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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Gedanken zu Ramadan

„So etwas wie Weihnachten“ denkt Süreyya, als Ramadan in ihrer Kindheit in die Winterzeit fällt. Dass das nicht ganz stimmt, stellt sie später fest.

Gedanken zu Ramadan

In meiner Kindheit kam es zufällig dazu, dass Ramadan in die Weihnachtszeit fiel. Das war eine verwirrende Erinnerung, denn mein kindliches Bewusstsein dachte automatisch, dass Ramadan „so etwas wie Weihnachten“ ist. Erst mit den Jahren bemerkte ich, dass Ramadan kein Winterereignis ist, sondern sich nach dem Mondkalender richtet. Wenn ich jetzt aber einige Trends beobachte, wie etwa einen Ramadankalender, ähnlich einem Adventskalender, weiß ich, dass ich mit meinen Gedanken nicht allein war.

Ich erinnere mich zurück …

Wieder sind Ferien, wieder blicke ich aus dem Fenster und sehe Lichter. Ein Licht im Obergeschoss – Oberlicht. Ein Licht im Erdgeschoss – ein Weihnachtslicht. Ein Licht im Zwischengeschoss – meine Arbeitsleuchte, die mir mein Vater zu meiner Einschulung geschenkt hat. Zur Einschulung, nicht zu Weihnachten. Ein Detail, das mir an jenem Tag wieder schwer auf der Brust sitzt. Es ist der Heilige Abend. Nicht aber in meinem Geschoss, im Zwischengeschoss, im Hier und Jetzt. Eine Kindheitserinnerung, die ich irgendwie nie so richtig ablegen kann.

Weihnachten gehörte immer zu den Tagen, die mir offenkundig vor Augen führte, dass wir doch anders sind, als unsere Nachbar*innen. Als Kind sah ich natürlich nur bunte Kekse, Geschenke und Lichter. Ich war eingenommen von den schönen Dingen, die Weihnachten mit sich brachte und konnte nur die Ungerechtigkeit darin sehen, dass mich keiner bat, eine Wunschliste zu schreiben.

Mit den Jahren wurde meine Stimme lauter und auch der Bedarf, diesen einen Tag auch feiern zu dürfen. Ob Jesus, Isa oder sonst wer seinen Geburtstag feierte, war mir auf meine kindliche Art total egal. Ich habe es nicht als wichtiges Detail gesehen, um an der ganzen Weihnachtssache mitzumachen. Wenn es nach meinen Eltern ging, haben sie uns immer freidenkend, mit großen Zukunftsperspektiven erzogen. Da waren große Träumereien, von Frauen als Physiker*innen auf dem Mond – durchaus eine mögliche Sache.

Es gab aber einiges, das entsprach nicht den Vorstellungen meines Vaters, dazu gehörte Weihnachten. Ihm fehlte die Vorstellungskraft für die Bedeutung, denn es hat ihn wenig gestört. Anders als wir, hier geboren und aufgewachsen und für immer fest im Zwischengeschoss, ist mein Vater aus der Türkei zum Studieren nach Deutschland gekommen.

Sein Bewusstsein war türkisch gepolt – er hat seine Kindheit und Jugend nicht in Deutschland verbracht. Er hat Feiertage gefeiert, die alle in seinem Umfeld gefeiert haben. Wenn seine Familie was zu feiern hatte, dann haben es die Nachbarn auch gehabt. Wurde in seinem Dorf das Fastenbrechen mit einem Zuckerfest beendet, dann haben es alle in seiner Straße, alle Familien gleich getan. Er wusste, es ist ein besonderer Tag und daran hat keiner gezweifelt.

Als mein Vater also nach Deutschland kam, hat er beobachtet und gesehen, dass die Menschen hier anderes feiern, etwas ihm Fremdes. Als er sich entschied hier zu bleiben und wir Kinder ins Spiel kamen, ist ihm nicht gleich klar gewesen, dass dieses Fremde, in den Augen seiner Kinder, ein Fernweh entflammen würde. Eine leise Leere. Heute weiß ich, dass es nie um Weihnachten ging. Ich war ein Kind und habe nur gesehen, dass meine Welt im Weiß versinkt und dass Schulplaner Feiertage markierten, die nur die Nachbarn feierten.

Leise Leere

Wir hatten kulturell gesehen auch unsere besonderen Tage, doch meine Mitschüler wussten nichts davon. Ich musste trotzdem zu Schule, mein Vater musste trotzdem zur Arbeit. Manchmal sagte ich dann, ja heute ist sowas wie Weihnachten für uns, aber das konnte sich in der Schule keiner so richtig vorstellen. „Du bist ja hier in der Schule, von einem Tag zum Feiern kann man da nicht reden.“ – „Ja, du hast recht.“

Leise Leere. Mein Zwischengeschoss kann sich oft sehr leer anfühlen, manchmal sitze ich hier fest. Manchmal werde ich hier reingedrängt, manchmal sehe ich Hochhäuser voller Zwischengeschosse. Manchmal öffnet sich aber ein Fenster und ich sehe nach unten und erkenne das Fundament, das mir meine Großeltern und Eltern hinterlassen. Das trägt mich dann ein Stockwerk höher und ich erkenne ganz oben ein Dach aus vielen bunten Steinen.

Ich wusste nicht, wo mich dieser Text hinführt, am Ende sehe ich wieder nur Gemeinsamkeiten, gleiche Menschen. Daher denke ich mir, lieber Leserin, es ist egal, ob du dich am Ende über die vielen bunten Eier zu Ostern freust oder auf die kunstvoll geschichtete Baklava, was wichtig ist, ist das WIR. In diesem Sinne wünsche ich allen eine friedvolle & besinnliche Fastenzeit, egal welche.

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