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Eine neue Ära für Syrien: Amads Hoffnung und Emotionen nach dem Sturz von Al-Assad

Der 8. Dezember 2024: Wie der Sturz eines jahrzehntelangen Regimes für Amad und Millionen Syrer*innen den Traum von Heimat, Freiheit und einer Zukunft in Syrien neu entfachte

Eine neue Ära für Syrien: Amads Hoffnung und Emotionen nach dem Sturz von Al-Assad
Fotograf*in: Nasser Alzayed

Amads Augen leuchten, als er über die vergangenen Tage spricht. Für ihn war es wie ein Erwachen: „Das krasseste Gefühl ist, dass ich endlich ein Land habe, eine Heimat“, sagt er. Zum ersten Mal fühlt er, was es bedeutet, wirklich dazuzugehören. „Die ganze Zeit war das eine fiktive Heimat in meinem Kopf, die in Wirklichkeit nicht existierte. Eine Heimat soll Sicherheit geben, ein Rückzugsort sein – das gab es vorher nicht. Und jetzt? Jetzt existiert sie wirklich.“

Er schildert die Flut von Emotionen, die ihn überwältigten: Freude, aber auch Angst, die sich langsam legte, als die Realität von Latakia – seiner Heimatstadt, in der religiöse Vielfalt gelebt wird – ihm zeigte, dass nichts passieren würde. „Es ist erstaunlich, dass es bisher keine Racheakte gab. Das macht mich stolz auf die Latakianer.“

Amad erzählt von den kurzen Telefonaten in der Nacht des Umsturzes und den häufigen Gesprächen am nächsten Tag. „Wir haben uns Bilder und Videos geschickt – von den Straßen, den Feiern, überall.“ Selbst hier in Hamburg, Tausende Kilometer entfernt, feierte er mit anderen Syrer*innen: „Es war minimal, aber wir waren auf den Straßen, haben gejubelt, Revolutionslieder gesungen – doch das ist nur ein Bruchteil von dem, was man vor Ort erlebt.“

Die Bedeutung dieses historischen Tages für Syrer*innen ist für viele Außenstehende schwer greifbar. „Ich habe jemandem erzählt, dass ein 53-jähriger Diktator gestürzt wurde, und die Reaktion war, mir kurz auf die Schulter zu klopfen und weiterzugehen. Das hat mir gezeigt, wie wenig die Leute hier darüber nachdenken, was das für uns bedeutet.“

Er hebt hervor, wie brutal und lähmend die 24-jährige Herrschaft Bashar al-Assads war und die insgesamt 53 Jahre lange Diktatur der Al-Assad-Familie: „Je länger ein Diktator an der Macht ist, desto brutaler wird es. Und für uns war es ein Leben ohne Perspektive.“

Doch Amad ärgert sich verständlicherweise auch über die kühle, analytische Haltung vieler westlicher Medien und Menschen, die sofort nach dem Sturz kritisch und pessimistisch die Zukunft Syriens analysierten. „Man nimmt den Menschen die Freude. Klar, der Wiederaufbau wird schwierig, aber das ist kein Grund, am ersten Tag die Hoffnung zu dämpfen.“

Amad denkt viel darüber nach, was die Zukunft bringen könnte. Seine Hoffnung? „Ich wünsche mir, dass alles reibungslos verläuft und dass wir Syrer – ob im Inland oder in der Diaspora – das Gelernte der letzten 13 Jahre nutzen. Früher wussten wir nicht einmal, was ein Ausnahmezustand ist. Jetzt sind wir politisch bewusster und können bessere Entscheidungen treffen.“

Ein leises Lächeln huscht über sein Gesicht, als er hinzufügt: „Ich hoffe, eines Tages in Syrien einen Wahl-O-Mat nutzen zu können. Hier in Deutschland ist das gut, aber für die Heimat wäre es unbeschreiblich. Einfach die Freiheit zu haben, eine Wahl zu treffen – das ist der wahre Luxus.“

Für Amad und Millionen anderer Syrer*innen markiert der 8. Dezember 2024 nicht nur das Ende eines Regimes, sondern den Beginn einer neuen Ära. Es ist ein Tag, an dem Träume, die lange begraben waren, wieder aufblühen. Ein Tag, der Hoffnung gibt – auf Frieden, Freiheit und eine Heimat, die ihren Namen verdient.

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