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Hast du "schlechte" Angewohnheiten?

Im Newsletter „migrantische psyche“ schreibt Zara über mentale Gesundheit, wobei sie den Fokus auf migrantische Perspektiven legt. Diesmal geht es um Angewohnheiten, die im globalen Norden als dysfunktional angesehen werden.

Hast du "schlechte" Angewohnheiten?
Fotograf*in: Marina Yalanska auf Unsplash

In der heutigen Ausgabe geht es um sogenannte schlechte oder dysfunktionale Verhaltensweisen und Dynamiken. Zumindest um solche, die als schlecht im Globalen Norden und in der westlichen Welt gelten, für Familien mit Migrationsgeschichte aber durchaus förderlich sein können.

Mit einem offeneren Verständnis von mentaler Gesundheit und dem, was toxisch für uns ist, ist es wichtig, einen kritischen, ausgeglichenen Blick und ein möglichst umfassendes Verständnis von Störungen, Einflüssen und Auswirkungen zu schaffen und mehrere Perspektiven einzunehmen. Ein paar der folgenden Begriffe und psychologischen Phänomene erkennst du eventuell aus vorangegangen Ausgaben von migrantische psyche wieder.

Verstrickung, Abhängigkeit, Verbindung – Community

Im globalen Norden gilt das Verstricktsein, das bedeutet in der Regel das Fehlen von Grenzen, als dysfunktionaler Charakterzug einer Familieneinheit. Für migrierte Familien, die sich auf ihre Abgeschlossenheit und kulturelle Gemeinschaft verlassen, um sich vor Assimilierung und Schaden durch die dominante und häufig diskriminierende Gesellschaft zu schützen, kann diese Verflechtung ein starker Schutzfaktor sein. Während westliches Leben auf Individualismus pocht, bauen unsere migrantischen Kulturen oft auf Kollektivismus.

Indirektes Setzen von Grenzen

Westliche Normen vermitteln uns oft, wir sollten direkt und deutlich sein und für uns selbst eintreten. Menschen, Gruppen, Familien aus anderen Kulturen können sich jedoch eher auf Verhaltensgrenzen als auf verbale Grenzen stützen, um soziale und kommunikative Standards des Respekts aufrechtzuerhalten. Konfrontation wird aus Rücksicht häufig vermieden und durch Handlungen – und sozusagen Codes – wird hervorgehoben, welchen Umgang und wie wir diesen pflegen möchten.

Kodependenz

Kodependenz wird oft mit „ungesunden“ oder „dysfunktionalen“ Beziehungsmustern assoziiert, die dazu führen, dass sich eine Person zu sehr auf eine andere verlässt und gleichzeitig von dieser abhängig ist. Diese Muster können zwar eine unausgewogene Beziehungsdynamik aufrechterhalten, aber in kollektivistischen Kulturen kann es genauso normal sein, verfügbar zu sein, etwas für andere zu tun und andere an die erste Stelle zu setzen, um den Zusammenhalt der Gruppe oder der Familie zu erhalten. Es wird anders priorisiert.

Mehr noch, es kann sogar um Überlebensbedürfnisse gehen, die bestimmte Familienmitglieder dazu bringen, sich auf die Hilfe anderer, jüngerer Familienmitglieder zu verlassen. Was als ungesund oder gesund gilt, hängt davon ab, wen man fragt und wie sich diese Muster auf die jeweilige Person auswirken.

Parentifizierung

Parentifizierung ist nicht nur Kindern von migrantischen Familien vorbehalten, wird in diesen Familien aber stärker empfunden. Dies wird durch kindliche Frömmigkeit und Familiensinn erschwert, gemeinsame Werte, die dazu ermutigen, unsere Älteren und Familien über uns selbst zu stellen. Und es gibt allgemeine instrumentelle und logistische Probleme, die für das Überleben in einem neuen Land notwendig sind, wie die Vermittlung von Kultur und Sprache, die oft dem Kind auferlegt werden. Gleichzeitig können Personen an dem Verantwortungsgefühl wachsen, solange es sie langfristig nicht überfordert und somit in anderen Bereichen hemmt.

Während die Parentifizierung im globalen Norden als eine Form der emotionalen Vernachlässigung untersucht wurde, und das kann für viele zutreffen, kann sie also Vorteile haben, wie die Stärkung eines Gefühls des Stolzes auf die eigene Rolle und der Unterstützung in der Familie, gute Arbeitsmoral und Disziplin.

Nutzung sozialer Medien

Während wir dazu neigen, die Gefahren der sozialen Medien und die negativen Folgen zu betonen (und diese sind berechtigt), sollten wir auch berücksichtigen, wie nützlich die sozialen Medien für vor allem migrantische Familien sein können:

Welche Verhaltensweisen fallen dir ein, die von der Mehrheitsgesellschaft als negativ gesehen werden, dich aber bereichern? Lass es mich gerne wissen!

Liebste Grüße

Zara

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