Unser Leben war geprägt von Umzügen und Unsicherheiten. Bildung hatte die höchste Priorität zu Hause – sie sei der Schlüssel zur Zukunft und Akzeptanz. Also lernte ich und arbeitete hart, egal was um mich herum passierte. Trotz einschneidender Ereignisse und finanzieller Hürden absolvierte ich mein Studium und kam damit meinem Traum, Lehrerin zu werden, näher.
Während des ersten Telefongesprächs mit der Leitung der mir zugewiesenen Schule wurde ich sehr freundlich behandelt. Doch das Verhalten änderte sich merklich, als man mich das erste Mal sah. Ich wurde gebeten, ein Formular für die Statistik auszufüllen. Jung und gutgläubig tat ich dies ohne Nachfragen. Als ich das Feld zur Konfession ausfüllte, war die Reaktion Erstaunen. „Ich dachte, Sie seien konvertiert“, hörte ich. Als ich dies verneinte, versicherte sie mir, dass sie nichts dagegen habe. In diesem Moment wurde mir mulmig. Wieso sollte jemand etwas dagegen haben? Wogegen?
Am ersten Tag kam ich eine Stunde vor dem verabredeten Zeitpunkt, holte den Schlüssel ab und wartete im Lehrerzimmer. Als die Schulleitung in der Pause eintrat, ging ich zu ihr. Sie sprach zunächst mit allen anderen Kollegen. Als ich schließlich an der Reihe war und meinen Stundenplan besprechen wollte, verlor sie vor den Kolleg*innen den gewahrten Respekt, schrie mich an und machte mir nicht nachvollziehbare Vorwürfe. Ich wäre zu spät erschienen. Ich versuchte mich zu erklären, denn ich war wesentlich früher da gewesen, doch ich fand kein Gehör. Überwältigt, schwieg ich schließlich.
Zu Hause konnte ich bei meiner Mutter alles rauslassen: „Ich dachte, nach dem Studium gehöre ich dazu!“
Die darauffolgenden Wochen waren geprägt von Schikanen, Erschwernissen und sogar persönlichen Angriffen. Dies führte schließlich dazu, dass ich mit dem Gedanken spielte, das Referendariat abzubrechen. Doch Freunde und Familie schenkten mir Kraft, sodass für mich einstehen konnte und schließlich die Schule wechselte.
Doch bevor ich ging, ließ man seinem Ärger freien Lauf zu lassen und teilte mir mit, dass ich für den Job nicht geeignet sei und meine Berufswahl überdenken sollte. Ich schwieg.
Verunsichert kam ich an die neue Schule. Hier war man offen, hieß mich willkommen und freute sich über meine Unterstützung. Hier sah man mich. Hier gab man mir eine Chance. Nach erfolgreicher Absolvierung des Vorbereitungsdienstes hatte ich die Wahl zwischen mehreren Stellenangeboten.
Die ersten Wochen meiner praktischen Ausbildung waren sehr prägend und beschäftigten mich noch Jahre danach. Ich wurde nicht ernst genommen, mir wurden viele Steine in den Weg gelegt und meine Abhängigkeit ausgenutzt. In der Schule blieb ich standhaft, während ich zu Hause unendlich viele Tränen vergoss – so sah mein Leben wochenlang aus.
Doch ich beendete das Referendariat erfolgreich. Währenddessen und all den Jahren meiner beruflichen Tätigkeit hat mir die Freude am Unterrichten und das Miteinander mit meinen Schülerinnen sowie den Kolleginnen gezeigt, dass der Lehrberuf meine Berufung ist. Ich bin glücklich, dass ich nicht aufgegeben habe und selbstbewusst genug war, um als Anfängerin nicht auf „Sie sind für den Beruf nicht geeignet“ zu hören.
Meinem damaligen Ich, auf dem Sofa meiner Mutter, möchte ich sagen: „Du gehörst dazu! Manche Menschen richten ihren Frust auf andere. Zu ihnen willst du nicht gehören! Zu ihnen solltest du nicht gehören! Geh deinen Weg und du wirst sein, wo du immer sein wolltest!“