Am 19. Februar 2020 tötete ein Rechtsextremist in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst. Vier Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau erinnern sich Menschen deutschlandweit an die Todesopfer: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Der Gedenktag an die Opfer in Hanau fällt dieses Jahr mit Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zusammen, die zeigen, dass ein großer Teil der Gesellschaft etwas aus der Vergangenheit gelernt hat: dass Rechtsextremismus keinen Platz hat. Das ist ein gutes Zeichen. Doch der Anschlag in Hanau hat gezeigt, dass Rassismus und Rechtsextremismus effektiv bekämpft werden müssen. Ob in der Schule, auf der Straße, in Shisha-Bars oder sogar beim Fußballspielen: Es ist wichtig, dass die Gesellschaft entschlossen gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung vorgeht.
Angriffe gegen Geflüchtete: Alarmsignal für die Gesellschaft
Vorläufige Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen allerdings ein anderes Bild auf: Die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte ist in Deutschland offenbar im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Die Sicherheitsbehörde registrierten insgesamt 2.378 mutmaßlich politisch motivierte Straftaten gegen Migrant*innen – fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor: Die Politik hat versagt, als Politiker*innen der demokratischen Parteien die Stimmung gegen Asylsuchende aufgehetzt haben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) selbst will "im großen Still abschieben". Finanzminister Christian Lindner (FDP) und CDU-Chef Friedrich Merz haben mit ihren Aussagen auch den Eindruck erweckt, dass Asylbewerber*innen im Vergleich zu anderen Bürger*innen mehr staatliche Leistung erhalten würden. Deshalb ist es kein Wunder, dass Rassisten sich mit so eine gehetzte Atmosphäre bestärkt fühlen und geflüchtete Menschen sowie Migrant*innen angreifen.
Nun ist es nötig, eine konsequente Verfolgung dieser Straftaten sowie bessere Schutzkonzepte für Unterbringungsunterkünfte einzuführen. Doch allein diese Sicherheitsmaßnahmen und die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus werden das Problem nicht lösen. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um die Wurzeln des zunehmenden Extremismus zu bekämpfen.
Daher ist es wichtig, dass die Politik, die Gesellschaft sowie die Medien eine klare Haltung gegen jede Form von Volksverhetzung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einnehmen. Und zwar: durch die Stärkung von Bildungsprogrammen für Toleranz und Vielfalt, um Vorurteile zu überwinden und Respekt gegenüber anderen Kulturen zu entwickeln. Dazu kommt auch die Beschaffung eines Raums für Betroffene, um ihre Ängste und Erfahrungen zu teilen und damit Unterstützung von Fachleuten und anderen Betroffenen zu erhalten.
Die nun veröffentlichten Zahlen sind eine Warnung für die Gesellschaft und die Politik, dass Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte nicht sicher sind und sich zunehmend bedroht fühlen. Wer die Auswirkungen des Zuspruchs rechtsradikaler und rechtsextremer Gruppierungen wie der AfD verringern möchte, muss dieses Alarmsignal wahrnehmen. Denn die gehetzte Debatte über Migrant*innen lässt die AfD und andere Rechte und Rechtsextremisten hoffen, dass ihre „Deportationspläne“ eines Tages umgesetzt werden können.
Es reicht nicht aus, dass wir nach solchen schrecklichen Ereignissen die Taten verurteilen, sondern wir müssen aktiv daran arbeiten, eine Kultur der Akzeptanz und Toleranz zu fördern. Damit schaffen wir eine Atmosphäre des Respekts und der Solidarität, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft oder Hautfarbe sicher und willkommen ist. „Erinnern heißt verändern“, deshalb muss, wer verhindern will, dass so etwas wieder geschieht, die Erinnerungskultur wachhalten. Damit kämpfen wir gegen die Normalisierung von Rassismus und Diskriminierung sowie Antisemitismus.