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Erste Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs in Syrien

Die Wirtschaft Syriens erfährt nach dem Sturz des Assad-Regimes einen Aufschwung. Die Vereinten Nationen wollen eine engere Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung beginnen.

Erste Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs in Syrien
Fotograf*in: Burak the Weekander auf pexels.com

Seit dem Sturz des Assad-Regimes scheint in Syrien ein neues Kapitel der wirtschaftlichen Entwicklung zu beginnen. Die syrische Lira hat binnen weniger Tage spürbar an Wert gewonnen und sich gegenüber dem US-Dollar deutlich erholt. Zeitgleich sinken auf den lokalen Märkten merklich die Preise für Lebensmittel – ein Novum, das bei vielen Menschen vorsichtige Hoffnung aufkeimen lässt.

Nach Jahren strikter Kontrollen und repressiver Maßnahmen ist der Umgang mit ausländischen Währungen nun deutlich freier. Wo einst schon das Aussprechen des Wortes „Dollar“ riskant war, dürfen Händlerinnen und Verbraucherinnen inzwischen offen handeln. Auch bei Grundnahrungsmitteln wie Zucker oder Mehl machen sich die veränderten Umstände bemerkbar: Ihre Preise liegen auf einem Niveau, das man zuletzt vor Jahren gesehen hat.

Diese neue Offenheit spiegelt sich in einer dynamischen Marktszene wider, in der Wechselstuben und Geschäfte von einer bereits im Ansatz spürbaren Stabilität profitieren. Zwar übertragen manche Händler*innen die günstigeren Konditionen nur langsam auf ihre Waren, doch der allgemeine Trend ist unverkennbar: Syrien atmet wirtschaftlich etwas freier – und viele hoffen, dass es sich dabei nicht nur um ein kurzes Luftholen, sondern um den Beginn eines nachhaltigen Aufschwungs im Nachkriegs-Syrien handelt.

Unterdessen haben die Vereinten Nationen grünes Licht erhalten, um enger mit der neuen syrischen Übergangsregierung zusammenzuarbeiten. In einem Interview mit der Zeitung „Asharq al-Awsat“ erklärt Dr. Abdullah al-Dardari, stellvertretender UN-Generalsekretär und Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) für die arabischen Staaten, dass Syrien unter dem alten Regime rund 24 Jahre an Entwicklungsfortschritt eingebüßt habe. Die Zahlen sprechen für sich: Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von 62 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 auf nur 8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Die Armut ist förmlich explodiert, von 12 auf über 90 %, und mehr als 65 Prozent der Syrer*innen sind von Hunger betroffen.

Angesichts der weitgehenden Zerstörung von Wohnraum und Infrastruktur rückt nun vor allem die institutionelle Stärkung in den Fokus. Al-Dardari macht deutlich, dass es ohne handlungsfähige, effiziente staatliche Strukturen kein echtes Vorankommen geben kann – keine Entwicklung, keinen Wiederaufbau. Genau hier will das UNDP ansetzen: Neben dem Aufbau starker Institutionen steht die Förderung des Privatsektors im Mittelpunkt, der trotz Jahren der Krisenlage standhaft geblieben ist. Diese Maßnahmen zeigen bereits erste Auswirkungen: Allein die Aussicht auf eine freiere Wirtschaftsordnung wirkte sich belebend auf die syrische Lira aus, deren Kurs zuletzt deutlich anstieg.

Langfristig sieht Dr. al-Dardari den Weg zur Erholung Syriens in weitreichenden Reformen der Regierungsführung, einer Stärkung des Rechtsstaats, einem offenen nationalen Dialog und einem klaren ökonomischen Fahrplan. Die Einbindung des Privatsektors, gepaart mit einem verlässlichen sozialen Sicherungssystem, soll die Basis dafür legen, dass Syrien wieder zu einem Ort wird, an dem investiert, produziert und gehandelt werden kann – zum Wohle der gesamten Bevölkerung.

Diese Entwicklung, so vorsichtig sie sich derzeit noch abzeichnet, vermittelt zumindest einen ersten Eindruck davon, in welche Richtung sich das Land nach den dunklen Kapiteln des Assad-Regimes bewegen könnte: hin zu mehr Offenheit, mehr Stabilität und damit zu einem ersten Schritt in Richtung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Genesung.

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Eine kurze Zusammenfassung der Lage:

Assad dementiert heimlichen Fluchtplan und widerspricht Reuters-BerichtBaschar al-Assad, der nach dem Sturz seines Regimes entmachtete syrische Machthaber, bestreitet in einer am 16. Dezember veröffentlichten Erklärung, heimlich aus Damaskus geflohen zu sein. Er behauptet, bis zum Fall seines Regimes in der Hauptstadt geblieben und seiner Verantwortung nachgekommen zu sein. Anschließend sei er nach eigenen Angaben in Abstimmung mit Russland nach Latakia gegangen, um die Kämpfe weiterzuverfolgen. Dort habe sich jedoch herausgestellt, dass die syrischen Truppen bereits zurückgewichen und die letzten Stellungen gefallen seien, was zu einer schnellen Evakuierung nach Russland geführt habe.

Laut Assad sei zu keinem Zeitpunkt von Asyl oder Rücktritt die Rede gewesen; er habe sich stets als Vertreter eines nationalen Projekts verstanden, gestützt auf den Willen des syrischen Volkes. Da der Staat nun in die Hände des „Terrorismus“ gefallen und nichts mehr zu leisten gewesen sei, habe das Amt für ihn an Bedeutung verloren.

Diese Darstellung widerspricht einem „Reuters“-Bericht von vor zwei Tagen, wonach Assad heimlich einen Fluchtplan vorbereitet hatte, ohne die meisten Regierungsverantwortlichen oder Familienmitglieder einzuweihen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur soll Assad kurz vor seinem Sturz mithilfe von Täuschung und Geheimhaltung versucht haben, unbemerkt das Land zu verlassen.

Israel erweitert Siedlungspläne auf dem Golan: Scharfe Kritik aus der Region

Die israelische Regierung hat einen 40-Millionen-Schekel-Plan beschlossen, um die Zahl der israelischen Siedler*innen auf den besetzten syrischen Golanhöhen nach dem Sturz von Baschar al-Assad zu erhöhen. Laut Premierminister Netanjahu soll damit die israelische Präsenz gestärkt sowie Bildungsprojekte, erneuerbare Energien und Infrastruktur ausgebaut werden. Der Regionalrat des Golans begrüßt diesen Schritt und betont die Bedeutung von Wohnraum, Infrastruktur und Wirtschaftsförderung, um mehr Siedler*innen anzuziehen.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilen den israelischen Beschluss scharf, sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht und eine Gefährdung von Syriens Souveränität und Stabilität. Sie fordern die internationale Gemeinschaft auf, diesen Schritt zu verurteilen.

Die Golanhöhen sind seit 1967 von Israel besetzt und 1981 annektiert, was international weitgehend nicht anerkannt ist. Nach dem Sturz des Assad-Regimes griff Israel verstärkt in Syrien an, unter anderem mit Luftangriffen. Der syrische Kommandeur Ahmad al-Schara meint, Israels Argumente für solche Interventionen seien hinfällig, und warnt vor weiteren Spannungen in der Region.

Arabische Kontaktgruppe setzt auf UN-gestützten Friedens- und Wiederaufbauprozess in Syrien

Die „Arabische Kontaktgruppe“ hat sich nach dem Sturz des Assad-Regimes für einen von den UN begleiteten, friedlichen politischen Übergangsprozess in Syrien ausgesprochen. In ihrer Abschlusserklärung vom 14. Dezember in Aqaba bekräftigt sie die Unterstützung des syrischen Volkswillens, fordert eine inklusive, von allen gesellschaftlichen Gruppen Syrien getragene Übergangslösung und verweist auf die UN-Resolution 2254 als Grundlage für freie, faire und von der UN beaufsichtigte Wahlen. Zudem sollen humanitäre Hilfe und der Schutz der staatlichen Institutionen gesichert, Terrorismus bekämpft sowie Rahmenbedingungen für eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten geschaffen werden.

Die Kontaktgruppe fordert einen sofortigen Stopp aller militärischen Handlungen und betont den Bedarf an nationalem Dialog, Versöhnung und Rechtsstaatlichkeit ohne Vergeltung. Sie verurteilt zudem jede fremde Besatzung, insbesondere das israelische Vordringen in syrische Gebiete, und macht deutlich, dass die Golanhöhen syrisches, von Israel besetztes Land sind.

Unter den Teilnehmenden befanden sich hochrangige Vertreterinnen arabischer Staaten, der Vereinten Nationen, der EU sowie internationale Partner wie die USA, die Türkei und europäische Staaten. Nach dem Sturz des Assad-Regimes übernahm eine Übergangsregierung unter Mohammed al-Bashir die Amtsgeschäfte. Die Kontaktgruppe strebt nun eine enge Abstimmung mit internationalen Partnerinnen an, um den Wiederaufbau Syriens im Sinne einer geeinten, sicheren und stabilen Zukunft für das syrische Volk voranzutreiben.

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