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3 Min. Lesezeit Kolumne

Duftgeschichten aus meiner Heimat – der Zauber von Bukhoor

Heute möchte ich Dich an einem Ritual teilhaben lassen, das für mich mehr als nur eine Tradition ist. Es geht um Bukhoor – einen der feinsten und sinnlichsten Düfte des Orients, der nicht nur Räume, sondern auch Herzen erfüllt.

Duftgeschichten aus meiner Heimat – der Zauber von Bukhoor
Fotograf*in: Petr Sidorov/Getty Images

Sonntags gehört mein Zuhause der Welt. Freunde, Familie, Nachbarn – sie alle finden sich an meinem Tisch ein, der einer kleinen Festtafel gleicht. Der Duft von warmem Blätterteig mischt sich mit der Salzigkeit frischer Oliven und dem feinen Aroma goldgelber Eier. Zwischen den Schalen mit süßen Datteln, leuchtendem Obst und samtigen Marmeladen thront die Kanne Schwarztee, dampfend und voller Geheimnisse. Dieser Tee, mit Rosenknospen durchsetzt, hat seinen Ursprung auf einem kleinen Basar, verborgen in den Gassen Erbils. Sein Duft gleicht einem Gedicht: leicht blumig, zart herb und doch unvergleichlich sanft. Doch auch wenn das Frühstück für sich bereits aufwändige Aromenkunst ist, bleibt es nur die Bühne für ein anderes Schauspiel. Denn in meinem Zuhause verschmilzt der Duft von Speisen mit einem subtilen, beständigen Wohlgeruch, der die Sinne umschmeichelt, ohne sie zu überwältigen.

„Hier riecht es immer so toll“, sagen meine Gäste; und sie tun es jedes Mal. Dieser Duft – eine Mischung aus sauberem, pudrigem Moschus und gelegentlich einer sanften floralen Nuance – ist wie eine unsichtbare Umarmung. Er erinnert an die Reinheit alter Moscheen, an einen Ort, an dem Zeit keine Rolle spielt und die Luft voller Geschichten schwebt. Heute möchte ich dieses Geheimnis lüften. Betrachte es als eine Einladung in meine Welt . Der Duft, der meine Räume erfüllt, nennt sich Bukhoor.

Was ist Bukhoor?

Bukhoor ist weit mehr als ein Duft; es ist eine jahrhundertealte Tradition, ein Ritual, das die Luft, die Menschen und manchmal auch die Seele reinigt. Der Begriff bezeichnet kleine Duftchips, oft aus getränktem Holz, um Räume mit Wohlgeruch zu füllen. Anders als Parfum, das die Haut schmückt, gehört Bukhoor dem Raum – es wird zelebriert, nicht einfach versprüht. Die Basis eines guten Bukhoor sind sorgfältig ausgewählte Hölzer, meist Adlerholz, die mit einer Mischung aus ätherischen Ölen, Harzen und Gewürzen getränkt werden. Die Kombination variiert je nach Herkunftsland, Tradition und manchmal auch nach Familienrezepten. Mein persönlicher Favorit vereint weißen Moschus, Rosenblüten und einen Hauch von Amber – eine Komposition, die wie eine leise Umarmung in der Luft schwebt.

Das Ritual des Bukhoor

Bukhoor zu verbrennen ist ein Ritual, das Ruhe erfordert. Auf einer kleinen Kohle oder einem elektrischen Räuchergefäß entfalten die Chips ihren Duft langsam, wie ein kostbares Geheimnis, das nur in Schichten offenbart wird. Anfangs ist es rauchig, intensiv, beinahe feierlich – ein Duft, der Raum einnimmt, ohne sich aufzudrängen. Doch dann, nach wenigen Minuten, wird der Rauch weicher. Er umarmt Kissen, Vorhänge und Wände, bis alles in eine unsichtbare Wolke aus Sanftheit gehüllt ist. Doch Bukhoor ist nicht nur ein Geschenk für Räume, sondern auch für uns selbst. In den raffiniertesten Traditionen wird der feine Rauch genutzt, um Haare und Kleidung zu beduften. Die duftenden Schwaden ziehen sich durch die Haarsträhnen, legen sich sanft auf Stoffe und verleihen ihnen einen dezenten, langanhaltenden Hauch von Luxus.

Für viele, die mein Zuhause betreten, ist Bukhoor eine neue Entdeckung. „Wie heißt das?“, fragen sie und ich sehe in ihren Augen die Neugier, die ich so liebe. Vielleicht ist das der wahre Zauber dieses Dufts: Er bringt Menschen zusammen, eröffnet Gespräche und lädt dazu ein, die Welt ein kleines bisschen anders wahrzunehmen. Wenn du das nächste Mal deine Liebsten empfängst, probiere es doch gerne aus. Zünde Bukhoor an, lass den Rauch durch deine Räume ziehen, über deine Kleidung und vielleicht auch durch dein Haar gleiten – und sieh, was geschieht.


In einer früheren Version dieses Artikels kam wiederholt der Begriff „Orient“ vor. Unsere Autorin hat diesen Begriff genutzt, um alle im westasiatischen Raum vertretenen Kulturen zusammenzufassen und für die Leser*innen zugänglich zu schreiben. Um den Lesefluss nicht zu stören, hat sie sich dagegen entschieden, jede gemeinte Kultur aufzuzählen. Bei dem Begriff „Orient“ handelt es sich allerdings um eine westliche und koloniale Fremdbezeichnung, die wir nicht reproduzieren sollten und zukünftig werden. Zudem enthielt der Beitrag Passagen, die dieses koloniale Narrativ reproduzieren und von unserer Community als unsensibel erkannt wurden. Dafür bitten wir um Entschuldigung. Wir haben den Text dementsprechend angepasst. Vielen Dank, dass ihr eure Kritik so offen kommuniziert habt!

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