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Drastische Verschärfungen im Bereich Asyl und Migration – das steht im Sondierungspapier von SPD und Union

Union und SPD starten am Donnerstag in Koalitionsverhandlungen, um die nächste Bundesregierung zu bilden. Aus dem Sondierungspapier geht bereits hervor, dass es zu gravierenden Änderungen im Bereich Migration und Asyl kommen wird. Auf welche Positionen könnten sich die Parteien einigen?

Deutscher Bundestag, Bundestagswahl

Nach der Bundestagswahl hat die Union unter der Führung von Friedrich Merz den klaren Auftrag, eine neue Regierung zu bilden. Doch um eine Mehrheit im Bundestag zu sichern, muss die CDU / CSU sich Verbündete suchen. Rein rechnerisch stünden der CDU mehrere Parteien für eine Koalition offen. Doch praktisch bleibt nur eine realistische Option: eine schwarz-rote Koalition aus der CDU und der SPD. Gemeinsam könnten die beiden Parteien 328 Abgeordneten-Sitze erreichen und damit knapp über den 316 erforderlichen Sitzen für eine Mehrheit im Bundestag liegen. Die Koalition gilt fast schon als gesetzt, da beide Parteien Überschneidungspunkte haben. Doch einige ihrer Ansätze in wichtigen Fragen gehen auch auseinander, insbesondere in der Migrationspolitik. In einem Sondierungspapier gibt Schwarz-Rot nun erste Anhaltspunkte über ihre gemeinsamen Ziele.

Worauf sich SPD und Union verständigt haben

Aus dem Sondierungspapier geht hervor, dass beiden Parteien Integrationsmaßnahmen und die Anerkennung von fachlichen Qualifikationen grundsätzlich weiter fördern möchten. Integrationskurse sollen weiterhin unterstützt werden genauso wie das Programm “Startchancen”, das darauf abzielt, die Chancengleichheit im Bildungssystem zu verbessern. Auch das Angebot für Kitakinder soll verbessert werden. Die Maßnahmen sollen dann in einer verbindlichen Integrationsvereinbarung festgehalten werden.

Wie vorher abzusehen, streben die Koalitionspartner auch veränderte Zuwanderungsbedingungen für Migrant*innen an. Immerhin forderte die CDU/CSU schon im Wahlkampf mehr Abschiebungen und brachte sogar Rückführungen nach Syrien und Afghanistan ins Gespräch, obwohl diese gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Non-Refoulement-Gebot verstoßen würden. Dieses besagt: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ – ein direkter Widerspruch zu den Abschiebepläne der Chistdemokrat*innen. Auch Olaf Scholz warb im Wahlkampf mit einer härteren Abschiebepolitik.

Nun erklärten die CDU/CSU und die SPD gemeinsam, sie würden “Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen” wollen. Dazu sollten freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes beendet und der Familiennachzug für Menschen mit subsidiärer Schutzberechtigung ausgesetzt werden. Aktuell laufen noch mehrere Aufnahmeprogramme, die sich vor allem an besonders schutzbedürftige Personen aus dem Ausland, zum Beispiel aus Afghanistan und Syrien richten. Damit werden reguläre und legale Möglichkeiten, Asyl zu erhalten, stark begrenzt.

Ein weiterer Schritt zur Begrenzung der Migration soll die umstrittene Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS) ins deutsche Recht sein. Das könnte unter anderem bedeuten, dass Schutzsuchende aus Ländern mit einer Anerkennungsquote unter 20 Prozent beschleunigte Asylverfahren an der Grenze durchlaufen und vorübergehend in Grenzlagern unterkommen müssten. Vor allem Menschen aus dem nordafrikanischen Raum könnten hier betroffen sein.

 

CDU/CSU setzt sich durch

Was die Rückführung von ausreisepflichtigen Personen angeht, einigen CDU/ CSU und SPD sich wohl auf härtere Maßnahmen als zuvor. Zwar betonte die SPD während dem Wahlkampf noch, dass Schutzbedürftige weiterhin einen Platz in Deutschland finden müssen und setzte sich unter Olaf Scholz für ein Partizipationsgesetz ein, geben soll es nun aber “umfassende gesetzliche Regelungen, um die Zahl der Rückführungen zu steigern”, heißt es im Sonderierungspapier.

Genauer planen die Koalitionspartner strengere Regelungen, die besonders konsequente Abschiebungen ermöglichen sollen. So sollen von Abschiebung bedrohte Menschen unter anderem keinen verpflichtenden Rechtsbeistand mehr erhalten. Außerdem soll es möglich werden sogenannte Ausreisearreste anzuordnen und Personen ihren Schutzstatus zu entziehen, wenn diese beispielsweise als Gefährder eingestuft werden. “Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kapazitäten für die Abschiebehaft deutlich zu erhöhen.”, erklären die Parteien im Sondierungspapier.

Mit Blick auf die vorherigen Wahlkampfversprechen der CDU und der SPD wird deutlich, dass die CDU kaum bereit für Kompromisse im Umgang mit Ausreisepflichtigen ist. So hat sich zwar auch die SPD bereits für eine konsequente Abschiebung von nicht-bleibeberechtigten Personen ausgesprochen, allerdings wollte diese eigentlich nur straffällige Personen oder solche, die ihre Identität nicht vollständig preisgeben und dadurch bürokratische Prozesse stören, abschieben. Die CDU/CSU wiederum sprach sich schon vor der Wahl für drastischere Maßnahmen, wie die im Sonderierungspapier aus: Sie forderte schon vor Monaten die Anwendung der Ausreisehaft und eine begrenzte Versorgung abzuschiebender Personen.

Auch die Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft, die die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm geplant hat, wurde in den Sondierungsgesprächen berücksichtigt. Eine verfassungsrechtliche Prüfung soll nun zeigen, ob in Menschen in Einzelfällen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie eine weitere besitzen.

 

Ein Vorgeschmack auf die nächste Legislaturperiode

Das Sondierungspapier der CDU/ CSU und der SPD kann man als eine Art informelle Absichtserklärung verstehen. Die niedergeschriebenen Punkte sind eine erste Zusammenstellung der Ergebnisse aus den vorherigen Sondierungsgesprächen, in denen die Parteien über die grundsätzliche Kompatibilität für eine gemeinsame Regierungsarbeit diskutierten. Darin enthalten sind auch erste mehr oder weniger detaillierte Ansätze für die Gestaltung der Migrations- und Asylpolitik der nächsten vier Jahre. Basierend darauf gehen die Parteien am Donnerstag in die Koalitionsverhandlungen und arbeiten verbindliche Bedingungen für die Regierungsbildung aus.

Insgesamt lassen die Ergebnisse aus der Sondierungsphase den Eindruck zurück, dass die Migration in der Bundesrepublik bald stark begrenzt werden könnte und dass Schutzsuchende mit deutlich schwierigeren Aufnahmeprozessen rechnen müssen. Von den ursprünglich etwas milderen Asyl-Plänen aus dem SPD-Wahlprogramm ist in der Sondierungsphase nur wenig übrig geblieben. Inwiefern Menschen in Zukunft vor Diskriminierung geschützt werden sollen bleibt dabei unerwähnt. Einige Wahlkampfforderungen der Parteien sind im Sondierungspapier noch nicht enthalten. So bleibt zum Beispiel abzuwarten, ob Friedrich Merz mit seinem Wunsch nach einer deutschen Leitkultur noch einmal Gehör finden wird. Nachdem dieses Vorhaben im Jahr 2000 noch heftig kritisiert wurde, stieß er damit zuletzt auf deutlich weniger Widerstand.

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Hannah Simon studiert Journalistik an der Universität Hamburg und interessiert sich besonders für Themen der sozialen Gerechtigkeit. Neben dem Studium arbeitete sie 4 Jahre lang ehrenamtlich in der Geflüchtetenhilfe und setzt sich nun in ihren Texten mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen auseinander und beleuchtet Perspektiven, die oft übersehen werden.
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Hannah Simon studiert Journalistik an der Universität Hamburg und interessiert sich besonders für Themen der sozialen Gerechtigkeit. Neben dem Studium arbeitete sie 4 Jahre lang ehrenamtlich in der Geflüchtetenhilfe und setzt sich nun in ihren Texten mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen auseinander und beleuchtet Perspektiven, die oft übersehen werden.

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