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Geflüchtete Syrerinnen in den Arbeitsmarkt integrieren

Laila Kaddah berichtet von den Hindernissen, vor denen sich aus Syrien geflüchtete Frauen auf dem Arbeitsmarkt sehen.

Geflüchtete Syrerinnen in den Arbeitsmarkt integrieren

Deutschland wird von vielen Migranten als Land angesehen, das zahlreiche Möglichkeiten für bessere Arbeitsangebote und damit auch eine verbesserte Lebensqualität bietet. Allerdings trifft diese Sichtweise nicht auf alle Migranten zu, insbesondere nicht auf geflüchtete Frauen. Für viele syrische Frauen bedeutet Deutschland leider das Ende ihrer beruflichen Zukunft. Syrische Geflüchtete, besonders diejenigen mit akademischem Hintergrund, haben Schwierigkeiten, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu finden. Viele von ihnen sind gezwungen, ihren bisherigen Beruf aufzugeben oder in einem anderen, meist nicht-akademischen Bereich zu arbeiten.

Die Hindernisse

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) lag die Beschäftigungsquote der geflüchteten Frauen im Jahr 2020 bei lediglich 13 Prozent. Die Studie wies darauf hin, dass Bildungsmangel, Sprachfähigkeiten und traditionelle Rollenmodelle die Integration von geflüchteten Frauen in den Arbeitsmarkt erschweren. Die Studie empfahl die Erweiterung von Sprachförder- und Ausbildungsprogramme für geflüchtete Frauen, um Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Allerdings wurden in der Studie andere Herausforderungen, mit denen bei geflüchteten Frauen der Integration in den Arbeitsmarkt konfrontiert sind, nicht ausreichend beleuchtet.

Es ist wahr, dass sprachliche Herausforderungen oder familiäre Verpflichtungen, wie die fehlende Kinderbetreuung, Hindernisse für den Eintritt von geflüchteten Frauen in den Arbeitsmarkt darstellen. Jedoch verstärkt die Diskriminierung gegenüber geflüchteten Frauen am Arbeitsplatz diese Herausforderungen noch weiter. Arbeitgeber haben oft stereotypische Vorstellungen von geflüchteten Frauen, was ihre Wahrnehmung und ihre Chancen auf angemessene Arbeitsplätze beeinträchtigt. Darüber hinaus mangelt es auf dem Arbeitsmarkt häufig an effektiven Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Geschlechtergleichstellung.

Die Herausforderungen variieren zudem je nach Berufsfeld, in dem die Frauen arbeiten möchten. Besonders im Bereich Lehramt und Rechtswissenschaften sind die Schwierigkeiten größer. Die Chancen für dieser Frauen, die als Lehrerinnen in ihren Heimatländern tätig waren, in Deutschland eine Anstellung zu finden, sind nahezu ausgeschlossen, da ihre Abschlüsse von den deutschen Lehramtsbehörden nicht anerkannt werden.

Aber auch die Bürokratie und das Fehlen gezielter Beratung in den Jobcentern können sich negativ auf ihre Chancen auf passende Arbeitsplätze auswirken. Sie könnten Schwierigkeiten haben, die komplizierten bürokratischen Abläufe zu verstehen, und könnten nur unzureichend über geeignete Stellenangebote oder Weiterbildungsprogramme informiert werden, um ihre Fähigkeiten zu verbessern.

Soziale Netzwerke

Zusätzlich können auch Kommunikationsschwierigkeiten und das Fehlen sozialer Netzwerke in der deutschen Gesellschaft die beruflichen Erfolgschancen beeinträchtigen. Starke soziale Beziehungen helfen beim Aufbau beruflicher Unterstützungsnetzwerke, erleichtern den Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und fördern das Verständnis des Arbeitsmarktes durch den Austausch mit anderen. Darüber hinaus könnten professionelle Mentoren ein Schlüssel sein, um geflüchteten Frauen zu unterstützen und ihnen berufliche Ratschläge und Unterstützung anzubieten. Diese Mentoren könnten Anleitung geben, wie sie ihre Fähigkeiten verbessern und erfolgreich in Deutschland eine berufliche Karriere aufbauen können.

Mehrere syrische Frauen berichteten in Interviews über ihre Erfahrungen. Eine dieser Frauen ist Frau Bayat, 42 Jahre alt und aus Damaskus, Syrien. Sie hat Medizintechnik studiert und arbeitete zehn Jahre lang im syrischen Gesundheitsministerium. Trotz der Verantwortung für ihre zwei Kinder gelang es ihr, ihren beruflichen Weg in ihrer Heimat erfolgreich zu verfolgen. Aufgrund des Krieges verließ sie Syrien und kam 2016 nach Deutschland, wo sie derzeit in Bielefeld lebt. Sie erlernte die deutsche Sprache bis zum B2-Niveau und ließ ihre Studienabschlüsse anerkennen.

Keine Stellen im angestrebten Berufsfeld

Frau Bayat berichtete von den Schwierigkeiten, in Deutschland eine passende Arbeit zu finden. Über einen Zeitraum von zwei Jahren bewarb sie sich mehrfach für verschiedene Stellenangebote und Praktikumsplätze, erhielt jedoch stets Absagen. Sie betonte, dass sie bisher keine spezialisierte Beratung oder berufliche Weiterbildung erhalten hat.  Seit ein paar Monaten arbeitet sie in Teilzeit als Produktionsmitarbeiterin in einem Unternehmen. Jedoch liegt ihr aktuelles Arbeitsgebiet weit entfernt von ihrer früheren Erfahrung.

Dennoch ist sie gezwungen zu arbeiten, um gemeinsam mit ihrem Ehemann die steigenden Lebenshaltungskosten bewältigen zu können. Es betrübt sie zutiefst, dass sie bisher keine geeignete Gelegenheit gefunden hat, in ihrem angestrebten Berufsfeld zu arbeiten. Sie fühlt sich verloren und weiß nicht, wie sie vorgehen soll.

Bei einem weiteren Gespräch mit der 48-jährigen Frau Ali prägten Frustration und Enttäuschung ihre Worte. Ali ist eine kurdische syrische Frau aus Al-Qamishli, einer Stadt im Nordosten Syriens, die bereits in Syrien unter dem Verlust ihrer bürgerlichen Rechte litt. Ihr wurde die syrische Staatsbürgerschaft verweigert, was sich auf alle Aspekte ihres sozialen und beruflichen Lebens auswirkte.

Obwohl sie in Syrien Jura studierte, konnte sie aufgrund der fehlenden syrischen Identität ihre Anwaltstätigkeit nicht ausüben. Dennoch ließ sie sich nicht von ihrer beruflichen Laufbahn abhalten und arbeitete im Bereich der Kindertagesstätten. Sie gründete sogar ihre eigene private Kindertagesstätte und meisterte dabei bürokratische Herausforderungen. Aufgrund des Krieges in Syrien musste Ali in die Türkei fliehen und kam schließlich 2015 nach Deutschland, wo sie seit etwa acht Jahren in Aachen lebt. Sie erlernte die deutsche Sprache bis zum B2-Niveau.

Ali äußerte ihre Frustration darüber, dass sie bisher keine spezialisierte berufliche Beratung von Jobcentern oder anderen offiziellen oder inoffiziellen Stellen erhalten hat. Sie fühlt sich verloren und weiß nicht, welcher Beruf oder welche Weiterbildung sie befähigen würde, in den deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen.

Mangelnde Unterstützung

Nach ihren Aussagen haben die Mitarbeiter des Jobcenters keine Informationen über die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und setzen sich nicht ausreichend dafür ein, Arbeitssuchende zu unterstützen. Frau Ali wünscht sich eine berufliche Weiterbildung, um im Rechtsbereich tätig zu sein, aber es wurde ihr vorgeschlagen, eine Schulung für die Altenpflege zu absolvieren, was nicht ihren Interessen entspricht. Von anderen syrischen Frauen erfuhr sie, dass es eine berufliche Weiterbildung im Bereich OGS Schultag gibt, und nahm an einer Online-Schulung teil, musste jedoch die Kosten selbst tragen, da die Jobcenter-Mitarbeiter sich weigerten, diese zu übernehmen.

Seit mehreren Monaten bewirbt sich Ali auf verschiedene Stellenangebote im Bereich der Kinderbetreuung, hat jedoch bisher noch keine Einladungen zu Vorstellungsgesprächen von Arbeitgebern erhalten. Obwohl sie seit etwa acht Jahren in Deutschland lebt, hat sie bisher noch nicht den passenden beruflichen Weg für sich gefunden. Am Ende unseres Gesprächs drückte Frau Ali ihre Gefühle voller Unterdrückung aus: „Ich möchte auch ein erfülltes Leben führen. Ich wünsche mir, wie andere Menschen zu leben und meinen geliebten Beruf ausüben zu können.“

Diese beiden Frauen stehen stellvertretend für viele Frauen, denen der Einstieg in den Arbeitsmarkt ohne gezielte Unterstützung schwerfällt. Es lässt sich sagen, dass geflüchtete Frauen ein enormes Potenzial besitzen und eine wertvolle Bereicherung für den deutschen Arbeitsmarkt darstellen können.

Doch um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, müssen wir die vielfältigen Herausforderungen bewältigen und gezielte Maßnahmen ergreifen, um eine echte Gleichstellung von geflüchteten Frauen und anderen Frauen in der deutschen Gesellschaft zu gewährleisten. Dies erfordert die Förderung von Chancengleichheit, die Implementierung gezielter Beratungsprogramme und die Überwindung von Stereotypen, um den Arbeitsmarkt für sie nachhaltig zu verbessern. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir sicherstellen, dass diese talentierten Frauen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten in Deutschland entfalten können.

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