Vor ein paar Wochen war ich auf der Friedhofsverwalter*innen-Tagung im Sepulkralmuseum in Kassel und habe einiges über den schlechten Zustand der Friedhöfe in Deutschland gelernt.
Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel ist ein kulturgeschichtliches Museum, das sich den Themen Sterben, Tod, Bestattung, Trauer und Gedenken im deutschsprachigen Raum widmet. Bei dieser Tagung kamen Expertinnen und Verwalterinnen aus Kirche und Kommune zusammen, um die aktuellen Herausforderungen und Handlungsansätze im Bereich der Friedhofsverwaltung zu diskutieren.
Das zentrale Thema der Tagung war: Ein Drittel der Friedhöfe in Deutschland steht unter kirchlicher Verwaltung, die immer mehr an Beliebtheit verlieren und vielerorts vor Schulden zu ersticken drohen.
Es ging um Themen wie den Rückgang von Ehrenamtlichen, finanzielle Engpässe für notwendige Sanierungen (viele Gebäude sind denkmalgeschützt), Imageprobleme der Kirchen sowie den demografischen Wandel und den Verlust kirchlicher Mitglieder. Sogenannte moderne und alternative Bestattungsformen wie Feuerbestattungen und Friedwälder sind eine ernstzunehmende Konkurrenz. Es wird damit gerechnet, dass zwei Drittel der Fläche auf Friedhöfen bis 2050 nicht mehr gebraucht werden. Das liegt vor allem daran, dass immer weniger Menschen Erdgräber wollen (teilweise nur noch 20 Prozent), und dadurch viel Fläche auf den Friedhöfen frei wird. Es ist daher dringend notwendig, Pläne für die jetzt schon immer leerer werdenden Friedhöfe zu machen.
Trotz aller Klagen wurde aber auch klar, dass viele Friedhöfe kaum wirtschaftlich betrieben wurden und es wenig zusätzliche Einnahmequellen außer der Friedhofsgebühren gibt. Ich war überrascht, als ich erfahren habe, dass Friedhöfe nicht durch Kirchensteuern finanziert werden. Als Argument wurde genannt, dass die Kirchen öffentliche Pflichtaufgaben übernehmen und die Kirchensteuern deshalb nicht zweckentfremdet werden dürfen. Ich frage mich, ob den Kirchen der Tod so wenig wert ist und was die Mitglieder dazu sagen.
Zudem wurde klar, dass viele Bürgerinnen und Bestatterinnen nicht wissen, was kommunale und kirchliche Friedhöfe alles bieten, weil diese kaum Öffentlichkeitsarbeit leisten. Es fehlen auch vielerorts innovative Ideen, um die Friedhöfe für die Öffentlichkeit attraktiver zu machen.
Alle waren sich einig, dass Friedhöfe wieder mehr als wichtige Bestandteile unserer Gemeinschaft wahrgenommen werden sollten. Immer mehr Friedhofsverwaltungen verstehen, dass der Trend in Richtung öffentlicher Friedhöfe geht, die Orte der Rituale und Gemeinschaft für alle Bürger*innen sind, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.
Ich kann dem nur zustimmen, denn ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und für mich sind Friedhöfe eine grüne Lunge und ein Ort der Ruhe in der Stadt. Schon als Kind bin ich gerne mit meinen Großeltern auf den Waldfriedhof gegangen, wo unsere Vorfahren liegen. Ich habe Eicheln gesammelt, bin den Eichhörnchen hinterhergerannt und habe mir die Namen der Gräber angeschaut. Außerdem erinnern uns Friedhöfe ständig an eine Realität, die viele, vor allem privilegierte Menschen im Alltag gerne verdrängen: dass jedes Leben einmal endet.
Ich habe auf der Tagung mehrfach gehört, dass „Bestattungskultur ein Spiegel der Gesellschaft ist“. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Toten bestatten, ist ein direktes Abbild der gesellschaftlichen Werte. Jedoch habe ich wenig Bewusstsein dafür gespürt, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist, deren Bevölkerung von verschiedensten Bestattungskulturen und -bedürfnissen geprägt ist.
Friedhöfe sind weltweit zentrale Orte, an denen man trauern, sich erinnern und zusammenkommen kann. In vielen Kulturen und Religionen haben Erdgräber und Friedhöfe nicht an Bedeutung verloren und der Anteil dieser Menschen in Deutschland wächst stetig. Viele Gemeinschaften, vor allem auch mit migrantischem Hintergrund, schätzen die Möglichkeit, ihre eigenen Rituale und Traditionen zu pflegen.
Einige hier aus der Newsletter-Community haben mir geschrieben, dass sie aus religiösen Gründen keine Zugänge zu den Friedhöfen haben, die direkt in ihrer Nähe sind. Ich habe schon aus allen Teilen Deutschlands gehört, dass es nur einen einzigen (wenn überhaupt) Friedhof für muslimische Gräber oder andere Religionen in der Stadt gibt und sie deshalb große Strecken zurücklegen müssen, um ihre Verstorbenen zu besuchen und zu betrauern. Ich frage mich, ob diese Realitäten genügend mit in die Kalkulationen und Zukunftspläne der kommunalen und kirchlichen Friedhofsverwaltungen einbezogen werden. Denn das sollten sie.
Es wäre nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch gesellschaftlich gewinnbringend, Friedhöfe für die Öffentlichkeit stärker zu öffnen und inklusivere und transkulturelle Räume zu schaffen. Selbst wenn religiöse und institutionelle Bedürfnisse zurückgehen, gibt es für viele im Tod immer noch ein starkes rituelles und spirituelles Bedürfnis, dem Friedhöfe gerecht werden können und müssen.
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