Facebook ist das soziale Netzwerk, auf dem die meisten Syrerinnen aktiv sind. Dort wird diskutiert, aber es kommt auch zu Streit. Seit dem 8. Dezember, als Assad gestürzt wurde, ist die syrische Community dort besonders aktiv – nicht nur die Syrerinnen im Exil, sondern auch jene in Syrien. Facebook ist ein wichtiger Kanal, über den sich Syrer*innen austauschen können.
Allerdings wird dort oft sehr emotional und übertrieben diskutiert. Soziale Medien spiegeln nicht immer die Wirklichkeit wider, sondern können eine ganz andere Realität erzeugen, die nicht unbedingt richtig ist. Eine besondere Gefahr sind dabei sogenannte „Fake News“, bei denen viele falsche Informationen veröffentlicht und geteilt werden. Das ist besonders gefährlich, weil die syrischen Staatsmedien noch nicht in der Lage sind, sich zu erneuern, die neuen Entwicklungen zu analysieren und aktiver zu agieren. Die Medien leben noch immer in der Assad-Zeit.
Private Medien gibt es in Syrien kaum, und auch die Medien, die gegen Assad waren, sind zwar nach seinem Sturz sehr aktiv, haben ihre redaktionelle Ausrichtung jedoch noch nicht an die aktuelle Lage angepasst. Die relevanten Medienstrukturen sind also ganz anders als jene, die eine neutrale Berichterstattung für alle Syrer*innen bieten könnten. Es wird Zeit brauchen, bis die syrische Medienlandschaft ihre Redaktionslinien an die neue Situation anpasst. Bis dahin bleiben die sozialen Medien, allen voran Facebook, ein besonders wichtiger Kanal.
Trotzdem finde ich es sehr wichtig, dass alle Syrerinnen eine eigene Meinung bilden und diese äußern. Auch wenn einige Beiträge sehr kritisch oder emotional sind, brauchen wir diese Stimmen und Perspektiven. Allerdings sollte unser Blick auf die Dinge mehr als nur eine persönliche Sichtweise sein. Wir Syrerinnen müssen neue Initiativen, Vereine, Parteien, Foren und Gruppen gründen. Ohne Zusammenarbeit und Austausch untereinander können wir weder in Syrien noch anderswo wirklich etwas bewirken.
Es wird Zeit brauchen, um gemeinsam zu arbeiten und Vertrauen aufzubauen, und wir werden sicherlich Fehler machen – doch nur so können wir lernen. Das passiert auch in Syrien und auf Facebook und ist im Grunde positiv. Wichtig ist, dass wir lernen, einander zuzuhören und miteinander zu diskutieren, anstatt gegeneinander zu reden.
Bis dahin wünsche ich uns allen, als Syrer*innen, alles Gute
Liebe Grüße
Hussam Al Zaher
Chefredakteur
PS: Danke und shukran, dass du dabei bist! Falls du neu dazu gekommen bist, fülle bitte diese kurze Umfrage aus.
Eine kurze Zusammenfassung der Lage:
- Landminen und Opfer: Laut des Syrischen Netzwerkes für Menschenrechte starben seit 2011 in Syrien 3521 Zivilist*innen – darunter 931 Kinder und 362 Frauen – durch Landminen. Mehr als 10.000 Menschen wurden verletzt. Der Bericht warnt, dass Minen die Rückkehr Geflüchteter und den Wiederaufbau gefährden, und fordert die neue Regierung sowie die UNO zum Handeln auf.
- Asylpolitik und Reaktionen: In Frankreich sind rund 700 Asylanträge von Syrer*innen vorerst ausgesetzt. Zudem haben etwa zehn europäische Staaten nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember beschlossen, syrische Asylanträge zu prüfen oder auszusetzen. Auch Deutschland gehört dazu. Die USA kündigten an, ihre Hilfe für Syrien in humanitärer Hinsicht zu lockern.
- Politische Initiativen und Außenpolitik: US-Außenminister Blinken will mit europäischen Amtskolleg*innen in Rom über einen friedlichen, inklusiven Übergang in Syrien beraten. Nach einem Besuch in Damaskus erklärte Frankreichs Außenminister Barrot, dass keine ausländische Macht Syrien ausnutzen dürfe, und stellte eine mögliche Lockerung bestimmter Sanktionen in Aussicht. Präsident Macron versprach zudem, die kurdischen SDF-Kämpfer nicht im Stich zu lassen.
- Situation vor Ort:
Die neue syrische Verwaltung erfasst das Ausmaß der Kriegszerstörungen, um den Wiederaufbau voranzutreiben. Der kommissarische Finanzminister berichtet von Unregelmäßigkeiten und „Geisterangestellten“, was die geplante Gehaltserhöhung verzögert. In Afrin kehrten rund 4000 Familien zurück, wobei der Kurdische Nationalrat die Rückkehr unterstützt.
- Türkische Behörden planen derweil den erleichterten Import syrischer Pistazien, um die durch „Dubai-Schokolade“ steigende Nachfrage zu decken und Preise zu stabilisieren.
- Vermisste und Kinder: Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz betont, dass die Klärung des Schicksals der Vermissten Jahre dauern könnte. Laut Syrischer Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden 100 Kinder politischer Gefangener in Damaskus an ihre Familien übergeben.
- Zukunftsperspektive: Ein Bericht der Zeitschrift „Foreign Affairs“ warnt, dass nur ein geeintes Syrien langfristige Stabilität garantieren könne. Ein gespaltenes Land würde zu neuen Konflikten und möglichen internationalen Interventionen führen. Die USA sollten sich zurückziehen, sobald es Garantien gibt, dass die neue syrische Führung in der Lage ist, Terrorgruppen einzudämmen und die Rechte der Kurd*innen zu schützen.
Pläne des Innenministeriums über Verbleib von Syrer*innen in Deutschland
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser vertritt die Auffassung, dass einige Syrer*innen, die nach Deutschland geflohen sind, unter bestimmten Bedingungen in ihre Heimat zurückkehren sollten. In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das am Sonntag veröffentlicht wurde, erklärte Faeser: „Entsprechend unserem Gesetz wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die gewährte Schutzberechtigung überprüfen und widerrufen, wenn die Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr benötigen, weil sich die Lage in Syrien stabilisiert hat.“
Sie fügte hinzu, dass dies für Personen gelten wird, die kein Bleiberecht aus anderen Gründen wie Arbeit oder Ausbildung haben und nicht freiwillig nach Syrien zurückkehren. Faeser betonte, dass das Auswärtige Amt und das Innenministerium gemeinsam daran arbeiten, ein klareres Bild von der Situation in Syrien nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad zu erhalten.
Laut Angaben des Innenministeriums leben derzeit rund 975.000 Syrer*innen in Deutschland, von denen die meisten nach 2015 aufgrund des syrischen Bürgerkriegs eingereist sind. Mehr als 300.000 von ihnen verfügen über einen subsidiären Schutzstatus, weil sie nicht aufgrund persönlicher Verfolgung, sondern wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat aufgenommen wurden.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte kürzlich entschieden, wegen der dynamischen Entwicklungen in Syrien vorübergehend keine Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen zu treffen.
Faeser wies auch darauf hin, dass Deutschland sich besonders auf Sicherheitsfragen konzentriere und die Bundesregierung dabei eng mit europäischen und internationalen Partnern zusammenarbeite. Weiter sagte sie: „Diejenigen, die sich gut integriert haben, Arbeit haben, Deutsch gelernt haben und hier eine neue Heimat gefunden haben, sollten in Deutschland bleiben dürfen.“
Zugleich betonte sie, dass Menschen, die zurückkehren möchten, unterstützt werden müssten. Straftäter dagegen müssten so schnell wie möglich abgeschoben werden. Die rechtlichen Möglichkeiten dafür seien deutlich ausgeweitet worden und würden genutzt, sobald die Lage in Syrien dies erlaube.
Flughafen in Damaskus nimmt internationalen Betrieb ab dem 7. Januar wieder auf
Der Leiter der syrischen Zivilluftfahrt- und Transportbehörde, Ashhad as-Salibi, gab bekannt, dass der Internationale Flughafen Damaskus ab dem 7. Januar dieses Jahres wieder internationale Flüge abfertigen wird. Zuvor hatte bereits der syrische Verkehrsminister Baha ad-Din Scharm erklärt, der Flughafen könne binnen einer Woche wieder Flüge empfangen.
As-Salibi sagte am Samstag: „Wir geben bekannt, dass wir ab dem 7. Januar wieder internationale Flüge von und nach dem Internationalen Flughafen Damaskus aufnehmen. Wir haben alle Beschäftigten dazu aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren.“
Am 8. Dezember vergangenen Jahres wurden alle Angestellten aus dem Flughafen Damaskus evakuiert, und sämtliche Flüge wurden eingestellt – als Folge der militärischen Auseinandersetzungen vor dem Sturz Assads. Bereits im letzten Monat hatte die Flughafenverwaltung angekündigt, dass alle Flüge ausgesetzt bleiben, mit Ausnahme derjenigen, die eine spezielle Genehmigung von der Zivilluftfahrtbehörde erhalten.
Die Fluggesellschaft Qatar Airways gab in einer Erklärung bekannt, dass sie ihre Flüge nach Syrien ab dem 7. Januar wieder aufnehmen werde. Geplant seien zunächst drei wöchentliche Flüge nach Damaskus – nach rund 13 Jahren Unterbrechung.
Datenbank über das Ausmaß der Zerstörung in Syrien geplant
Der geschäftsführende syrische Minister für Kommunalverwaltung, Muhammad Muslim, erklärte, dass die neue syrische Verwaltung bestrebt sei, eine klare Datenbank über das Ausmaß der Zerstörung in Syrien aufzubauen. Er wies darauf hin, dass das Ministerium sich in erster Linie auf den Wiederaufbau der durch den Krieg und die Bombardierungen zerstörten Häuser konzentriere, um eine sichere und würdevolle Rückkehr der Vertriebenen zu ermöglichen. Weiter sagte er laut der Nachrichtenagentur SANA: „Die Priorität wird bei Einrichtungen liegen, die grundlegende Dienstleistungen wie Brot, Wasser und Strom bereitstellen.“
Muslim erläuterte, dass erste Luftaufnahmen einiger zerstörter Gebiete ein gewaltiges Ausmaß an Zerstörung in Städten und ländlichen Regionen zeigten. Es würden spezialisierte Teams eingesetzt, die professionelle Bestandsaufnahmen durchführten, um Pläne und Ziele für die kommende Phase festzulegen. Er betonte zudem, dass das Ministerium sich noch in der Phase der Erfassung aller Bereiche befinde, die einen Wiederaufbau erfordern. Dabei merkte er an, dass das Assad-Regime früher niemals präzise Statistiken für die Provinzen erstellt habe.