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Erd-, Feuer- oder Sozialbestattung?

Im Newsletter „zwischen welten“ schreibt Anjuli über die Themen Tod und Bestattungen in der Fremde. In dieser Ausgabe erklärt sie die verschiedenen Bestattungsarten in Deutschland.

Erd-, Feuer- oder Sozialbestattung?
Fotograf*in: Anjuli Aggarwal

Zurück aus der Sommerpause werde ich ab heute die verschiedenen Bestattungsformen und -gesetze, die es in Deutschland gibt, vorstellen. Hier gibt es viel Unwissenheit und Fragen in der gesamten Bevölkerung und diese Lücke möchte ich versuchen zu schließen. Im Rahmen dieser Einführung werde ich dann auch auf das für heute angekündigte Thema Zeit und Bestattung eingehen. Außerdem möchte ich anhand einiger Beispiele aufzeigen, welche Probleme Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte bei den jeweiligen Bestattungsformen haben.

Grundsätzlich gibt es in Deutschland zwei Bestattungsarten: die Erdbestattung und die Feuerbestattung. Heute werde ich dir die Besonderheiten und Unterschiede der beiden Bestattungsarten vorstellen, in den nächsten Newslettern wird es dann detaillierter.

Erdbestattung

Die Erdbestattung ist eine der ältesten Bestattungsformen, u.a. auch im christlich geprägten Deutschland. In Deutschland gibt es eine lange Tradition und klare rechtliche Vorgaben für Bestattungen, daher sind Bestatter*innen in der Regel für deren Durchführung verantwortlich. Das Konzept der Bestattungsinstitute, wie wir es heute in Deutschland kennen, ist für viele Menschen aus anderen Ländern nicht oder wenig bekannt und in Deutschland erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden.

Die verstorbene Person wird, nachdem sie von den Angehörigen oder Bestatter*innen versorgt und angekleidet wurde, in einem Sarg oder Tuch in der Erde auf einem Friedhof beerdigt. Vor der Bestattung gibt es meistens eine Abschiednahme und eine Trauerfeier. Die Abschiednahme kann dort stattfinden, wo die Person gestorben ist oder es die Angehörigen wünschen. Das kann im Krankenhaus, zu Hause, im Pflegeheim, Krematorium, Gebetshaus, in der Halle auf dem Friedhof oder beim Bestattungsinstitut sein.

Meist wird dabei die verstorbene Person im (geschlossenen oder offenen) Sarg aufgebahrt, es gibt Reden über das Leben und den Charakter der Person, und man nimmt gemeinsam Abschied. Nach den Bestattungen gibt es oft einen sogenannten „Leichenschmaus“, bei dem sich die Trauergemeinschaft zusammensetzt, mit einem Essen der verstorbenen Person gedenkt und in ihrer Trauer nicht alleine ist.

Gräber haben in Deutschland oft eine Ruhezeit von 15 bis 25 Jahren, in denen das Grab bezahlt und gepflegt werden muss. Danach kann das Grab verlängert oder aufgelöst werden. Erdbestattungen sind oft am teuersten, wegen der Kosten für den Grabstein, die Grabpflege und auch die Friedhofsgebühren sind höher als bei einer Feuerbestattung.

Die muslimischen Gemeinden in Deutschland haben nach jahrelangem Kampf durchgesetzt, dass seit einigen Jahren eine Erdbestattung auch ohne Sarg möglich ist. Die verstorbene Person wird dann meist trotzdem in einem Sarg zum Grab und dort von den Angehörigen ins Grab getragen.

Feuerbestattung

Ebenso hat die Feuerbestattung eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte, auch in Europa. Erst durch die Verbreitung des Christentums ging diese stark zurück und erwachte dann im 19. Jahrhundert wieder durch koloniale Einflüsse, sowie die Säkularisierung, Industrialisierung und Urbanisierung in Europa.

Die verstorbene Person wird in einem hochfunktionalen Krematorium eingeäschert und die Asche in einer Urne beigesetzt. Dazu werden die verbrannten Überreste der verstorbenen Person von sämtlichen Überresten (Metallen, Grabbeigaben), die nicht in die Urne dürfen oder passen, getrennt und anschließend in einer Aschemühle gemahlen. Eine Feuerbestattung ist ohne Sarg technisch und rechtlich aktuell nicht möglich in Deutschland. Bei der Feuerbestattung kann die Trauerfeier vor und/oder nach der Einäscherung stattfinden. Nach der Einäscherung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Bestattung der Asche in der Urne: Rasengrab, Blumengarten, Ruhewald, Kolumbarium, Baum, Luft, See.

Eine Feuerbestattung ist meistens günstiger als eine Erdbestattung. Der meist einfache Sarg ist günstig und die Friedhofsgebühren sind niedriger. Das ist unter anderem ein Grund, weshalb in Deutschland mittlerweile zwei Drittel aller Menschen feuerbestattet und nur ein Drittel erdbestattet werden.

In Deutschland gibt es verschiedene Bestattungsformen, die von den individuellen Wünschen der Verstorbenen oder ihren Angehörigen, aber auch von sozialen oder finanziellen Gegebenheiten abhängen.

Bei anonymen Bestattungen wird die verstorbene Person ohne namentliche Kennzeichnung in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Das gilt für Erd- und Urnenbestattungen. Angehörige nehmen an der Beisetzung nicht teil und wissen nicht, wo die Urne beerdigt wurde (es gibt Ausnahmen bei halb-anonymen Bestattungen). Oft gibt es keine besondere Grabpflege. Viele wählen diese Form aus finanziellen Gründen, weil sie keinen Gedenkort haben oder sich nicht um eine Grabpflege kümmern wollen.

SozialbestattungSozialbestattungen finden statt, wenn die verstorbene Person oder ihre Angehörigen die Bestattungskosten nicht tragen können. In diesen Fällen übernimmt das Sozialamt die notwendigen Kosten und entscheidet über die Art der Bestattungen. Die Sozialbestattung deckt nur eine sehr einfache und schlichte Feuerbestattung mit den notwendigsten Leistungen (z. B. Trauerfeier, Blumenschmuck, namentliche Nennung) ab. Möchte man eine Erdbestattung, muss man dies meist beantragen und begründen, dass dies aus religiösen, kulturellen oder persönlichen Gründen notwendig ist.

Das Ordnungsamt veranlasst Bestattungen, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums (i. d. R. 8 Tage) keine Angehörigen gefunden werden oder sich weigern, die Bestattung zu bezahlen. Gründe dafür gibt es viele: Kontaktabbruch, Angehörige sind im Ausland oder nicht gemeldet. Diese Bestattung erfolgt oft auf einfachste Weise (anonyme Feuerbestattung), um die Kosten gering zu halten, denn diese werden von der Gemeinde bzw. der Kommune getragen und können deshalb stark voneinander variieren. Meistens finden hier Sammelbestattungen einmal im Monat statt. Wenn später Angehörige gefunden werden, müssen sie eventuell für die Kosten aufkommen. Besonders arme, vereinsamte Menschen, die schon zu Lebzeiten marginalisiert wurden, werden auf diese Weise bestattet.

In Deutschland werden jährlich etwa 10–15 % der Bestattungen als Sozial- oder Ordnungsamtsbestattungen durchgeführt. Die Zahl solcher Bestattungen ist in den letzten Jahren aufgrund sozialer und ökonomischer Faktoren gestiegen, insbesondere in Großstädten, wo Anonymität und Armut häufiger sind. Dazu haben auch strukturelle Faktoren wie die Abschaffung des Sterbegelds der Krankenkassen im Jahr 2004 beigetragen. Dieser Rückzug des Staates und Gesundheitssektors aus dem Sterben und die zunehmende individuelle Verantwortung für das Sterben machen es immer mehr Menschen in Deutschland schwer, eine würdevolle und selbstbestimmte Bestattung zu erhalten.

Wenn jemand in seinem Heimatland bestattet werden möchte, muss der Verstorbene auf dem Land- oder Luftweg überführt werden. Hierfür sind bestimmte Dokumente (Totenschein, Sterbeurkunde, Leichenpass) erforderlich und der Verstorbene muss in einem speziellen luftdichten Zinksarg überführt werden. Wurde die Person davor in Deutschland kremiert, ist die Überführung in der Urne wesentlich billiger und einfacher. Die Kosten variieren stark je nach Land und in vielen müssen Genehmigungen beim Konsulat eingeholt werden.

Die sogenannte Reerdigung ist eine neue Bestattungsart. Der Körper eines verstorbenen Menschen wird dabei in einem Schnellverfahren zersetzt, sodass nichts als fruchtbare Erde zurückbleibt. In Deutschland sind Reerdigungen aktuell nur in Schleswig-Holstein möglich.

In anderen Ländern sind viele weitere Bestattungsformen möglich und die Gesetzeslage ist viel offener und flexibler. In Deutschland sind die meisten Sonderformen nicht oder nur unter Umständen und Hilfe von Bestattungsinstituten und Behörden umsetzbar.

Call to ActionWelche Bestattungsformen kanntest du schon und was ist dir neu?

Welche Bestattungsform würdest du für dich bevorzugen?

Schreibe mir gerne deine Antworten an anjuli@kohero-magazin.de oder über Instagram @deathindiaspora.

Ich antworte auf jede Nachricht und freue mich, dich kennenzulernen!

Im nächsten Newsletter werde ich dir ein paar deutsche Bestattungsgesetze vorstellen, die die Bestattungsformen und -ausführung regeln und sich in jedem Bundesland unterscheiden. Diese Bestattungsgesetze regulieren die Parameter von Leben und Tod und können besonders für Menschen, deren Bestattungstraditionen oder -wünsche davon abweichen, sehr einschränkend und belastend sein.

Hast du Gedanken, Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge, die dir beim Lesen dieses Newsletters kamen oder die du gerne im Newsletter sehen würdest? Sei ehrlich!

Liebe Grüße

Deine Anjuli

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