Zum Inhalt springen
2 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Einbürgerung in Deutschland – mehr als nur ein Pass

Was bedeutet die deutsche Staatsbürgerschaft tatsächlich für die Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte, die diesen Schritt gehen? Um das herauszufinden, geben Hassan, Dania, Ammar und Mohammed Einblicke in ihre Erfahrungen und Perspektiven zur Einbürgerung.

Einbürgerung in Deutschland – mehr als nur ein Pass
Fotograf*in: Omar Ramadan

Im Jahr 2023 erhielten in Deutschland 75.500 syrische Staatsangehörige die deutsche Staatsbürgerschaft – ein Anstieg von 56 % im Vergleich zum Vorjahr. Mit einem Durchschnittsalter von 24,5 Jahren und einem Männeranteil von 64 % stellten sie die größte Gruppe unter den Eingebürgerten dar. Dieser Zuwachs hängt eng mit der hohen Zuwanderung syrischer Schutzsuchender in den Jahren 2014 bis 2016 zusammen, die inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen.

Rund 37 % der eingebürgerten Syrerinnen waren Ehepartnerinnen oder minderjährige Kinder, die ohne Mindestaufenthaltsdauer eingebürgert wurden. Auch türkische und irakische Staatsangehörige gehörten mit jeweils 10.700 Einbürgerungen zu den größeren Gruppen. Während die Einbürgerungen irakischer Staatsangehöriger um 57 % stiegen, gingen die Zahlen bei türkischen Staatsangehörigen um 25 % zurück.

Einbürgerung als pragmatische Erleichterung

Seit elf Jahren lebt Hassan (34) in Deutschland und arbeitet als Ingenieur in Dortmund. Für ihn ist die Einbürgerung eine pragmatische Erleichterung im Alltag. „Der deutsche Pass erleichtert mein Leben ungemein. Ich muss mich nicht mehr mit Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen herumschlagen, und das Reisen ist einfacher geworden“, sagt er. Doch Hassan teilt auch eine oft gehörte Ambivalenz: „In meinem Herzen bleibe ich Syrer. Das ist meine Kultur, und das wird sich nicht ändern.“ Für ihn bedeutet die deutsche Staatsbürgerschaft Sicherheit und Stabilität – jedoch keine Aufgabe seiner Identität.

„Deutschland ist meine Heimat, ich habe keine andere“

Bei Dania (25) ist das ein wenig anders. Als Teenagerin kam sie mit ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland. Heute arbeitet sie als Lehrerin in Dortmund und empfindet ihre Einbürgerung als entscheidenden Schritt, um sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. „Deutschland ist meine Heimat. Die Staatsbürgerschaft ist für mich ein Zeichen, dass ich dazugehöre und mitgestalten kann – als Lehrerin und als Bürgerin“, erzählt sie.

Doch auch Dania ist Vorurteilen begegnet: „Kommentare wie ‚Du sprichst aber gut Deutsch!‘ zeigen, dass einige Menschen noch Schwierigkeiten haben, Deutschland als Einwanderungsland zu akzeptieren.“ Für die 25-Jährige bleibt Syrien ein Teil ihrer Identität, aber Deutschland ist das Land, in dem sie ihre Zukunft sieht: „Ich bin Deutsche – mit allem, was dazugehört.“

Zwischen Akzeptanz und Ausgrenzung

Ammar, 29, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und im Empfangsbereich eines Hotels arbeitet, zeigt eine eher nüchterne Sicht auf die Einbürgerung. „Der deutsche Pass ist für mich vor allem ein Reisedokument. Er gibt mir Bewegungsfreiheit und eröffnet Möglichkeiten“, sagt er. Doch emotional fühlt er sich nicht vollständig integriert: „Trotz der Staatsbürgerschaft bleibt das Gefühl der Fremdheit. Man gehört nicht ganz dazu.“ Ammar sieht eine gesellschaftliche Herausforderung, die weit über das Erlangen eines Passes hinausgeht: „Viele sehen in mir immer noch den Ausländer. Das zeigt sich besonders in Fragen wie ‚Wo kommst du wirklich her?‘“

„Die Staatsbürgerschaft verändert nicht alles“

Auch Mohammed (41), Restaurantinhaber in Essen, hat eher gemischte Gefühle zur Einbürgerung: „Natürlich hat der deutsche Pass viele Vorteile, aber er hat nicht alles verändert.“ Wie viele andere spürt auch er, dass die Staatsbürgerschaft nicht automatisch soziale Gleichberechtigung bringt. „Man wird oft anders behandelt – ob bei Behörden oder Bewerbungen.“ Trotzdem sieht Mohammed die Einbürgerung als wichtigen Schritt: „Es ist ein Zeichen, dass ich mich für dieses Land entschieden habe. Jetzt liegt es an der Gesellschaft, uns alle gleichzubehandeln.“

Zwischen rechtlicher Anerkennung und gesellschaftlicher Akzeptanz

Die Erfahrungen von Hassan, Dania, Ammar und Mohammed zeigen: Die deutsche Staatsbürgerschaft ist für viele ein Meilenstein, aber sie beseitigt nicht alle Hürden. Deutschland ebnet zwar rechtlich den Weg für Inklusion, die soziale Anerkennung bleibt jedoch ein fortlaufender Prozess – denn echte Gleichberechtigung erfordert mehr als einen Pass. Ammar formuliert es ganz treffend: „Der deutsche Pass bietet Chancen, aber das Gefühl, wirklich Teil dieses Landes zu sein, hängt von der Akzeptanz der Gesellschaft ab.“

Teilen Teilen Teilen Teilen