Massieh, welche drei Worte beschreiben dich am besten?
Ehrgeizig, empathisch, verantwortungsbewusst.
Und warum?
Wenn ich auf meine Vergangenheit schaue, dann war ich immer sehr ehrgeizig. In der Schule, während meines Studiums, in meinem zivilgesellschaftlichen Engagement, in meiner Selbstständigkeit und jetzt auch auf meinem Weg in die Politik. Ich kann mich sehr gut in die Gefühlswelt von Menschen einfinden, mit ihnen mitfühlen und dadurch verstehen, wie sie zu gewissen Schlüssen gekommen sind. Wenn ich mich einer Aufgabe annehme, wie beispielsweise dem Mandat für die Hamburgische Bürgerschaft, dann verpflichte ich mich mit allem, was ich bin, dieser Aufgabe. Und das mache ich, weil ich ein großes Verantwortungsbewusstsein verspüre und Menschen, die mir vertrauen, nicht enttäuschen möchte.
"Der Rechtsruck der vergangenen Jahre hat mich in meinen Gedanken, in die Politik zu gehen, nochmal deutlich gestärkt"
Du bist seit Jahren ehrenamtlich aktiv und setzt dich für soziale und politische Belange ein. Was bedeutet Ehrenamt für dich?
Ehrenamtliches Engagement ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Ohne Ehrenamtliche wären viele gesellschaftliche Herausforderungen nicht gelöst worden. Der Staat hat nicht die Möglichkeit, alle Probleme zu lösen. Dafür braucht er die Bevölkerung, die sich ehrenamtlich engagiert. Menschen zu sehen, die sich ehrenamtlich engagieren und ihre Zeit spenden, um etwas Gutes zu bewirken, gibt mir Energie, um selbst weiterzumachen.
Trotz beruflicher und privater Verpflichtungen hast du dich entschieden, politisch aktiv zu werden – und sogar für die Bürgerschaftswahl in Hamburg zu kandidieren. Gab es ein Schlüsselerlebnis, das deinen Weg in die Politik geprägt hat?
Der Rechtsruck der vergangenen Jahre hat mich in meinen Gedanken, in die Politik zu gehen, nochmal deutlich gestärkt. Die Enthüllungen von Correctiv Anfang 2024 waren dann quasi der letzte Auslöser. Ich möchte nicht, dass Menschen wie ich noch einmal fliehen müssen oder – Gott bewahre – in eine noch größere Gefahrensituation kommen. Mit Rechtsruck meine ich nicht nur die AfD, sondern auch die anderen Parteien, die sich von den Nazis vor sich her treiben lassen und teilweise zu ihrem Steigbügelhalter werden. Es ist gruselig, wenn man sich die Parallelen der heutigen Zeit zu den Jahren vor 1933 anschaut.
Was motiviert dich auf diesem Weg?
Durchhaltevermögen, Disziplin und Einfühlsamkeit. Ein Zitat, das mich bislang mein ganzes Leben begleitet hat und dessen Interpretation ich den Leserinnen überlasse, stammt von meiner Mutter: „In Deutschland musst du [als Ausländerin] immer doppelt so gut sein wie die Deutschen“. Auch wenn es mir wehtut, das so über die deutsche Gesellschaft zu sagen, glaube ich, dass es definitiv noch immer so ist. Als Mensch mit Migrationsgeschichte muss man strukturell viel mehr Hürden überwinden. Und das schafft man erst, wenn man an sich arbeitet und nicht aufgibt.
Ich weiß, das hört sich gerade an wie ein Tipp von einem Lifecoach. Aber damit meine ich nicht sowas wie: „Du musst nur hart an dir arbeiten, dann wirst du es schon schaffen“. Nein, solche systemischen Hürden zu überwinden, braucht Zeit. Und wir brauchen Mutige, die sich dafür einsetzen, dass der Prozess zügiger vonstattengeht.
Was möchtest du politisch erreichen?
Ich möchte, dass alle Gruppen dieser Gesellschaft einen Zugang zu allen politischen Ebenen erhalten und sich von der Politik repräsentiert fühlen. Allen soll möglich sein, sich politisch zu beteiligen, Zugänge zu erhalten und sich einzubringen. Dadurch erhoffe ich mir, dass mehr gesellschaftliche Gruppen ein Teil unserer lebendigen Demokratie werden und sich ihr zugehörig fühlen. Denn wer sich der Gesellschaft zugehörig fühlt, wird sie auch schützen, wenn es darauf ankommt.
"Ich setze einen großen Fokus auf politische Kommunikation über soziale Medien"
Viele Menschen fühlen sich von der Politik übersehen. Wie stellst du sicher, dass deine politischen Botschaften verschiedene Menschen erreichen?
Das ist eine wirklich wichtige Frage, die ich als Kandidat für die Hamburgische Bürgerschaft wahrscheinlich anders beantworte als ein gewählter Abgeordneter. Ich setze einen großen Fokus auf politische Kommunikation über soziale Medien. Das ist übrigens auch mein Beruf, als Soloselbstständiger. Und in diesem Zusammenhang kommentieren natürlich ganz viele unterschiedliche Menschen unter meinen Posts.
Leider sind die meisten nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert. Ich versuche trotzdem, eine Brücke aufrechtzuerhalten. Sprich, auch wenn man meine Partei und ihre Positionen nicht mag, stehe ich zur Verfügung, um Positionen einzuordnen, zu erklären und damit auch Unterschiede aufzuzeigen.
Wenn du einen Tag absolute Entscheidungsmacht in Hamburg hättest, welche drei Dinge würdest du sofort umsetzen?
Bleiben die Dinge dann auch langfristig? Falls ja, dann würde ich in allen städtischen Institutionen eine Quote etablieren, dass bei Neuanstellungen 30 % Menschen mit Migrationsgeschichte eingestellt werden müssen. Zweitens würde ich eine große Investition in unser Bildungssystem vornehmen. Und drittens würde ich den Döner in Hamburg per Erlass auf fünf Euro festsetzen.
Du kommst aus Bremen und hast einige Zeit im Ausland verbracht. Warum hast du dich letztlich für Hamburg als Lebensmittelpunkt entschieden?
Nach meinem Abitur bin ich mit zwei Freunden für ein Jahr nach Kanada gegangen, um dort zu arbeiten und zu reisen. Das war eine sehr prägende Zeit. Als ich zurück nach Deutschland kam, bin ich sofort nach Hamburg gezogen. Hamburg war also die erste Station meines Studentenlebens. Die erste Station, wo es auch für mein Leben „ernster“ wurde. In Hamburg habe ich eine gemeinnützige Organisation aufgebaut, die jetzt seit zehn Jahren besteht. Wir saßen übrigens über viele Jahre im gleichen Co-Working-Space wie das kohero Magazin.
Was bedeutet Hamburg für dich?
Die Stadt hat zwar leider ein typisch norddeutsches Wetter, die Menschen sind aber sehr offen und herzlich. Ganz anders als manche behaupten. Und ich finde auch, dass es Hamburger*innen gar nicht nötig haben, immer auf Bremen zu schauen (lacht). Hamburg ist eine tolle Stadt. Seid stolz drauf.
Zum Schluss, die wichtigste Frage: Was ist dein kulinarischer Geheimtipp für Hamburg?
Das afghanische Restaurant „Ariana“ in der Nähe des Jungfernstiegs. Die eröffnen jetzt bald nach einem Umbau.