Hamida Shamat, 25 Jahre alt, ist eine frisch approbierte Zahnärztin. Sie bezeichnet sich selbst als jemanden, der „Zuhause zwischen den Welten“ ist und gerne reist. Zusätzlich schreibt sie Gedichte und Spoken-Word-Texte über Themen wie Heimat, Identität und Gesellschaftskritik, die sie gerne auf Bühnen präsentiert. Hamida hat in verschiedenen Teilen Deutschlands gelebt, darunter in West- und Ostdeutschland. Berlin und Hamburg sind für sie „zwei Herzensstädte“, und der Begriff Heimat ist für sie nicht leicht zu definieren. „Möglicherweise liegt Heimat dort, wo die Familie ist, obwohl dieser Ort sich ständig ändern kann“, sagt sie.
Die Berufung zur Zahnmedizin
Schon seit ihrem 16. Lebensjahr hegt Hamida den Traum, in die Zahnmedizin einzusteigen. „Vielleicht, weil ich selbst einige Stunden auf dem Stuhl meiner Kieferorthopädin verbracht habe“, sagt sie. Im Abitur hat sie sich sehr bemüht, den entsprechenden Schnitt zu erreichen, und schließlich ihr Abitur unter den 20 Besten des gesamten Schuljahrgangs abgeschlossen. Das reichte jedoch nicht aus, um einen Studienplatz zu bekommen. Sie hat ein Jahr lang gelernt und mehrmals an einem europaweiten Medizinertest teilgenommen, um an einem Universitätsklinikum zugelassen zu werden.
Sie betont: „Ich liebe meinen Beruf, etwas ausüben zu dürfen, womit man tatkräftig anpacken kann und helfen kann, gleichzeitig im konstanten zwischenmenschlichen Kontakt mit Menschen aller Art zu sein, ganz unabhängig von sozialer Schicht, Religion oder Herkunft.“ Nach ihrem Studium führte Hamidas Berufung sie zu einem zahnmedizinischen Einsatz in Westafrika mit SOS-Kinderdörfer. Dabei wurde deutlich, dass ihre Arbeit nicht nur aus altruistischen Motiven entstand, sondern auch eine persönliche Bereicherung darstellte. Mit einem klaren Bewusstsein für soziale Ungleichheit betont Hamida, dass in Westafrika zwar ein guter Zugang zu guten Ärzt*innen besteht, dies jedoch eher für die Reichen oder die Mittelklasse gilt. Die sozial benachteiligte Schicht fällt oft durch das Netz.
Es dankt einem nicht jeder
Ihr Einsatz vor Ort verdeutlichte nicht nur die Bedeutung einfacher medizinischer Eingriffe, sondern auch den nachhaltigen Einfluss, den individuelles Engagement auf Gemeinschaften haben kann. „Ähnliches haben wir aber auch vor der eigenen Tür. In Hamburg gibt es eine 'Praxis ohne Grenzen', wo Menschen ohne Krankenversicherung oder bei bestimmten Kosten behandelt werden, die nicht von der Krankenkasse gedeckt werden. Sofern es einen selbst oder das unmittelbare Umfeld nicht betrifft, weiß man das oft nicht.“
Die treibende Kraft hinter Hamidas Arbeit sind klare Werte: „Weitergeben, jeden Menschen gleich behandeln, immer nach bestem Gewissen arbeiten und dabei akzeptieren, dass es einem nicht immer jeder dankt.“ Darüber hinaus betont sie, „dass der Dank und Lohn für die Arbeit allein von Allah kommen sollten. Von Patienten, die oft wenig begeistert sind, zum Zahnarzt zu gehen, diesen zu erwarten, wäre unpassend. Es ist entscheidend, die Motivation aus inneren Überzeugungen zu schöpfen.“ Obwohl ihre Eltern zunächst Schwierigkeiten hatten, ihre Entscheidung für die Medizin zu „verstehen“, haben sie Hamida schließlich unterstützt, als sie ihre Entschlossenheit erkannten.
Erfahrungen als Person mit Migrationsgeschichte
Die Erfahrungen als Person mit Migrationsgeschichte und als Muslima haben von Anfang an „entscheidende Weichen“ in ihrem Leben gestellt. Hamida hatte seit ihrer Grundschulzeit mit Vorurteilen und Diskriminierung aufgrund ihres Migrationshintergrunds und als sichtbare Muslima mit Kopftuch zu kämpfen. In NRW besuchte sie die Grundschule und in der 4. Klasse entschieden die Lehrer*innen, auf welche weiterführende Schule sie gehen durfte.
„Obwohl ich einen guten Notendurchschnitt hatte, sagte meine Lehrerin zu meinen Eltern: 'Hamida wird sowieso sehr jung zwangsverheiratet und dann nur noch Hausfrau und Mutter. Der Platz für sie auf dem Gymnasium wäre eine Verschwendung. Die Realschule sollte reichen.' Dank des unerschütterlichen Willens meines Vaters, uns hier in Deutschland alle Möglichkeiten zu eröffnen, durfte ich einen Probeschultag am Gymnasium machen und nach weiteren Diskussionen dort auf Probe ins Schuljahr starten. Meine Grundschullehrer wichen damals von ihrem Standpunkt nicht ab.“
Während ihres Studiums hat Hamida „immer wieder überall“ bemerkt, wie man „als nicht rein deutsch gelesene Person immer ein wenig mehr geben muss, bzw. sich weniger Fehler erlauben sollte als der Durchschnitt, weil man immer ein wenig mehr im Fokus steht“. Sie sagt: „Es sind diese subtilen Dinge, die man dann nicht mal abwehren kann, und wenn man sie benennt, wird einem vorgeworfen, man übertreibe.“
Diese Erfahrungen haben ihren Weg beeinflusst und sie dazu motiviert, sich gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit einzusetzen. „Neben der Medizin beschäftige ich mich durch mein Studium und meinen Beruf mit gesellschaftlichen Problemen, Identität, der Frage von Heimat als Mensch in der Diaspora, Religion, etc. Und diese Themen spielen auch immer wieder eine wichtige Rolle in meinen Texten, die ich auf der Bühne performe.“
Bereicherung durch den Migrationshintergrund
Hamida ist der Meinung, dass der Migrationshintergrund sie bereichert hat. „Meine Mama ist Deutsche, mein Vater Ägypter. Und ich bin dankbar für jedes Erleben und Kennenlernen dürfen. Man gehört zu beiden nie ganz dazu und wird es auch nie. Diesen Fakt muss man akzeptieren; man gehört zu dieser Zwischengruppe. Man ist halt Zuhause zwischen den Welten. Ich habe diesen Satz verinnerlicht und sehe es als Bereicherung im Leben, sich an mehreren Orten heimisch fühlen zu können, da jeder Ort einen kleinen Schatz trägt.“ Doch sie sagt auch: „Ich bin halb ägyptisch und sichtbare Muslima mit meinem Kopftuch. Ich denke, dadurch fällt man in dieser Gesellschaft vor allem in das Feindbild: Islam.“
Zu der Frage, welche Perspektiven ihr in öffentlichen Diskussionen zu Flucht und Migration fehlen, beklagt Hamida die bestehende Klassenmigration und Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen, insbesondere gegenüber Muslimen. Sie sieht jedoch keinen Mehrwert darin, ihre Energie in den Frust darüber zu investieren. „In der Öffentlichkeit stört mich ganz klar diese Klassenmigration. Die einen Migranten und Geflüchteten sind einem lieber als die anderen, und wir Muslime sind sowieso ganz unten auf der Sympathie-Skala. Ich könnte an dieser Stelle tausend Worte darüber verlieren, aber um ehrlich zu sein, sehe ich auch nicht mehr den Mehrwert darin, seine Energie in den Frust darüber zu investieren.“
Vielleicht kommt man nie ganz an
Hamida wird sich „immer und immer wieder gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit“einsetzen. Ihr Glaube und die Hoffnung bzw. das Vertrauen auf Allah motivieren sie, weiterzukämpfen und sich den Herausforderungen zu stellen. In ihrem Leben begleiten Hamida einige Weisheiten, die sie auch mit anderen Menschen teilen möchte:
„Komme an zwischen den Welten, denn ein vollständiges Ankommen gibt es nicht.“
Verfolge immer deinen Traum und erst, wenn du alles dafür getan hast und es immer noch nicht geklappt hat, dann kann man sagen, vielleicht hat Allah etwas Besseres für einen vorgesehen. Aber wäre es nicht traurig, später einmal dazusitzen und zu sagen: „Ich wollte immer, aber habe nicht …“
„Sei offen für Neues und verurteile nicht, wenn andere Dinge anders machen. Gerade unter uns Muslimen … es gibt mashaAllah so viele Muslime auf dieser Welt in so vielen verschiedenen Kulturen und Ländern, und allein, dass die meisten das gleiche Glaubensverständnis haben, ist schon wunderbar. Warum also wird an Kleinigkeiten sich so lange aufgehalten, wenn am Ende jeder doch allein vor Gott steht.“
Hamida betont die Bedeutung von Offenheit, dem Verfolgen von Träumen und der Akzeptanz, dass man möglicherweise nie ganz ankommt. Sie zeigt sich als eine starke Persönlichkeit, die ihre Identität und Leidenschaften aktiv gestaltet und dabei fest in ihrem Glauben verwurzelt ist.