyl. Dabei muss insbesondere die Europäische Grenzschutzagentur Menschenrechtsverletzungen aufklären und, wo immer möglich, verhindern. Damit die EU-Außengrenzen rechtsstaatlich und sicher sind, braucht es weiterhin eine umfassende Prüfung der systematischen und strukturellen Probleme der größten EU-Agentur (...)“
FDP:
„ (...) Wir befürworten die Einrichtung Europäischer Asylzentren an der EU-Außengrenze, die unter Wahrung humanitärer Standards ein effizientes und schnelles Asylverfahren gewährleisten sollen. Wir wollen, dass Asylbewerber zur Bearbeitung des Asylverfahrens in sichere Drittstaaten überführt und bis zur Anerkennung des Asylantrags im Drittstaat untergebracht werden können – unter Gewährleistung humanitärer und rechtsstaatlicher Standards.
Wir wollen den Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration der Vereinten Nationen auch auf europäischer Ebene umsetzen. Europäische Entwicklungszusammenarbeit muss Fluchtursachen vor allem präventiv angehen und damit auf längere Sicht abmildern. Wir befürworten die Einrichtung humanitärer Schutzzonen im Einvernehmen mit den jeweiligen Staaten und mit Finanzierung der EU. Wir wollen die Prüfung von Asylanträgen in Drittstaaten ermöglichen. So können Betroffene dort ausloten, ob sie eine Bleibeperspektive in der EU haben und gegebenenfalls auf eine gefährliche Flucht verzichten. Selbstverständlich unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Grund- und Menschenrechte (...)“
AFD:
„(...) Zum Schutz unserer Freiheit, unserer Lebensweise und unserer Identität muss die irrreguläre und illegale Masseneinwanderung aus kulturfremden Regionen nach Europa beendet werden. Der Schutz der Außengrenzen des Europäischen Bundes wird als Aufgabe aller Mitgliedsstaaten verstanden. Er umfasst die Errichtung wirksamer physischer Barrieren, eine moderne technische Überwachung und den Einsatz von Grenzschutzpersonal. Er wird durchgeführt von nationalen Behörden im Zusammenwirken mit der Agentur für die Grenz- und Küstenwache des Bundes.
Alle mit dem Außengrenzschutz verbundenen Kosten werden von der Gemeinschaft getragen. Die nationalen Behörden der Grenzstaaten können in Krisensituationen die Unterstützung von Behörden anderer Mitgliedsstaaten anfordern. Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Landespolizeien unterstützen in diesem Fall andere Mitgliedsstaaten bei der Kontrolle ihrer Außengrenzen. Sie handeln dann als Unterstützung für Polizei- und Grenzschutzbeamte des jeweiligen Staates. Die Grenzstaaten werden außerdem ermächtigt, zur Wahrnehmung des Grenzschutzes technische und personelle Unterstützung ihrer Streitkräfte (Militär)heranzuziehen.....
Auf den Meeren werden Schleuserboote ausnahmslos zu ihren Herkunftshäfen oder den nächstgelegenen, nichteuropäischen Häfen zurückeskortiert (...)
Die millionenfache Aufnahme junger Menschen aus Entwicklungsländern Afrikas und des Nahen Ostens in Europa beraubt die Herkunftsstaaten jener Leitungsträger, die dort zum Aufbau bzw. Wiederaufbau benötigt werden. (...) Auf nationaler und europäischer Ebene müssen Remigrationsprogramme auf- und ausgebaut werden (...)
In den letzten Jahren wurden Migrationsbewegungen gezielt als Mittel der hybriden Kriegsführung und zum Zwecke der politischen Erpressung eingesetzt. Verteidigung gegen die Migration als Mittel der hybriden Kriegsführung (...)“
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